Adoption in Deutschland: Eine schwere Geburt
Paare, die ein Kind adoptieren wollen, warten oft vergeblich. Die Zahl der Adoptionen hat sich seit 1991 beinahe halbiert. Vielen bleibt nur die Hoffnung auf die Medizin
Augsburg Viele Paare warten jahrelang auf ein Adoptivkind – oft vergeblich. Die Zahl der Adoptionen hat sich laut Statistischem Bundesamt seit 1991 nahezu halbiert. Immer mehr kinderlose Paare wagen den Schritt erst gar nicht. Sie hoffen auf den medizinischen Fortschritt – laut Experten nur einer der Gründe, die den Rückgang der Adoptionszahlen von 7124 auf 4060 in den vergangenen 20 Jahren erklären.
Dass weniger Kinder zur Adoption freigegeben werden, erklärt Claudia Flymm, Leiterin der Adoptionsstelle des Bayerischen Landesjugendamtes, unter anderem mit der gestiegenen Akzeptanz nicht-ehelicher Geburten. „Anfang der 90er war das noch eher ein Makel – wenn auch kein so großer wie vielleicht in den 60ern“, sagt sie. Auch Schwangerschaftsabbrüche seien heute gesellschaftlich nicht mehr tabuisiert: „Abtreiben ist leichter geworden.“
Weiter nennt Flymm das verbesserte Beratungs- sowie Unterstützungsangebot für junge Mütter – zum Beispiel die Unterbringung in Mutter-Kind-Heimen – als mögliche Erklärung für den Rückgang. „Immer mehr alleinstehende Mütter können ihre Kinder am Ende doch selbst großziehen“, sagt die Leiterin der Adoptionsstelle.
Nicht nur die Zahl der Inlandsadoptionen (von 5787 auf 3126), sondern auch die aus dem Ausland (von 1355 auf 934) ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich zurückgegangen – auch wenn prominente Beispiele wie Angelina Jolie, Madonna oder in Deutschland Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, die allesamt gleich mehrere Kinder aus dem Ausland adoptiert haben, anderes vermuten lassen.
Erschwerte Bedingungen für Adoptionen aus dem Ausland
Gerade in den vergangenen vier Jahren gab es noch einmal deutlich weniger Auslandsadoptionen, wie Judith Marz, Geschäftsführerin des Augsburger Vereins „Eltern für Afrika“, aus ihrer Erfahrung weiß. 2009 hatte die Fachstelle für internationale Adoptionen mehr als 50 Kinder aus Äthiopien, Kenia und Mali nach Deutschland vermittelt, 2012 waren es nur halb so viele.
Erschwert wird die Vermittlung durch Adoptionsverbote oder -einschränkungen in mehreren Staaten, wie Marz, selbst Adoptivmutter zweier äthiopischer Kinder, berichtet. Seit dem Militärputsch in Mali vergangenes Jahr habe der Augsburger Verein von dort kein einziges Kind nach Deutschland vermittelt. „Befindet sich ein Land im politischen Umbruch, ist daran nicht zu denken“, sagt die Sozialpädagogin.
Adoptionswillige Eltern gibt es mehr als genug: Auf ein zur Adoption freigegebenes Kind kamen 2011 im Schnitt sieben Bewerber. Insgesamt lagen bundesweit 5957 Anträge vor, eine Zahl, die jedoch – wie auch die der Adoptionen selbst – stetig sinkt. 1991 hatte es noch 21826 Bewerber gegeben.
Ein Grund für diese Tendenz sei der demografische Wandel, wie Christine Lindenmayer, Sozialpädagogin aus Stuttgart, bestätigt. Die Gruppe der Frauen, die aufgrund ihres Alters bei einer Adoption überhaupt zum Zuge kommen könnten, werde immer kleiner. Gerade junge Leute scheuen sich außerdem aufgrund unsicherer Arbeitsverhältnisse, die Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, glaubt Lindenmayer. Hinzu komme, dass viele Bewerber von Berichten über lange Wartezeiten vor einer Adoption zurückschrecken. Gleichzeitig gebe es in der Reproduktionsmedizin viele Fortschritte, die den Kinderwunsch vieler Paare doch noch erfüllen können – ein weiterer Grund, weshalb die Bewerber weniger werden.
Bessere Chancen bei künstlicher Befruchtung
Das bestätigt auch Hans-Peter Eiden aus Dillingen, Geschäftsführer des Berufsverbands für Reproduktionsmedizin in Bayern. Dem Experten zufolge liegt die Erfolgsquote für eine Frau, durch eine künstliche Befruchtung schwanger zu werden, heute pro behandeltem Zyklus bei 30 Prozent. Vor zwanzig Jahren dürfte diese halb so hoch gewesen sein, schätzt Eiden. In den Beratungen für eine reproduktive Behandlung werde auch auf die Möglichkeit einer Adoption hingewiesen. „Sollte es nicht zu einem Behandlungserfolg kommen, ist eine Adoption das letzte Mittel“, sagt Eiden.
Nicht zuletzt könnte auch eine Leihmutterschaft laut Marz vom Verein „Eltern für Afrika“ eine Option für immer mehr Frauen mit Kinderwunsch sein. In Deutschland sei das Verfahren, bei dem eine fremde Frau das durch künstliche Befruchtung entstandene Kind eines Paares austrägt, zwar verboten, „aber wer einen Weg sucht, der findet vermutlich einen“.
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