Der Niedergang der FDP
Die in rasendem Tempo vollzogene Mutation der FDP von der atomfreundlichsten zur schneidigsten Atomausstiegs-Partei zeugt von nackter Verzweiflung im Angesicht des politischen Abgrunds.
Die in rasendem Tempo vollzogene Mutation der FDP von der atomfreundlichsten zur schneidigsten Atomausstiegs-Partei zeugt weniger von Lernfähigkeit als von nackter Verzweiflung im Angesicht des politischen Abgrunds. Die Liberalen, eben noch glühende Befürworter längerer Reaktorlaufzeiten, fordern jetzt die endgültige Abschaltung der vorübergehend vom Netz genommenen acht Atommeiler – unabhängig davon, was die Sicherheitsüberprüfung ergibt. Nein, diese Aktion ist zu sehr auf den Beifall des Publikums berechnet, als dass sich damit im Handumdrehen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen ließe.
Die atomare 180-Grad-Kehrtwende fügt sich nahtlos in das irrlichternde Bild einer Partei, die nach dem sensationellen Wahlerfolg bei der Bundestagswahl außer Tritt geraten ist und den Vertrauenskredit von Millionen verspielt hat. Die stattlichen 15 Prozent der Wähler, die sich von der FDP frischen Wind und einen in sich schlüssigen liberalen Kurs versprochen hatten, sind wie Schnee in der Sonne dahingeschmolzen. Nicht nur, weil sich Westerwelles Gerede von der „geistigen Wende“ als hohle Phrase und das Versprechen von Steuersenkungen als Luftnummer entpuppte. Sondern auch deshalb, weil die Partei von einem Fettnäpfchen ins andere tappte und inzwischen als reine Klientelpartei gilt, die programmatisch bis zur Unkenntlichkeit entkernt ist. Wobei der Niedergang der FDP einen Namen hat: Guido Westerwelle.
Er war stark als Oppositionspolitiker, gibt jedoch als führender Regierungspolitiker eine schwache Figur ab. Seine nachhaltigste Leistung als Außenminister bestand zuletzt darin, Deutschland im Streit um die Libyen-Intervention ins diplomatische Abseits zu manövrieren. Im Dezember, als Westerwelle wegen miserabler Umfragen erstmals unter schwerem internen Druck stand, kündigte der FDP-Chef einen Erfolg bei den Landtagswahlen im Frühjahr an. Nun sind die Wahlen verloren und die Grünen dabei, die FDP im liberalen Bürgertum zu pulverisieren. Und was geschieht? Die FDP-Spitze klammert sich an die Macht, obwohl ein Wiederaufstieg der Partei ohne eine personelle und inhaltliche Runderneuerung aussichtslos erscheint. Westerwelles Ansehen im Volk ist zu sehr beschädigt, als dass ein Neuanfang unter seinem Kommando gelingen könnte.
Der Machtkampf steht auf Messers Schneide, zumal die zaudernde junge Garde um den Generalsekretär Lindner den Frontalangriff nicht wagt. Gut möglich also, dass sich der sturmerprobte Vorsitzende noch einmal behauptet und andere, schwächere Figuren die Suppe allein auslöffeln müssen. Käme es so, ginge die FDP allerdings ein hohes, im Blick auf 2013 womöglich tödliches Risiko ein.
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