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Augsburg
30.10.2017

Von Sport bis Picknick: Friedhöfe sind mehr als ein Ort der Trauer

Als die Tochter von Ingrid Martin noch klein war, schob sie das schlafende Baby oft im Kinderwagen über den Friedhof. Die Ruhe und die Ordnung mag Ingrid Martin noch heute.
Foto: Silvio Wyszengrad

Ein Friedhof ist mehr als ein Ort des Todes. Die Menschen kommen dort auch hin, um nachzudenken, sich in der Natur zu entspannen – und manchmal sogar, um zu joggen. Darf man das?

Nur das Knirschen der Kieselsteinchen ist unter den Füßen zu hören. Sterbende Blätter taumeln lautlos zu Boden. Ein paar Kerzen flackern stumm im sanften Herbstwind. Der Lärm der Stadt, das Hupen und Dröhnen der Autos, der Stress, die Hektik bleiben draußen. Dieser Ruhe wegen kommt Lotte Engl so oft hierher, auf den Friedhof an der Augsburger Hermanstraße. Jeden Tag. Bei Regen oder Sturm. Bei Hitze oder Schnee.

Ihr Lieblingsplatz ist ein Holzbänkchen, gleich neben den Apfelbäumen bei den Urnengräbern. Da sitzt sie auch an diesem Morgen. „Ich genieße die Ruhe, das Rauschen der Blätter. Ich genieße es, der Seele freien Lauf zu lassen“, sagt die 85-Jährige und lächelt. Die zarte Herbstsonne, die sich durch den Nebel kämpft, lässt ihr weißes Haar leuchten, Lichtreflexe tanzen auf ihrer roten Brille. Stundenlang, erzählt sie, sitze sie oft hier auf ihrem Bänkchen. Manchmal lese sie. Und manchmal döse sie ein wenig ein.

Eine Stunde braucht Lotte Engl, bis sie von zu Hause mit dem Rollator hierher gelaufen ist. Quer durch die Stadt. Diese Mühe nimmt sie gerne auf sich. „Das ist wie mein zweites Zuhause. Wenn ich nicht hier bin, dann ist der Tag nicht ausgefüllt. Dann fehlt mir etwas“, sagt sie. Für sie ist der Hermanfriedhof, wo ihre Schwester begraben ist, der schönste in der ganzen Stadt. Hin und wieder plaudert sie mit anderen Friedhofsbesuchern – aber eigentlich sei sie lieber alleine, erzählt sie.

Nachdenken, loslassen, die Ruhe genießen

So wie Lotte Engl geht es vielen Menschen. Natürlich kommen sie, um der Toten zu gedenken. Gerade jetzt zu Allerheiligen. Da wird Laub gerecht, Gestecke werden auf die feuchte Erde gelegt, Kerzen aufgestellt. Die Menschen kommen aber auch auf die Friedhöfe, um ein bisschen Zeit für sich zu haben. Nachzudenken, loszulassen, die Ruhe zu genießen. Sie erleben Friedhöfe als Naturrefugien, wo Eichhörnchen an Bäumen hochklettern, wo Blumen blühen, Vögel durch die Baumkronen hüpfen und es nach Laub und Gras riecht. Der Ort der Toten ist eben auch ein Platz für die Lebenden. Ein Mikrokosmos, wo Gegenwart und Vergangenheit verschmelzen. Und Friedhöfe sind noch viel mehr. Sie sind auch Orte der Begegnung, Plätze, an denen man mit anderen ins Gespräch kommt, sich austauscht. Manchmal finden Menschen, die jemanden verloren haben, auf dem Friedhof sogar eine neue Liebe. Ein neues Leben.

Der Wind frischt ein wenig auf, wirbelt das bunte Laub durcheinander, das in Häufchen vor den Gräbern liegt. Der Nebel hat sich inzwischen aufgelöst, das weiche Licht funkelt auf den schwarzen Marmorgrabsteinen. Auf einem Kieselweg inmitten des Augsburger Hermanfriedhofs steht Rainer Brenner, ein großer Mann mit randloser Brille, dunkelrotem Hemd und anthrazitfarbenem Anzug. Er ist Geschäftsführer der katholischen Gesamtkirchengemeinde Augsburg, zu der auch das Friedhofsamt gehört.

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Dass Friedhöfe weit mehr als Orte der Trauer sind, erlebt auch er. Wenn Brenner über den Hermanfriedhof läuft, sieht er dabei oft Menschen, die nicht an einem Grab stehen, sondern einfach spazieren gehen oder auf einer Bank sitzen und dort ihre Mittagspause verbringen. „Die machen dann hier Brotzeit“, sagt Brenner. Und manchmal wird der Friedhof sogar zum Konferenzraum. Als er einmal über die Anlage ging, fielen ihm Leute mit Klemmbrettern in den Händen auf. Brenner sprach sie an. Es waren Mitarbeiter einer nahe gelegenen Bankfiliale, die ihre Besprechung kurzerhand nach draußen auf den Friedhof verlegt hatten. Brenner stört so etwas nicht. „Der Friedhof ist für uns ein Ort des Lebens.“

Picknickdecken neben Gräbern

Weil viele Menschen so empfinden und den Friedhof auch als Naturraum begreifen, ändern sich die Anlagen. „Es ist auffällig, dass es auf immer mehr Friedhöfen Sportgeräte oder Spielplätze gibt“, sagt der Soziologe Thorsten Benkel. Und das ist noch nicht alles. Manchmal treffen sich die Menschen sogar zum Grillen oder zum Angeln. Andere breiten neben den Gräbern ihre Picknickdecken aus. Und viele Menschen nutzen die grünen, parkähnlichen Anlagen, um dort zu joggen.

Seit Jahren beschäftigen sich Benkel und sein Kollege Matthias Meitzler in ihrem Projekt „Friedhofssoziologie“ mit allen Facetten des Sterbens, des Todes und der Trauer. Für die Wissenschaftler der Universität Passau sind die letzten Ruhestätten ein wahres Kulturarchiv. „Friedhöfe sind für uns soziale Orte, die etwas über die Gesellschaft verraten. Sie sind mehr als reine Knochenlager“, sagt Meitzler. Unter anderem haben die Wissenschaftler beobachtet, dass Friedhöfe heute nicht mehr so stark sakral und vom christlichen Glauben geprägt sind wie früher. Deswegen seien die Friedhöfe heute auch ein Stück weit eine Art Freizeitraum für die Menschen und nicht unbedingt nur ein Ort des Trauerns.

Lotte Engl kommt jeden Tag auf den Augsburger Hermanfriedhof. „Wenn ich nicht hier bin, dann ist der Tag nicht ausgefüllt“, sagt sie.
Foto: Silvio Wyszengrad

Aber geht das denn? Grillen neben dem Grabstein? Liegestütze bei der Aussegnungshalle? Ist das nicht pietätlos? Friedhofsforscher Benkel sieht das so: „Pietät und Würde sind keine absoluten Größen, sondern gesellschaftliche Konstrukte, die einem sozialen Wandel unterliegen. Es gibt viele verschiedene Auffassungen.“ Was genau erlaubt ist, das muss jeder Träger eines Friedhofes selbst entscheiden. Auf dem Augsburger Hermanfriedhof jedenfalls sind Joggen, Picknicken oder laute Musik verboten.

Kinderlachen neben Grabsteinen

Ob ein Spielplatz auf einem Friedhof angemessen ist, darüber wurde vor einigen Jahren in Karlsruhe heftig diskutiert. Dort gibt es direkt neben den Gräbern eine Schaukel, eine Rutsche, Wipptiere und einen Sandkasten. Viele Kritiker meldeten sich zu Wort. Kinder, die dort tobten, wurden sogar von einer Friedhofsgängerin wüst beschimpft. Kinderlachen neben Grabsteinen – das passt nicht zusammen, fand sie. Dabei steckt hinter dem Projekt nicht etwa der Gedanke, einen Friedhof in einen Freizeitpark umzuwandeln. Vielmehr sollen Kinder, die Mama, Papa oder ein Geschwisterchen verloren haben, dort die Möglichkeit bekommen, sich mit ihrer Trauer auseinanderzusetzen. Denn der Spielplatz ist zweigeteilt – in eine heile Welt und eine, in der kaputte Spielgeräte die Vergänglichkeit symbolisieren.

Vom hellblauen Himmel scheint die Mittagssonne. Immer mehr Menschen sind auf dem Augsburger Hermanfriedhof unterwegs. Ingrid Martin schiebt ihr grünes Fahrrad über den Kiesweg. Es raschelt, als die Reifen durch die goldenen Blätter rollen. Die 80-Jährige ist hier, um ihrem Mann, der vor zwei Jahren starb, nahe zu sein. Aber auch wegen der Ruhe. „Ich war schon immer gerne auf Friedhöfen“, sagt sie. Damals, als ihre Tochter klein war, schob sie das schlafende Baby im Kinderwagen oft über den Friedhof in Kempten, in dessen Nachbarschaft die Familie wohnte. „Ich mag diese Ruhe, diese Ordnung, die Blumen. Friedhöfe haben mich eigentlich nie traurig gemacht“, sagt sie.

Und sie mag die Geschichten, die der Friedhof erzählt. Vor einem kleinen Grab bleibt Ingrid Martin stehen. Dann deutet sie auf zwei Figürchen zwischen der Grabbepflanzung. Es sind zwei kleine Eichhörnchen. Ingrid Martin weiß, was es damit auf sich hat. „Die beiden Söhne der Verstorbenen haben früher auf dem Friedhof immer die Eichhörnchen gefüttert“, erzählt sie. Die Frau, die dort begraben ist, kannte sie vom Frauenbund.

Dann dreht sie sich um, schiebt ihr Fahrrad weiter, zu den Urnengräbern mit den Apfelbäumen, wo ihr Mann beerdigt ist. Dort sitzt Lotte Engl auf ihrer Bank. Die Sonne scheint ihr ins Gesicht, sie lockert ihren karierten Schal ein bisschen, zieht den Reißverschluss ihrer schwarzen Jacke ein Stück weit nach unten. Ihre Wangen sind von der kühlen Luft rosig. Die Frauen kennen sich. Der Friedhof ist eben auch ein Ort der Begegnung. Die beiden grüßen sich kurz, dann verabschiedet sich Ingrid Martin und geht zum Ausgang.

Auch Lotte Engl steht auf, stützt sich auf ihren Rollator, an dem eine grüne Einkaufstasche baumelt. Auf dem Heimweg will sie noch einkaufen. Und damit sie im Großstadtverkehr auch sicher über die Straße kommt, hat sie eine Fahrradklingel an ihrem Rollator befestigt. Bald werden der Lärm der Stadt, das Gehupe der Autos, der Stress, die Hektik wieder da sein.

Für den Moment aber ist es noch ruhig. Ein paar Blätter schweben lautlos zu Boden. Und zu hören ist nur das Knirschen der Kieselsteinchen unter den Füßen.

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