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Schwäbischer Wirtschaftsgipfel : Diese Forderungen der schwäbischen Wirtschaft liegen jetzt beim künftigen Kanzler

Schwäbischer Wirtschaftsgipfel

Diese Forderungen der schwäbischen Wirtschaft liegen jetzt beim künftigen Kanzler

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    Beim Schwäbischen Wirtschaftsgipfel unserer Redaktion in Augsburg diskutieren (von links) die Redakteure Christina Heller-Beschnitt (Digitalredaktion) und Stefan Stahl (Chefkorrespondent) mit Ramona Meinzer (Geschäftsführerin Aumüller Aumatic), Norbert Peer (Managing Director, Premium Aerotec), Ulrich Scheib (Vorstandsvorsitzender MT Aerospace) und Dr. Uwe Lauber (Vorstandsvorsitzender MAN Energy Solutions).
    Beim Schwäbischen Wirtschaftsgipfel unserer Redaktion in Augsburg diskutieren (von links) die Redakteure Christina Heller-Beschnitt (Digitalredaktion) und Stefan Stahl (Chefkorrespondent) mit Ramona Meinzer (Geschäftsführerin Aumüller Aumatic), Norbert Peer (Managing Director, Premium Aerotec), Ulrich Scheib (Vorstandsvorsitzender MT Aerospace) und Dr. Uwe Lauber (Vorstandsvorsitzender MAN Energy Solutions). Foto: Bernhard Weizenegger

    Über 150 Unternehmerinnen, Unternehmer und Vertreter des Handwerks und der Industrie aus Bayerisch-Schwaben diskutierten auf dem ersten Schwäbischen Wirtschaftsgipfel unserer Redaktion im März in Augsburg über Wege aus der wirtschaftlichen Krise. Dabei kristallisierten sich in der Diskussion zentrale Punkte heraus, die jetzt angegangen werden müssen. Die Forderungen der bayerisch-schwäbischen Wirtschaft an die künftige Bundesregierung hat jetzt der Initiator des schwäbischen Wirtschaftsgipfels - Dr. Theo Waigel - unter anderem an CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt weitergeleitet.

    Dies sind die Anregungen für mehr Wachstum von Unternehmerinnen, Unternehmern, Handwerk und Industrie aus Bayerisch-Schwaben:

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    Arbeitsmarkt, Standort, Wettbewerbsfähigkeit

    Arbeitszeiten flexibilisieren, vor allem die Höchstarbeitsgrenze von 10 Stunden

    Ramona Meinzer, Geschäftsführerin des mittelständischen Steuerungsherstellers Aumüller Aumatic, Landkreis Aichach-Friedberg:

    „Wir müssen die Arbeit flexibilisieren“, sagt Ramona Meinzer, Geschäftsführerin des mittelständischen Steuerungsherstellers Aumüller Aumatic mit rund 150 Beschäftigten weltweit. „Sehr viele Leute würden gerne an einem Tag mehr arbeiten, am anderen Tag dafür weniger.“ Das entspreche ihrer Erfahrung nach auch modernen Familienmodellen. „Es sind Erwachsene! Warum muss ich ihnen hinterherlaufen und sie nach 10 Stunden nach Hause schicken?“, sagt sie.   

    Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, forderte in Augsburg eine Reform des Beschaffungswesens für militärische Güter.
    Prof. Monika Schnitzer, Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, forderte in Augsburg eine Reform des Beschaffungswesens für militärische Güter. Foto: Bernhard Weizenegger


    Strukturreformen bei Steuern und Bürokratie, um den Standort wettbewerbsfähig zu machen

    Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben:

    Die Unternehmen warten aktuell auf eine echte Wirtschaftswende, die ambitionierte Strukturreformen nachhaltig anpackt, sagt Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben. „Aber auch Sofortmaßnahmen wie schnellere steuerliche Abschreibungen, die Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes und zahlreicher weiterer Berichtspflichten würden ein dringend benötigtes Aufbruchssignal senden.“

    Mittelschulen stärken und einen Teil des Infrastrukturpakets hier investieren

    Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, Augsburg, und
    Eva Weber, Oberbürgermeisterin von Augsburg, CSU:

    Ohne gut ausgebildete Arbeitskräfte kann die Wirtschaft nicht erfolgreich sein. Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben, warnt aber vor einer zu engen Fokussierung auf die akademische Bildung: „Viel zu lange haben alle nur auf die Hochschulen geschaut und dabei andere Bereiche vernachlässigt. In die Schullandschaft ist viel zu wenig investiert worden.“ Vor allem die Mittelschulen brauchen deutlich mehr Geld. „Die Lehrerinnen und Lehrer dort leisten sehr viel. Aber die Mittelschulen sind das Stiefkind der Bildungspolitik“, kritisiert Wagner.

    Investitionen in die Mittelschulen könnten auch ein Weg sein, um zu verhindern, dass Millionen Jugendliche noch immer ohne Abschluss die Schulen verlassen, wodurch großer volkswirtschaftlicher Schaden entsteht: „Zwei bis drei Millionen Jugendliche im Land haben gar keinen Abschluss und auch keine Ausbildung. Für sie tun wir zu wenig“, sagt Wagner. Das Land brauche Fachkräftezuwanderung, aber es gelte auch, die Potenziale zu heben, die schon vorhanden sind.

    Unterstützung bei Investitionen in Schulen erhofft sich auch Eva Weber, Oberbürgermeisterin von Augsburg: „Wir haben in Augsburg alleine 70 Schulen mit 120 Schulgebäuden, für die die Stadt zuständig ist. Wenn wir die alle in Schuss bringen würden, würde das alleine zwei Milliarden Euro kosten. Deshalb hoffe ich sehr, dass sich mit dem neuen Sondervermögen etwas tut. Die Themen sind nicht neu, wir Kommunen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass wir Geld brauchen. Und da geht es um mehr als um funktionierende Schultoiletten. Es geht es viel mehr um die Frage: Vertrauen die Menschen noch auf den Staat? Schafft er es, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern? Wenn die Mittel bei den Kommunen ankämen und wir die Infrastruktur verbessern könnten, dann wäre das ein Signal. Denn es ist an der Zeit, den Menschen zu sagen: Ihr könnt uns vertrauen!“

    Im Foyer der Augsburger Allgemeinen sprachen unter Moderation von Wirtschaftsredakteur Dr. Michael Kerler die Oberbürgermeisterin von Augsburg, Eva Weber, der Präsident der Handwerkskammer von Schwaben, Ulrich Wagner, sowie der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, Marc Lucassen (von links) über den Standort Schwaben.
    Im Foyer der Augsburger Allgemeinen sprachen unter Moderation von Wirtschaftsredakteur Dr. Michael Kerler die Oberbürgermeisterin von Augsburg, Eva Weber, der Präsident der Handwerkskammer von Schwaben, Ulrich Wagner, sowie der Hauptgeschäftsführer der IHK Schwaben, Marc Lucassen (von links) über den Standort Schwaben. Foto: Bernhard Weizenegger
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    Energiepolitik

    Rückkehr zu Freileitungen statt Erdkabeln für eine kostengünstigere Stromversorgung

    Dr. Marc Lucassen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Schwaben:

    Die teure Energie ist ein großer Nachteil des Wirtschaftsstandorts Deutschlands. Die Industrie- und Handelskammer Schwaben regt an, die Energiewende insgesamt neu zu denken und diese marktwirtschaftlicher und damit kosteneffizienter zu organisieren. Dazu gehört auch der Vorrang von Freileitungen zur Erdverkabelung: „Warum bauen wir zum Beispiel für die Stromtrassen von Norden nach Süden Erdkabel, die um ein Vielfaches teurer sind und deutlich weniger lange halten als Freileitungen?“, nennt Hauptgeschäftsführer Lucassen ein Beispiel.

    Genehmigungszeiten abbauen für Wasserstoff-Projekte und Weg für Kohlendioxid-Speicherung (CCS) freimachen

    Dr. Uwe Lauber, Vorstandsvorsitzender des Großmotorenherstellers MAN Energy Solutions, Augsburg:

    „Rund 50 Prozent des Welthandels werden mit unseren Schiffsmotoren betrieben. Als wir 2019 in die Krise geschlittert sind, mussten wir Rudolf Diesel neu erfinden, das geht nur mit Innovation. Blickt man heute auf unser Portfolio, werden 80 Prozent unserer Motoren mit Erdgas oder umweltfreundlichen Treibstoffen wie Methanol oder Ammoniak betrieben, das können asiatische Hersteller nicht. Solange im Land aber der Bürokratismus nicht abgebaut wird, verharrt die Wirtschaft weiter im Stillstand. Ein Beispiel: MAN Energy Solutions stellt Anlagen zur CO2-Abscheidung her, damit das Klimagas nicht in die Atmosphäre gelangt. In den USA brauchten wir für die Projektierung einer Anlage drei Monate. In Deutschland dagegen wäre das Projekt nicht möglich, weil wir die Technologie immer noch verbieten.“

    Herr Lauber schildert auch, dass das Unternehmen über die Tochter Quest One in der Herstellung von Elektrolyseuren zur Wasserstoff-Erzeugung eingestiegen ist. Der Hochlauf der Wasserstoff-Produktion ist ein erklärtes Ziel der Bundesregierung. Die Genehmigung für eine Wasserstoff-Pilotanlage in Hamburg habe aber eineinhalb Jahre gedauert. „Da laufen uns andere Länder weg“, warnt er. „Uns ging es im Land lange Zeit zu gut. Wir müssen in Zukunft zuerst überlegen: Was braucht die Wirtschaft? Warum rennen uns die großen Unternehmen weg?“

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    Verteidigung und Luftfahrt

    Innovationsagentur für Verteidigungsinvestitionen und gemeinsamer europäischer Einkauf von Rüstungsgütern

    Prof. Dr. Dr. h.c. Monika Schnitzer, Vorsitzende Sachverständigenrat Wirtschaft:

    Damit die Reform der Schuldenbremse für Vereidigungsausgaben ihre größte Wirkung entfalten kann, rät Prof. Monika Schnitzer zu einer Reform im Beschaffungswesen der Bundeswehr. Auch mehr Europa und mehr Wettbewerb könnten helfen, das viele Geld so auszugeben, dass es den größtmöglichen Nutzen erzielt. Wie der Krieg in der Ukraine zeige, seien neue Technologien wie die Künstliche Intelligenz auch in der Wehrtechnik auf dem Vormarsch. Die USA haben es vorgemacht, sagt Schnitzer. Mit einer Innovationsagentur für die Verteidigung bringt Washington neue Technologien in die Branche. Das strahle dann wiederum positiv auf die ganze Wirtschaft aus. „Wir haben uns davor immer gescheut. Jetzt wäre der Zeitpunkt, um das umzusetzen“, findet Schnitzer.

    Freiräume und Deregulierung für Microlauncher-Entwickler (Kleinraketen)

    Ulrich Scheib, Vorstandsvorsitzender MT Aerospace, Augsburg:

    „Unser Unternehmen ist ein großer Zulieferer für die Ariane 6-Rakete. Wir haben auch die Rocket Factory gegründet, ein Unternehmen, das kleine Raketen, sogenannte Micro Launcher baut. Wir haben uns gefragt: Wo gründen wir die Firma? In München? In Berlin? Wir haben es in Augsburg gemacht. Es gibt hier einen perfekten Mix aus einer attraktiven Umgebung, Kompetenz und einem sinnvollen Preis-Leistungs-Verhältnis. Damit haben wir Absolventinnen und Absolventen selbst von US-Eliteuniversitäten angelockt. Europa und Deutschland haben große Strahlkraft und eine tolle Lebensqualität. Was aber muss in den nächsten Jahren passieren? In der Sprache des Fußballs: Geld allein schießt keine Tore. Geld allein schafft keine Innovation. Wir brauchen ein Spielsystem, es müssen strategische Entscheidungen fallen. Unser Spielsystem ist derzeit viel zu verkopft. Wir müssen mehr Freiräume schaffen, damit unsere schlauen Köpfe ihre Innovationskraft aufs Tableau bringen können.“

    Unterstützung für die Transformation der Luftfahrt hin zu klimaneutralen Treibstoffen und Antrieben als Wettbewerbsvorteil gegenüber China

    Norbert Peer, Managing Director Premium AEROTEC (Geschäftsbereich der Airbus GmbH), Augsburg:

    Das Unternehmen stellt mit mehreren Tausend Beschäftigten Komponenten für Airbus und den Eurofighter her. Es steht im Wettbewerb mit China. Peer argumentiert, dass sich Europa auf seine technischen Vorsprünge konzentrieren muss, um im künftigen Wettbewerb zu punkten: „Ein chinesischer Flugzeughersteller hat inzwischen bereits für viele Jahre Aufträge“, sagt er. „Wir stehen vor der Transformation zum klimaneutralen Fliegen. Wir müssen dort Innovationen einbringen, wo unsere Stärken liegen. Hier muss uns die Politik helfen. Es ist gut, dass inzwischen die strategische Relevanz der Luftfahrtindustrie erkannt wird, lange standen wir in Deutschland im Schatten der Autoindustrie.“

    „Es ist zu einem guten Teil dem früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß zu verdanken, dass die Luftfahrtindustrie heute im Freistaat so stark ist. Er hatte eine Vision und den Mut, diese umzusetzen. So hat er sich stark für Airbus engagiert und das europäische Unternehmen vorangetrieben. Heute müssen wir neuen Mut haben! Wir haben den Mut, in Europa zu bleiben. Mit China erwächst ein starker Wettbewerber auch in der Luftfahrtindustrie. Deshalb müssen wir hierzulande noch stärker in Innovation und vor allem auch in Automatisierung gehen. Die Auftragsbücher von Airbus sind mit weit über 8000 Einheiten gut gefüllt. Damit ist unsere Produktion für rund zehn Jahre ausgelastet. Wir dürfen aber nicht selbstgefällig werden“, sagt Peer.

    „Es ist Zeit für eine europäische Verteidigungsgemeinschaft 2.0“: Initiator des ersten Schwäbischen Wirtschaftsgipfels in Augsburg war der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel.
    „Es ist Zeit für eine europäische Verteidigungsgemeinschaft 2.0“: Initiator des ersten Schwäbischen Wirtschaftsgipfels in Augsburg war der ehemalige Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel. Foto: Bernhard Weizenegger
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     Europa

    Mut in Europa: Kapitalmarktunion und Europäische Verteidigungsgemeinschaft

    Dr. Theo Waigel, Finanzminister a.D., CSU:

    „Vor 70 Jahren ist im französischen Parlament - in der Assemblée nationale - die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gescheitert. Es waren 70 Jahre vertane Zeit. Es wäre Zeit, eine EVG 2.0 zu etablieren, zumindest in der Beschaffung“, rät Dr. Theo Waigel, Finanzminister a.D. Im Vergleich zu den USA ist der europäische Kapitalmarkt zudem kleinteilig und zersplittert. Das bringt Probleme in der Finanzierung von Wagnisvorhaben und von großen Investitionen. „Es ist höchste Zeit für eine wirkliche Kapitalmarktunion in Europa, um einen Kapitalmarkt zu schaffen, der es mit den USA aufnimmt“, sagt Waigel.

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