
Prozess in Aichach: Ein Mann wirft Hirschgeweih nach seinem Nachbarn

Plus Ein 65-Jähriger steht nach einer ganzen Reihe von Attacken auf seine Nachbarschaft in Aichach vor Gericht. Warum es drei Jahre bis zum Prozess gedauert hat.

Mal spuckte er eine Nachbarin an, mal beleidigte er einen anderen Nachbarn. Einmal warf er aus einem Dachfenster ein Hirschgeweih nach einem weiteren Nachbarn und verfehlte ihn nur knapp. Ein andermal schüttete er mehrere Eimer Wasser - wieder in Richtung eines Nachbarn - und schlug dann unter Drohungen mit dem leeren Eimer nach ihm. Die Liste der Vorwürfe, wegen derer ein heute 65-Jähriger jetzt in Aichach vor Gericht stand, war lang. Wie der Prozess verlaufen ist.
Die insgesamt 16 Zeugen – die meisten von ihnen die Nachbarn des Angeklagten aus einer Gemeinde im nördlichen Teil des Landkreises – mussten allerdings nicht mehr aussagen.
Nach einem Rechtsgespräch des Verteidigers Werner Ruisinger mit Staatsanwalt Burkard Weiß und Richter Walter Hell legte der Angeklagte ein umfassendes Geständnis ab. Ruisinger gab für seinen Mandanten eine Erklärung ab. Dieser habe sich damals in einer schwierigen Phase befunden. Mit seiner Lebensgefährtin habe er eine On-Off-Beziehung geführt und in dieser Zeit viel Alkohol getrunken. „Das, was passiert ist, ist Ausfluss dessen“, sagte Ruisinger.
Prozess in Aichach: Die Anklageschrift umfasst sechs Vorfälle
Die Anklageschrift listete sechs Vorfälle aus der Zeit von März bis Juli 2017 auf. Zu den bereits erwähnten Attacken hat der Mann demnach bei einem weiteren Nachbarn Hausfriedensbruch begangen, und ihn bespuckt und beleidigt. Den anderen Nachbarn, nach dem er mit Wasser schüttete, verletzte er bei seiner Attacke leicht und bedrohte ihn („Ich schlag dich zusammen!“, „Ich mach dich kalt!“, „Ich stampf dich in ein Fass!“). Außerdem löste er einen Notarzteinsatz bei seiner damaligen Lebensgefährtin aus – wohl wissend, dass sie keine gesundheitlichen Probleme hatte. In Augsburg stahl er ein Kleinkraftrad samt Helm.
Dass der Prozess erst jetzt – gut drei Jahre nach den Vorfällen – stattfand, lag daran, dass sich der Angeklagte im November 2017 nach Afrika abgesetzt hatte. „Ich wollte von vorn anfangen“, sagte er vor Gericht. Als er gesundheitliche und finanzielle Probleme bekam, kehrte er nach Deutschland zurück und wurde verhaftet. Wegen früherer Verurteilungen – unter anderem wegen räuberischen Diebstahls, gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung – befindet sich der 65-Jährige derzeit in Haft. Ende 2021 würde er eigentlich freikommen.
Daraus wird nun wohl nichts werden. Staatsanwalt Weiß rechnete dem Angeklagten zwar sein Geständnis und seine damalige schwierige Lebenssituation an, negativ schlugen in seinen Augen aber die Vorstrafen – insgesamt elf an der Zahl – zu Buche, ebenso, dass er sich dem Strafverfahren entzogen hat. Er forderte für die sechs Anklagepunkte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten.
Der Verteidiger bittet um eine Strafe im unteren Bereich
Verteidiger Werner Ruisinger verzichtete auf einen konkreten Antrag. Er wies auf das Geständnis hin, das den Prozess verkürzte, und bat um eine Strafe im unteren Bereich des Rahmens. Dieser Rahmen – eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr und maximal einem Jahr und fünf Monaten bei einem Geständnis – war das Ergebnis des Rechtsgesprächs zu Beginn der Verhandlung.

Richter Hell verurteilte den 65-Jährigen schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten. Der Mann sei nicht massiv straffällig geworden, dafür aber häufig. Wegen der zahlreichen Vorstrafen hatte Hell Zweifel, dass die schwierige Beziehung der alleinige Grund für die Straftaten war. Dem Angeklagten hielt aber auch er sein vollständiges Geständnis zugute. Ohne dieses, gab er ihm deutlich zu verstehen, wäre die Freiheitsstrafe höher ausgefallen.
Bis er seine Strafe verbüßt hat, habe er nun noch Zeit, sich auf sein Leben danach vorzubereiten, sagte der Richter abschließend. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
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