Das Gelände flößt schon Ehrfurcht ein. Der Platz rund um die Amann Group im Augsburger Stadtteil Göggingen ist auch ein Platz der Geschichte. Er erinnert an Zeiten, als Augsburg einst eine große Textilstadt war, an die Nähfaden-Fabrik und das damalige Unternehmen Ackermann, die dieses Gelände einst beherbergte. Der Ort diente auch als Kulisse für die Dreharbeiten zur Fernsehserie Samt und Seide, in der es um die Existenz der fiktiven Textilfirma Althofer ging. Jetzt steht das Aman-Gelände mit rund 25000 Quadratmetern zum Verkauf. Nach dem Motto „Alles muss raus“ findet aufgrund der Standortschließung derzeit eine Online-Auktion statt, bei der man wie am Wühltisch vieles ersteigern kann. Am Mittwoch wird sich zeigen, wer Teile der Firma aufkaufen kann.
Spulenwagen, Transportboxen, Metallschränke, Auffangwannen, Werkbänke oder Regale sind ebenso im Angebot wie Fäden oder Garne. Bevor sie boten, konnten Interessenten die Ware jüngst auf dem Gelände besichtigen, es kamen potenzielle Kunden aus dem gewerblichen, wie auch dem privaten Bereich. „Wir haben hier einen hohen Anteil an gewerblichen Kunden. Ich würde sagen, 70 Prozent. Der Rest ist privat“, erzählt Rainer Bock. Der 46-jährige Allgäuer aus Babenhausen leitet das Projekt in Zusammenarbeit mit dem Dienstleister „Restlos“, der seinen Sitz in Nürnberg hat. 2025 hat Restlos den deutschen Nachhaltigkeitspreis verliehen bekommen. „Verwerten statt Entsorgen, dafür stehen wir auch“, so Bock, der mit Restlos auch schon Augsburger Auktionen im „König von Flandern“ oder im Schlachthofquartier leitete.
Vom Abfalleimer bis zu Nähutensilien: Ausverkauf bei Aman in Göggingen
Matthias Abt kommt mit zwei Bekannten zur Besichtigung. Abt arbeitet für das Institut für Textiltechnik. Wonach er Ausschau hält, weiß er: „Spulengatter, Wollwagen und Basics, die man einfach im Textilwesen braucht.“ Von Rainer Bock bekommt er schließlich einen Plan des Geländes, in dem auch aufgelistet ist, wo was steht. Die Hallen auf dem Gelände sind kalt und riesig. Jede einzelne würde sich auch als Halle für ein Rockkonzert eignen. Vom Abfalleimer bis zur Schreibtischgarnitur über Bürostühle, Kartonagen oder Stick und Nähutensilien: Alles ein großer Flohmarkt für ein bestimmtes Klientel. „200 Tonnen stehen hier allein an Kleinartikeln herum“, so Bock.

Rita Bruckdorfer kommt mit ihrer Kollegin. Beide sind Näherinnen. „Wir halten Ausschau nach Stickgarnen und suchen vor allem eine Stickmaschine mit einer großen Stickfläche.“ Mit einem Lageplan machen sich die beiden auf den Weg. Florian Hofmann verrät, dass er Hobbyhandwerker ist, aber für seine Frau muss er auch Ausschau nach einem Tisch halten. Ihn zieht es in die Halle, in der es eine Auswahl an Metallschränken gibt, aber auch für Kraftpapier interessiert er sich. Kraftpapier? „Ja da macht man Papiertüten und auch Schleifpapier“, klärt Hofmann auf. Später trifft man ihn bei den Metallschränken. Die werden samt Inhalt versteigert. Hofmann ist enttäuscht, denn im Innern des Schrankes findet er nirgends ein Sortiment mit Kugellager. Ob er am Mittwoch bei der Onlineversteigerung mitbietet, steht noch in den Sternen, aber die Tendenz dazu ist bei ihm da. Was er für einen Metallschrank zahlen würde, bleibt im Vagen: „Genau kann man das nicht sagen. Ein paar hundert Euro.“

In den Hallen stehen auch etliche monströse Maschinen herum. „Da sind schon einige nach Polen oder nach Indien verkauft“, weiß Projektleiter Bock. In der Färberei im ersten Stock stehen dann edler Teile: Silberfarbene Färbemaschinen, soweit das Auge reicht. Diese Maschinen an andere Besitzer zu vermitteln, sei schwierig. „Der Textilmarkt ist sehr überschaubar, daher stellt sich schon die Frage: Wiederverwendung – ja oder nein? Unser Ziel ist es, so viele Maschinen wie möglich an neue Besitzer zu vermitteln. In Einzelfällen kann das zwar herausfordernd sein, doch wir setzen alles daran, nachhaltige Lösungen zu finden“, betont Bock. Insgesamt 18 Personen sind beim Besichtigungstermin anwesend. Bei der Versteigerung werden jedoch mehr Menschen vor ihrer Tastatur sitzen. Auf der Homepage des Dienstleisters Restlos sind bereits alle Artikel aufgeführt, die ersten Gebote stehen auch schon dabei. „Alle Artikel beginnen bei der Versteigerung mit einem Euro“, sagt Bock. Aber am Ende muss der Ersteigerer wohl tiefer in die Tasche greifen. Schließlich darf man auch nicht ganz so billig Augsburger Geschichte verramschen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden