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Drängeln im Straßenverkehr: Experten geben Tipps, wie Sie ruhig bleiben

Straßenverkehr

Auf der Autobahn wird immer häufiger gedrängelt – und die Zahl der Unfälle steigt

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    Vorsicht, Drängler: Seit 2020 hat die Zahl der Unfälle in Bayern wegen zu geringem Sicherheitsabstand massiv zugenommen.
    Vorsicht, Drängler: Seit 2020 hat die Zahl der Unfälle in Bayern wegen zu geringem Sicherheitsabstand massiv zugenommen. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Mitte März, ein Abschnitt auf der viel befahrenen A8. Ein Autofahrer hält bei Tempo 210 gerade einmal sechs Meter Abstand zum Wagen davor und blinkt wild mit der Lichthupe. Sein Pech: Vor ihm fährt eine Zivilstreife der Polizei, die den aggressiven Mann sofort aus dem Verkehr zieht.

    Es ist nur ein Fall von vielen. Fachleute stellen fest, dass die Stimmung im Straßenverkehr zunehmend aggressiver wird. Immer mehr Autofahrer rasen vor Wut, bremsen, um andere zu ärgern, oder drängeln, besagt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts O.trend im Auftrag der Unfallforschung der Versicherer aus dem Jahr 2023. Seitdem hat sich gefühlt nichts zum Positiven verändert.

    Jeder Zweite räumt ein, sich sofort abreagieren zu müssen, wenn er oder sie sich im Auto ärgert

    53 Prozent der Befragten gaben bei der Umfrage an, dass sie schneller fahren als sonst, wenn sie sich ärgern. Bei den vorhergegangenen Erhebungen in den Jahren 2016 und 2019 hatten der Aussage noch jeweils 47 Prozent der Befragten zugestimmt. Jeder Zweite räumte sogar ein, sich sofort abreagieren zu müssen, wenn er oder sie sich im Auto ärgert. Dabei sind sich die meisten einig, dass dies die falsche Verhaltensweise ist: 90 Prozent sehen die zunehmende Aggressivität im Straßenverkehr nämlich als grundsätzliches Problem.

    Im bayerischen Innenministerium liegen zum Drängler-Phänomen und der Aggressivität auf der Straße keine Daten vor. Belegt ist jedoch, dass seit 2020 die Zahl der Unfälle wegen zu geringem Sicherheitsabstand massiv zugenommen hat. Waren es vor fünf Jahren noch 75.284, sind es inzwischen 109.844, sagt eine Sprecherin.

    Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer, warnt vor solchem Verhalten. Das Auto sei kein angemessener Ort, um Aggressionen loszuwerden, sagt er. Ulrich Chiellino wiederum, Verkehrspsychologe beim ADAC in München, hat beobachtet, dass trotzdem viele Autofahrer Risiken zum eigenen Vorteil in Kauf nehmen würden – und zwar „ohne Rücksicht auf Verluste“. Die Aggression ist übrigens, wie auch die Gewaltkriminalität, ein überwiegend männliches Phänomen. Und die Wut im Land nimmt zu. Jeder zweite Mann wird inzwischen aggressiv, wenn er sich behindert fühlt – aber nur jede dritte Frau, hat sich bei einer Umfrage des Online-Portals Autoscout herausgestellt. 

    750 Euro sind fällig, wenn man einem Drängler den Vogel zeigt und dabei erwischt wird

    Den von Dränglern unter Druck gesetzten Verkehrsteilnehmern raten die Experten, sich in einem solchen Fall nicht aufzuregen. Es nütze nichts. „Stattdessen hilft Gelassenheit“, sagt Chiellino. „Man sollte sich nicht dazu hinreißen lassen, etwa hinter einem Drängler herzufahren, ihn möglicherweise selbst zu überholen und ihm dann einen Vogel zu zeigen.“ Mit solch einer beleidigenden Geste riskiert man nämlich ein Bußgeld. 750 Euro sind es, wenn man anderen den Vogel zeigt und dabei erwischt wird. Beim „Stinkefinger“ können es sogar 4000 Euro sein. Diese Zahlen sind von Gerichtsurteilen abgeleitet und können deswegen durchaus variieren. Die Experten raten stattdessen: „Durchschnaufen, weiterfahren lassen und wegatmen.“

    Für alle, die sich nun fragen, wie weit man vom vorausfahrenden Fahrzeug mindestens entfernt sein muss, gilt nach Mitteilung des ADAC die Faustregel: Außerhalb geschlossener Ortschaften sollte man den „halben Tacho“ einhalten. Zum Beispiel: Ist man mit Tempo 100 unterwegs, sollte der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug mindestens 50 Meter betragen. Die Entfernung kann man anhand der Leitpfosten am Straßenrand abschätzen, die in der Regel 50 Meter voneinander entfernt sind.

    Und am Ende muss natürlich auch die Frage geklärt werden, ob und wann Drängeln strafbar ist. Fakt ist: Wer anderen zu nahekommt und den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht einhält, verstößt gegen die Straßenverkehrsordnung. Drängler müssen demzufolge mit einer Strafe von bis zu 400 Euro, zwei Punkten in Flensburg und einem Fahrverbot von bis zu drei Monaten rechnen. Solche Fälle müssen allerdings individuell beurteilt werden, sagt man beim ADAC, da der Übergang zu einer Straftat beziehungsweise zur Nötigung oft schwammig sei. So darf zum Beispiel laut Straßenverkehrsordnung die Lichthupe mit einem kurzen Aufblenden verwendet werden, um ein Überholvorhaben anzuzeigen. Nötigung wird es bei mehrmaligem Aufleuchten in Kombination mit einem zu kurzen Sicherheitsabstand.

    Info: Weitere Tipps im Umgang mit Dränglern findet man unter www.bussgeldkatalog.org

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    12 Kommentare
    Johann Storr

    Kein deutscher Autofahrer fährt zu schnell oder zu dicht auf. Schuld ist immer der vorausfahrende Autofahrer (oder -in) der zu langsam oder zu nahe vorne fährt. Die müsste die Polizei aus dem Verkehr ziehen!!!

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    Harry Vogt

    Herr Storr, Respekt - Ihr Kommentar ist echt gut (vor allem die Eingangsbehauptung - ich hab einmal kurz und heftig aufgelacht). Oder ist er gar ironisch gemeint und ich habe es einfach nicht bemerkt...?

    Franz Xanter

    Eine andere Frage in diesem Zusammenhang wäre, warum die Deutschen sich eigentlich immer so gegen eine Aufhebung des Rechtsfahrgebotes sträuben? Blickt man in andere Länder, so funktioniert dies doch hervorragend. Wenn ich mir allerdings das Verkehrsverhalten im Kreisverkehr in Deutschland ansehe, dann habe ich allerdings auch meine Zweifel, ob man überhaupt fähig wäre, regelgerecht zu fahren.

    Maja Steiner

    Stimme beiden Kommentaren zu. Bin zwar für ein Tempolimit, das die sehr hohen Geschwindigkeiten verhindern und für einen gleichmäßigeren Verkehrsfluss sorgen würde, aber unabhängig davon bleibt der Verdruss über die anderen Verkehrssünder. Denn ja, wer auf völlig freier Autobahn am Sonntag mit 120 km/h auf der Mittelspur daher zockelt, der ist auch ein Nötiger. Denn ich muss von der (freien) rechten Spur über die mittlere auf die linke wechseln, um ihn korrekt überholen zu können. Dafür einen gedachten Stinkefinger, denn bezahlen will und werde ich den nicht für solche rücksichtslosen Verkehrsteilnehmer. Ein bisschen anders sehe ich es bei dichtem LKW-Verkehr. Das ist nicht so besonders angenehm, sich da in eine Lücke quetschen zu sollen, um dann nicht mehr rauszukommen.

    Martin Müller

    Das ist ja alles in Ordnung. Aber mich würde einmal die andere Seite interessieren. Viele Drängeleien finden Ihre Ursache darin, dass Überholvorgänge nicht ordentlich angegangen werden. Allein den Blinker links zu setzen berechtigt gerade nicht auf die linke Spur zu wechseln. "Überholen darf ferner nur, wer mit wesentlich höherer Geschwindigkeit als der zu Überholende fährt.", § 5 StVO. Und nein, einen LKW 5 Minuten lang bei eingelegtem Tempomat mit 3 km/h Unterschied zu überholen, zählt nicht dazu. Dazu Dauer-Linksfahrer, obwohl die rechte Spur tatsächlich kilometerlang frei ist. Ich habe noch nie davon gelesen, dass diese Problemfahrer von der Polizei adressiert werden. Zeit wär es, dann läuft es für alle besser.

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    Moritz Wuttke

    Du vermischt hier zwei Fehlverhalten miteinander. Aber keines berechtigt das andere. Nur weil jemand sich falsch verhält, bemächtigt das jemand anderen nicht dazu, dass er sich auch falsch verhält.

    Martin Müller

    Der springende Punkt ist: Von dem einen Fehlverhalten wird berichtet, weil es so schön plakativ ist, und es wird regelmäßig von der Polizei geahndet. Das andere ist mindestens genauso gefährlich, nur fällt es unter den Tisch und wird in aller Regel nicht weiter verfolgt. Natürlich berechtigt das eine nicht zum anderen, aber das sage ich auch nicht.

    Moritz Wuttke

    "Viele Drängeleien finden Ihre Ursache darin, dass Überholvorgänge nicht ordentlich angegangen werden. " doch, tust du. Und ich weiß ja nicht welche Medien du sonst so konsumierst, aber ich habe nach etwa 10 Sekunden "googeln" dutzende Artikel zu deinem genannten Thema gefunden, mit Stastiken, empirka usw usw.

    Martin Müller

    Dann habe ich mich vielleicht nicht präzise genug ausgedrückt. Nachdem Sie so prima googeln können, haben Sie die Intention hinter meinem Kommentar sicher auch so verstanden.

    Franz Xanter

    Drängeln ist sicherlich ein Verstoß, welcher entsprechend hart geahndet werden muss. Aber leider muss ich feststellen, dass, ob dies ein Auslöser dafür ist, kann ich nicht beurteilen, dass viel zu viel auf unseren Autobahnen falsch und behindernd gefahren wird. Wiederum konnte ich über Monate auf verschiedenen Autobahnen selbst erkennen, dass dieses typische permanente und unnötige Mittelspurfahren oder noch schlimmer, das permanente und unnötige Linksspurfahren, scheinbar für viele zur Gewohnheit geworden ist. Vom Rechtsfahrgebot, vom Wiedereinscheren nach einem Überholvorgang scheinen die wenigsten Kenntnis zu haben. Auch hat sich scheinbar bei vielen eingebürgert, dass die rechte Fahrspur nach deren Ansicht scheinbar nur und ausschließlich für Lkw vorhanden wäre. Subjektiv kann ich mir vorstellen, dass dies auch Gründe für ein Drängeln darstellen könnten; verständlich aber natürlich zu bestrafen. Auch für die gegen das Rechtsfahrgebot Verstoßenden.

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    Moritz Wuttke

    Seit wann genehmigt denn, in jeglichem Bereich des Rechtsstaats, ein Fehlverhalten ein anderes?

    Maja Steiner

    Wer sagt denn, dass es "genehmigt" ist. Es kommt halt vor und dass die Verursacher für manche Drängelei nicht benannt und nicht verfolgt werden, ist eben aufreizend.

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