Stadt, Land, Fluss
Eine Tour der Gegensätze und Begegnungen: Mit dem Zug nach Schrobenhausen und durchs Paartal zurück
Schrobenhausen. Die Wolken ballen sich in der Ferne, Gewitter liegt in der Luft und Regen. Der Radfahrer soll es später hautnah zu spüren bekommen. Die Wettervorhersage war aber nicht so schlecht. Ich wage deshalb trotzdem die Tour von Schrobenhausen nach Augsburg. Sie führt von Altbayern nach Schwaben, aus der Kleinstadt in die Großstadt, aus kühlen Auwäldern in eine Industrielandschaft.
Der Zug kommt in Schrobenhausen an: Grüß Gott in Oberbayern! Geradeaus vom Bahnhof: der Stadtplatz. Es ist Mittag, die Mutigen sitzen bei dichten Quellwolken in den Cafés, der Radfahrer entdeckt den Hinweis auf eine Chagall-Ausstellung und das Spargelmuseum. Darauf ist man stolz hier, schließlich hat das Gemüse das Städtchen bekannt gemacht. Man könnte einen Tag bleiben, doch das ist nicht Sinn der Sache: Ab, hinaus aus der Stadt!
Der Radweg führt durch ein grünes Land, Feld an Feld, Raps neben Gerste, Mais neben Spargel. In der Ferne: die Paar. Das Flüsschen ist nicht so alt, verraten Info-Tafeln, erst rund 10 000 Jahre. Durch den hohen Grundwasserstand entwickeln sich Niedermoore, heißt es.
Pause an einem See: dem Badesee bei Radersdorf. Jugendliche sitzen trotz der dichter werdenden Wolken auf einer Decke im Gras, blicken aufs Wasser, plaudern, lachen. Ihr Radio dudelt, Zeit spielt keine Rolle. Am anderen Ufer des Sees spielen sie Minigolf.
Die Bahnlinie entlang, über die man von Augsburg nach Schrobenhausen kommt, geht es in die Stadt Aichach, meine Heimat. Kurz vor dem Ortsschild kann der Radler nach Ober- und Unterwittelsbach abbiegen. Von dort stammt das Geschlecht der Wittelsbacher, das Bayern regierte. Bayerischer geht es nicht, obwohl Aichach seit der Gebietsreform zu Schwaben zählt.
Das Stammschloss steht nicht mehr, aber in Unterwittelsbach findet sich ein Wasserschloss, in dem die kleine Elisabeth (Sisi), die spätere Kaiserin von Österreich Teile ihre Kindheit verbracht hat. An der Kasse: Kastellanin Brigitte Neumaier, die ein freundliches Bairisch spricht. Ja sagt sie, Radfahrer kommen öfter vorbei. Sisi zieht. „Auch wenn man nicht weiß, wann genau die kleine Elisabeth hier war; das war damals einfach ein kleines Mädchen; niemand hat ja damit rechnen können, dass sie später Kaiserin wird.“ Die aktuelle Ausstellung dreht sich um „Sein und Schein“, um Sissi-Filme, Romy Schneider und Hollywood.
Das Jesuskind grüßt mechanisch
Aichach, Stadtplatz. – Der Himmel öffnet die Schleusen, es schüttet. Ich flüchte ich in die uralte Kirche am Spital. Stufen führen in den Kirchraum hinab; im Laufe der Jahrhunderte hat man den Stadtplatz aufgefüllt, auch mit Schutt aus dem Dreißigjährigen Krieg. Für zehn Cent, in Kindertagen waren es Pfennige, kann man ein Krippenspiel in Gang setzen. Eine Jesuskind-Figur fährt aus einem Kapellchen und erteilt mechanisch den Segen.
Fett stehen auf den Wiesen hinter Aichach Hahnenfuß und Margeriten. In Sulzbach ein alter Dorfladen mit leeren Regalen, hinter der Schaufensterscheibe untersuchen zwei Männer ein Fahrrad. Ich bremse. Er sei eigentlich Hubschrauberelektriker, sagt Christian Greppmair. Früher habe er für den Triathlon trainiert. Das ist vorbei, die Liebe zum Rad blieb. „Jetzt schraube ich“, sagt der 38-Jährige. Wenn ein Radfahrer am Samstagauf dem Paartalweg einen Platten hat, könnte er ihn bei ihm richten lassen.
Dann unter einer Autobahnbrücke der A8 hinaus aus dem Paartal, hoch nach Friedberg, noch ein letztes Mal Wald und grüne Wiesen. Schon schaut man von der Stadtmauer hinab auf die Industrielandschaft der Stadt Augsburg.
In Friedberg bestelle ich mir ein Glas Bier. Das amüsiert die Wirtin: „Ja wo kommt ea denn her?“, fragt sie. „Bei uns sagt ma doch: a Halbe.“ Ja, wir sind noch in Altbayern. Dann rolle ich den Berg hinab ins Schwäbische. Vorbei an Augsburgs Industriegeschichte erreiche ich die Altstadt. – Die vom Gewitterregen nassen Haare haben Sonne und Fahrtwind längst getrocknet.
Die Diskussion ist geschlossen.