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Trotz sinkendem Bierkonsum: Hofbräu beschert Bayern Millionen-Gewinne

Interview

Hofbräuhaus-Chef: Alkoholfreies Bier ist für mich kein richtiges Bier

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    So hat sich Michael Möller in diesem Jahr beim Maibockanstich im staatlichen Hofbräuhaus in München präsentiert.
    So hat sich Michael Möller in diesem Jahr beim Maibockanstich im staatlichen Hofbräuhaus in München präsentiert. Foto: Agency People Image/Michael Tinnefeld/Hofbräuhaus

    Herr Möller, am 21. September beginnt das Oktoberfest. Als Direktor des staatlichen Hofbräuhauses, zu dem neben der Brauerei das Münchner Hofbräuhaus am Platzl gehört, wollen Sie während der Wiesn alle 16 Tage im Hofbräu-Festzelt aktiv sein. Wie halten Sie das aus?

    Michael Möller (lacht): Meine erste Wiesn als Direktor des Hofbräuhauses war sehr lehrreich für mich. 

    Haben Sie zu tief in den Maßkrug geschaut?

    Möller: Zunächst einmal war nach zwei Tagen meine Stimme weg. Man muss in den Zelten ja sehr laut reden. Dann war ich nach fünf Tagen mit allen denkbaren Viren infiziert. Schnupfen, Heiserkeit, ich war fertig mit der Welt. Schließlich kam noch etwas wirklich Unangenehmes hinzu.

    Was ist unangenehmer, als krank zu sein und sich 16 Tage in einem Zelt schreiend zu unterhalten?

    Möller: In meinem Fall, dass ich nach dieser Wiesn fünf Kilo zugenommen hatte. So durfte es bei der nächsten Wiesn nicht weitergehen. Ich habe mich dann bei Kolleginnen und Kollegen umgehört, wie sie die Oktoberfest-Zeit möglichst unbeschadet überstehen. Ich bekam viele Tipps. Seitdem dope ich mich.

    Der Chef des Hofbräuhauses dopt sich also für die Wiesn. 

    Möller (lacht): Ich dope mich nur mit einem Packerl Spurenelementen und Vitamin-Präparaten, also legalen Substanzen. Anfang September fange ich damit an und ziehe das zwei Monate jeden Tag durch. Das hilft. Ich bin nur selten, und wenn nur ganz leicht erkältet. Musiker haben mir spezielle Hals-Tabletten empfohlen, damit die Stimme geschmeidig bleibt. Und ich achte darauf, dass ich gegen 22 oder 22.30 Uhr die Wiesn verlasse. Nichts wirkt sich verheerender aus, als wenn man nach dem Oktoberfest weiterzieht und weiter trinkt. Da ist man dann um 4 Uhr in der Früh zu Hause und fertig mit der Welt.

    Wie haben Sie das Gewichts-Problem in den Griff bekommen? Dopen Sie sich auch hier?

    Möller: Zunächst hatte ich hier keinen Erfolg. Bei der nächsten Wiesn nahm ich noch einmal drei Kilo zu, sodass die Hemden zu spannen begannen. Und ich war kein Asket, als ich 2000 anfing, Hofbräu auf der Wiesn zu vertreten. Deswegen habe ich aufgehört, auf dem Oktoberfest den ganzen Tag immer wieder etwas zu essen, auch wenn die Versuchungen wie Weißwürste und Brezen so nah sind. Bekomme ich Hunger, bestelle ich mir bewusst etwas und esse es in einem kleinen Büro des Hofbräu-Zelts. Durch diese Strategie habe ich wieder fünf Kilo abgenommen.

    Da bliebe noch die kalorienreiche und Kopfweh-gefahrengeneigte Haupt-Versuchung auf der Wiesn.

    Möller: Ich trinke nicht immer wieder eine Maß, sondern nur einen Schnitt. Und wenn der Schnitt mal warm ist, tausche ich ihn gegen einen neuen Schnitt aus. 

    Ein Schnitt ist keine ganze Maß, sondern wird in Bayern auch eine Schaumige genannt. Es handelt sich dabei um maximal eine Drittel-Maß Bier mit viel Schaum.

    Möller: Ich hoffe natürlich, dass es möglichst wenig Bier ist. Ich versuche meinen Bier-Konsum auf der Wiesn deutlich zu drosseln, auch wenn ich ein großer Bierliebhaber bin. 

    Warum verfolgen Sie die Schnitt-Anti-Katerstrategie, wo doch andere Festwirte und Brauer, ohne es an die große Glocke zu hängen, eine Maß alkoholfreies Bier nach der anderen trinken?

    Möller: Alkoholfreies Bier ist für mich kein richtiges Bier. Da bin ich eigen. Bier ist für mich ein alkoholhaltiges, gschmackiges, vollmundiges und aromatisches Getränk. Wenn man Bier Alkohol entzieht, ist das ein anderes Getränk. Alkohol löst Aromastoffe, die bei alkoholfreien Bieren verloren gehen. Natürlich sind alkoholfreie Biere besser geworden und auch wir kaufen bei anderen Brauereien alkoholfreie Biere zu, die es auf der Wiesn wie im Hofbräuhaus gibt.

    Doch etwa jedes neunte Bier, das Bayerns Brauer verkaufen, ist alkoholfrei.

    Möller: Ich könnte nicht den ganzen Tag auf der Wiesn alkoholfreies Bier trinken. Dann würde ich eher Wasser trinken. Ich schäme mich nicht, wenn ich nur Wasser trinke. Aber lieber trinke ich in Maßen Bier. Ein Brauer muss schließlich mit Bier anstoßen. Wer aber auf das Oktoberfest geht, sucht die Gaudi. Dazu gehört richtiges Bier. Die Nachfrage nach nicht alkoholischen Getränken, also auch alkoholfreien Bieren, ist im Hofbräu-Festzelt geringer als in anderen Zelten. Im Hofbräuhaus verhält es sich ähnlich: Die Menschen wollen ein g‘scheites Bier trinken und mit Menschen aus aller Welt eine Gaudi in der Schwemme haben und Musik hören. Daher sind nur zehn Prozent der ausgeschenkten Getränke im Hofbräuhaus alkoholfrei.

    Manche trinken auf der Wiesn viel zu viel, darunter auch junge Menschen. Wie verträgt sich das mit Ihrem Anspruch, sich für den verantwortungsvollen Umgang mit Bier einzusetzen?

    Möller: Bei uns gilt im Zelt: Es gibt erst ab 18 und nicht schon ab 16 Jahren richtiges Bier. Wir bitten die Kellnerinnen und Kellner, sich im Zweifel den Ausweis von jungen Menschen zeigen zu lassen. Auch bei Beschwerden bleiben wir hier hart. 

    Fahren Sie als Schnitt-Trinker selbst mit dem Auto von der Wiesn nach Hause?

    Möller: Für die Zeit des Oktoberfestes gebe ich den Autoschlüssel ab und engagiere einen Studenten als Fahrer. Dann kann ich richtiges Bier trinken. 

    Schade nur, dass andere Wiesn-Gäste im Hofbräu-Zelt keinen Schnitt bekommen, sondern eine ganze Maß bestellen müssen, die dieses Jahr dort stolze 14,95 Euro kostet. Ein Schnitt wäre billiger und das Bier wird nicht so schnell warm. 

    Möller: Nein, einen Schnitt bekommen die Gäste nicht. 

    Und langen Sie mit fast 15 Euro für eine Maß nicht viel zu üppig zu? Ist der hohe Preis eine Trink-Bremse?

    Möller: Auch wenn zur Wiesn im vergangenen Jahr mehr Gäste kamen, haben die Menschen im Schnitt weniger Bier, aber auch weniger nicht alkoholische Getränke als 2022 getrunken. Und sie haben weniger Geld für Andenken ausgegeben, also etwa einen Steinkrug ohne Deckel statt des teureren Steinkrugs mit Deckel gekauft. 

    Wegen der schon damals zünftigen Bier-Preise?

    Möller: Generell sitzt das Geld bei den Menschen nicht mehr so locker. Dass sie sich letztes Jahr bei Bier zurückgehalten haben, lag auch an den hohen Temperaturen. Sie tranken dann halt mehr Wasser.

    Um nachzuschenken: Ist der Preis für eine Maß Bier von rund 15 Euro nicht eine böse Biertrink-Bremse?

    Möller: Im Verhältnis zur Wertigkeit des Produkts ist der Preis von 15 Euro für eine Maß gerechtfertigt. Die Kosten für das Oktoberfest, also der Aufbau der Zelte, die Musik und die Sicherheit, sind enorm. Wir dachten schon, als der Preis für eine Maß über die Schwelle von zehn Euro stieg, dass die Menschen weniger trinken. Die Befürchtungen bestätigten sich nicht. Wenn man in Berlin oder Hamburg den Bier-Preis auf eine Maß hochrechnet, kommen vielfach auch 15 Euro zusammen. Im Ausland, ob in Österreich oder Italien, ist Bier meist noch teurer als die Maß auf der Wiesn. Im Vergleich zu den Bier-Preisen in Großbritannien oder Skandinavien sind unsere Wiesn-Bier-Preise günstig. 

    Sie haben auch ein Hofbräuhaus in Las Vegas. Was kostet dort die Maß?

    Möller: Knapp 30 Dollar mit allem Drum und Dran.

    Kostet die Maß auf der Wiesn in zehn, 20 Jahren 30 Euro?

    Möller: Das ist denkbar.

    Wie laufen denn die Geschäfte für Hofbräu? Die Deutschen trinken immer weniger Bier und die Branche klagt.

    Möller: Wir wachsen auch wegen unseres ungewöhnlich hohen Exportanteils von 54 Prozent gegen den Trend. Ich bin seit 2000 Direktor des staatlichen Hofbräuhauses. Seitdem haben wir den Ausstoß verdoppelt. 

    Ist der Freistaat als Eigentümer zufrieden mit Hofbräu?

    Möller: Ja, denn wir finanzieren alle Investitionen aus der eigenen Liquidität. Wir machen keine Schulden bei der Bank und benötigen kein Geld von unserem Eigentümer, dem Freistaat Bayern. Zudem führen wir an den Freistaat jährlich eine Ausschüttung ab. 2022 lag der Gewinn nach Steuern bei 4,5 Millionen Euro. Noch liegen keine exakten Zahlen für 2023 vor, doch es ist absehbar, dass wir mehr Geld als 2022 an Bayern überweisen. Eigentlich müsste jeder Bayer mit Begeisterung unser Bier trinken.

    Warum das denn?

    Möller: Weil wir den bayerischen Staatshaushalt füttern. Unsere Ausschüttungen kommen voll dem Freistaat zugute. Wer im Hofbräuhaus eine Maß trinkt, tut auch etwas für die bayerischen Staatsfinanzen. 

    Doch zuletzt sind nicht immer Ausschüttungen des staatlichen Hofbräuhauses an Bayern geflossen.

    Möller: Seit 2000 haben wir nur zwei Mal die Ausschüttungen ausgesetzt – und zwar für die Corona-Jahre 2020 und 2021. Da wir stärker als andere Brauereien vom Umsatz in der Gastronomie abhängig sind, war das kein Wunder. Über 60 Prozent unseres Biers wird schließlich über die Gastronomie verkauft. Noch ist es uns nicht gelungen, den Ausstoß der Vor-Corona-Zeit zu erreichen. Doch 2024 wird das voraussichtlich wieder klappen. 

    Der Staat als Eigentümer klingt für Hofbräu München nach einer gmahden Wiesn, wie man in Bayern eine komfortable Situation umschreibt.

    Möller: Wir haben es nicht leichter als die anderen Kollegen in der Brauwirtschaft. Wie jedes andere Unternehmen bilanzieren wir und werden jährlich geprüft. Wenn wir dem Freistaat eine bestimmte Ausschüttung in Aussicht stellen, müssen wir diese auch exakt abliefern. 

    Sind Ministerpräsident Markus Söder und sein für das Hofbräuhaus zuständiger Finanzminister Albert Füracker so streng?

    Möller: Wenn unsere Zahlen in den Entwurf für einen bayerischen Haushalt eingeplant werden und dieser Haushalt verabschiedet wird, erlangt er Gesetzeskraft. Unsere Zahlen müssen also wie geplant ausfallen.  Wir müssen als Hofbräu München liefern. Deshalb ist es keine gmahde Wiesn für uns.

    Der russische Markt war lange Zeit ein wichtiger Exportmarkt für Hofbräu München, also eine gmahde Wiesen. Dort haben Sie gute Geschäfte gemacht. So freute sich Söder 2017 noch als Finanzminister, dass es mit der Eröffnung des Hofbräu Kemerowo nun auch im fernen Westen Sibiriens heiße: „Ein Prosit der Gemütlichkeit.“ 

    Möller: Russland war nach Italien und den USA unser drittwichtigster Exportmarkt. Das Geschäft war sehr stabil und ertragreich. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine haben wir die Lieferung von Bier nach Russland komplett eingestellt. Das Hofbräuhaus in Sankt Petersburg ging nicht an den Start. Hofbräu Kemerowo in Sibirien wurde geschlossen.

    Doch es taucht nach wie vor Hofbräu-Bier in Russland auf.

    Möller: Obwohl wir kein Bier mehr nach Russland exportieren, haben wir erfahren, dass unsere Biere in Russland aufgetaucht sind. Dies lässt sich nur damit erklären, dass Händler aus anderen Ländern unser Bier ohne unsere Kenntnis nach Russland weiterverkauft haben.

    Wie versuchen Sie den Wegfall des russischen Marktes auszugleichen?

    Möller: National wachsen wir gegen den Trend in Gastronomie und Handel. International setzen wir jetzt verstärkt auf den osteuropäischen und asiatischen Markt, vor allem auf Länder wie Georgien, wo wir acht kleinere Hofbräu-Wirtschaften haben. Aber auch Länder wie Japan, Südkorea, Thailand und Vietnam nehmen wir jetzt stärker in den Focus. Und in den USA sind die sechs Hofbräuhäuser für uns natürlich eine wichtige Stütze. Das vergleichbar kleine Hofbräu-Wirtshaus in New York läuft auch sehr gut.

    Das Hofbräuhaus am Münchner Platzl gilt als das weltweit bekannteste Wirtshaus. Ist das Angebot in den Hofbräuhäusern global ähnlich?

    Möller: Im Prinzip schon, aber es gibt regionale Unterschiede. So bieten wir in den US-Wirtshäusern auch Pommes und Ketchup an, in München nicht, auch wenn mancher Gast aus dem Ausland darüber verwundert ist. Wir wahren und exportieren die Münchner Biertradition. So gibt es auch in anderen Hofbräu-Wirtshäusern Bierkrug-Tresore, in denen Stammgäste ihre Krüge verwahren können. Das Privileg ist nicht vererbbar und wird vom Wirt an Stammgäste vergeben. Im Münchner Hofbräuhaus gibt es bei mehr als 125 Stammtischen und rund 3500 Stammgästen 616 Tresor-Fächer für Krüge.

    Das Münchner Hofbräuhaus verfügt sogar über eine eigene Währung.

    Möller: Früher konnten Bedienstete des Hofes im Hofbräuhaus mit Zeichen Bier kaufen, wir bieten nun Bier-Zeichen als Hofbräuhaus-eigene Währung an. Ein Bier-Zeichen entspricht einer Maß. Wer zehn Bier-Zeichen kauft, bekommt ein elftes, also eine Maß gratis. Unsere Stammgäste sind heiß auf diese stabile Währung ohne Kursschwankungen. Und bei uns dürfen die Gäste im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaften Karten spielen. Wir haben eine bunte Palette an Stammtischen. Dort sitzen etwa Künstler, Ärzte, Handwerker, Polizisten oder Flugkapitäne zusammen. 

    Michael Möller, Jahrgang 1960, ist seit 2000 Direktor des staatlichen Hofbräuhauses in München. Der promovierte Ingenieur für Brauwesen und Getränketechnologie hat an der Technischen Universität München in Weihenstephan studiert. Möller kommt aus einer Brauerei im österreichischen Kärnten. Er arbeitete zunächst für Hersteller von Brauereianlagen in Osteuropa und Südamerika. Schließlich wurde er stellvertretender Geschäftsführer Marketing und Vertrieb bei der Anton Steinecker Maschinenfabrik GmbH in Freising, einem Tochterunternehmen der Krones AG.

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    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    Alkohofreies Bier ist wie Frauenfußball, wer es möchte soll es genießen.

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