Eine Frage der Fairness
„Die faire Milch“ wirbt damit, den Bauern 40 Cent pro erzeugtem Liter zu bezahlen. Für die Wettbewerbszentrale ist das irreführende Werbung. Jetzt muss ein Gericht entscheiden
Augsburg Es geht um eine Milchtüte. Darum, was darauf steht. Darum, was darin ist. Vor allem aber um die Frage, wie viel Geld die Landwirte, die „Die faire Milch“ produzieren, für ihr Erzeugnis bekommen. Seit fast einem Jahr beschäftigt dieser Streit die Gerichte – inzwischen schon in zweiter Instanz. Heute entscheidet das Oberlandesgericht (OLG) München, ob „Die faire Milch“ als Marke zulässig ist.
Für Cornelia Saake, stellvertretende Geschäftsführerin der Milchvermarktungsgesellschaft MVS, ist das Produkt eine Erfolgsgeschichte – unabhängig von dem heutigen Urteil. 120 Milchbauern, ein Viertel davon aus dem Allgäu, haben sich vor gut zwei Jahren zusammengeschlossen. Die Idee: Sie wollten ihr Produkt selbst auf den Markt bringen und darüber bestimmen, was es kosten soll. Heute beliefern rund 300 Landwirte die MVS. Auch im Handel ist das Produkt, das es bei Rewe und Tegut in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen und bei kleinen Händlern, in Bäckereien und Cafés zu kaufen gibt, ein Erfolg. Elf Millionen Kilo hat das Unternehmen im vergangenen Jahr verkauft. Das Versprechen hinter der „fairen Milch“: Der Kunde, der 89 Cent für den Liter Magermilch und 99 Cent für Vollmilch zahlt, kann sichergehen, dass davon 40 Cent an den Erzeuger gehen.
Anders sieht das die Wettbewerbszentrale mit Sitz in Bad Homburg. Der freiwillige Wirtschaftsverband beurteilt die Kennzeichnung „Die faire Milch“ als Verbrauchertäuschung und hat im vergangenen Jahr Klage eingereicht. Im April 2011 hat das Landgericht Landshut der Wettbewerbszentrale recht gegeben.
Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass die MVS zwar mit dem Slogan des Milchstreiks wirbt, zugleich aber ein zentrales Versprechen nicht einlöse – nämlich, dass alle Landwirte 40 Cent pro erzeugtem Liter Milch bekommen. In der Tat verkauft die MVS nur 25 Prozent der Milch als „faire Milch“. Dafür bekommen die Erzeuger die versprochenen 40 Cent. „Es gibt niemanden, der mehr auszahlt“, sagt Saake. Die restlichen 75 Prozent der erzeugten Milch werden jedoch als Rohmilch weiterverkauft und von anderen Molkereien zu Butter oder Käse verarbeitet. Dafür erhalten die Bauern weniger Geld. Für Conny Saake gibt es an diesem Vorgehen nichts auszusetzen: „Das haben wir aber immer klar kommuniziert.“ Zudem bekämen die Bauern auch für die restliche Menge deutlich mehr als bei anderen Molkereien. „Wir gehören zu den fünf Anbietern mit dem höchsten Auszahlungspreis in Deutschland.“
So sieht man es auch beim Bund Deutscher Milchviehhalter (BDM), einem der Gesellschafter der MVS. „Wir haben nie behauptet, dass die Bauern für jeden erzeugten Liter 40 Cent bezahlt bekommen“, sagt Sprecher Hans Foldenauer. Vielmehr sei bei jeder Packung der „fairen Milch“ garantiert, dass 40 Cent des Kaufpreises beim Landwirt ankommen.
Bei beiden Organisationen ist man überzeugt, dass das Vorgehen der Wettbewerbszentrale wirtschaftlich motiviert ist. „Man versucht uns Schwierigkeiten zu machen und uns an der Vermarktung zu hindern“, sagt Saake. Ein Effekt: Schon im vergangenen Jahr wollte der Vermarkter neben der „fairen Milch“ auch eine „faire Butter“ auf den Markt bringen. Der Handel habe jedoch abgewunken, weil derzeit die Rechtssicherheit fehle.
Damit soll es nach der Entscheidung des OLG vorbei sein. Wie das Gericht entscheidet, ist Saake zufolge völlig unklar. Sie gibt allerdings zu bedenken, dass dieses Urteil auch Auswirkungen auf andere, fair gehandelte Produkte haben könnte. „Auch eine Kaffee-Ernte fällt unterschiedlich aus. Dann können die Bauern auch nicht die gesamte Menge zum Fair-Trade-Preis verkaufen.“
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