Die CSU verbindet große Hoffnungen mit der neuen Bundesregierung. Doch wie belastet ist der Start von Friedrich Merz als Bundeskanzler durch das Scheitern im ersten Wahlgang?
KLAUS HOLETSCHEK: Ich würde das jetzt nicht überbewerten. Das war nicht schön und auch für Friedrich Merz kein perfekter Start. Es könnte vielleicht aber auch der richtige Warnschuss gleich am Anfang gewesen sein. Wir müssen als Union und SPD jetzt gemeinsam liefern – es geht um Deutschland, Spielereien oder Denkzettel können wir uns nicht leisten. Die Bürgerinnen und Bürger würden das zu Recht nicht akzeptieren. Die ersten Tage der neuen Bundesregierung zeigen: Die Migrationswende ist schon eingeleitet, mit weniger Beauftragten ist ein erster Schritt Richtung weniger Bürokratie gemacht. So muss es weitergehen.
Die neue Regierung kann nun in Berlin ihre Arbeit aufnehmen. Was erwarten Sie sich von ihr für Bayern?
HOLETSCHEK: Ich bin sehr optimistisch – weil Markus Söder für die CSU sehr gut verhandelt hat. Wir haben mit Inneres, Forschung und Landwirtschaft drei wichtige CSU-Ministerien, die Möglichkeiten bieten, wichtige Themen zu verstärken – auch hier in Bayern. Ich denke etwa an die Transformation der Autoindustrie durch Forschung und Innovation und an den ländlichen Raum. Bayern wird von dieser neuen Regierung besonders stark profitieren. Es gibt jetzt auch ganz neue Möglichkeiten, die Infrastruktur voranzutreiben.
Gibt es konkrete Projekte, die jetzt in Bayern schnell realisiert werden könnten?
HOLETSCHEK: Besonders bei der Schieneninfrastruktur gibt es viele Projekte, die uns ganz konkret betreffen – etwa der Ausbau der Strecke Augsburg-Ulm oder die Elektrifizierung im Allgäu. Da werde ich auch ganz persönlich dranbleiben. Besonders am Herzen liegt mir, dass wir mit Unterstützung aus Berlin soziale Themen voranbringen. Die Lösung sozialer Probleme entscheidet maßgeblich, wie es weitergeht mit der politischen Radikalisierung in unserem Land. Deswegen ist und bleibt für mich und die CSU im Landtag Sozialpolitik ein zentrales Zukunftsthema. Bayern muss unter anderem das Zentrum für Gesundheitsvorsorge und Prävention in Deutschland werden.

Zuletzt gab es rund um die Bundestagswahl viel Stillstand in der Landespolitik. Was sind Ihre landespolitischen Pläne in den nächsten Monaten?
HOLETSCHEK: Wir haben als CSU-Fraktion zwei große Leitthemen. Erstens: Zukunft für junge Menschen. Wir wollen die Jugend im Dialog mitnehmen bei der Frage: Wie sieht unsere und vor allem eure Zukunft aus? Welche Chancen können wir jungen Menschen bieten? Wo müssen wir noch stärker aktiv werden? Ein zweites Leitthema ist „Freiheit“: Wir wollen den Menschen mit unserer Politik mehr Freiheit geben, weniger Einschränkungen, mehr Eigenverantwortung. Vertrauen statt Kontrolle und ausufernde Bürokratie.
Das sind jetzt eher langfristige Ziele. Was steht an konkreten Maßnahmen auf der Tagesordnung?
HOLETSCHEK: Das neue Ladenschlussgesetz soll in Kürze beschlossen werden, wir werden auch den Wassercent weiter voranbringen. Ein neues Jagdgesetz ist in Vorbereitung. Die Enquete-Kommission zur Entbürokratisierung hat bereits mehrere Handlungsempfehlungen vorgelegt, weitere werden folgen. Eine Reihe von Modernisierungsgesetzen sorgt bereits jetzt für deutlich weniger Papierkram in Bayern. Zum Beispiel braucht es für viele kleinere Vorhaben und Umbauten gar keine Baugenehmigung mehr. Und wir müssen beim Thema Wohnen nochmal konzentriert draufschauen. Wir werden noch vor der Sommerpause eine Haushaltsklausur machen, um angesichts vermutlich sinkender Einnahmen zu klären: Wo gehen wir finanziell hin? Ich werbe dafür, dass man nach diesem Kassensturz klar sagt: Was kann und muss der Staat weiter leisten? Und wo ist der Bereich der Eigenverantwortung der Bürger? Denn auch Ehrlichkeit ist wichtig für Vertrauen.
Sie haben das Thema Wohnen angesprochen. Viele Menschen in Bayern leiden unter hohen Wohnkosten – egal ob Miete oder Eigenheim. Muss der Freistaat hier nicht mehr tun?
HOLETSCHEK: Fakt ist, dass die staatlichen Fördermittel im Wohnungsbau in Anspruch genommen werden. 2,2 Milliarden Euro haben wir in den vergangenen zwei Jahren in Bayern für den Wohnungsbau ausgegeben – für ein einziges Bundesland eine gewaltige Summe. Wir wollen den Wohnungsbau insgesamt weiter forcieren und wir wollen gerade auch die kommunale Wohnungsbauförderung stärken. Dies muss weiter ausreichend finanziert werden. Denn für Bayerns Zukunftsfähigkeit ist bezahlbares Wohnen essenziell.

In Würzburg und Augsburg kostet der geplante Ausbau der Unikliniken Milliardensummen. Wird dafür auch in Zukunft genug Geld zur Verfügung stehen?
HOLETSCHEK: Versprochene Projekte werden wir erfüllen. Das hat auch etwas mit Vertrauen zu tun. Wir müssen aber auch fragen: Was kann man finanziell leisten? Wo liegen die Prioritäten? Was ist absolut notwendig? Und wir müssen auch über neue Finanzierungsinstrumente nachdenken.
Das heißt: Es könnte mit den Unikliniken länger dauern als bisher versprochen?
HOLETSCHEK: Das will ich so nicht sagen. Wir haben ohne Frage keine einfache finanzielle Situation. Aber wir haben in Berlin eine neue Chance mit einer neuen Regierung, die mehr Verständnis hat für die Bedürfnisse des Freistaats Bayern. Daraus leite ich die Erwartung ab, dass wir zusätzliche Ressourcen bekommen, die wir hier in Bayern effektiv einsetzen können. Die Unikliniken haben auch eine wichtige Funktion bei der Versorgung der Menschen.
Bayerns exportorientierte Wirtschaft steht unter Druck. In der Industrie stehen tausende Arbeitsplätze im Feuer. Was tut der Freistaat, um hier gegenzusteuern?
HOLETSCHEK: Wir unterstützen gezielt besonders betroffene Regionen wie Schweinfurt – etwa mit einem hunderte Millionen starken Transformationsfonds. Das große Thema bleibt zudem der Bürokratieabbau. Bayern ist nach wie vor ein sehr attraktiver Standort, den wir weiter stärken werden. Viele Investoren schätzen, dass Bayern durch die Vernetzung mit Spitzenforschung und Innovation große Chancen bietet. Das wollen wir ausbauen, beispielsweise durch eine Cluster-Offensive zum Austausch zwischen Forschung und Unternehmen. Bayerns Stärke war immer die Transformation: Erst von der Landwirtschaft in die Industrialisierung. Dann unter Edmund Stoiber weiter zum Hightech-Land. Und jetzt unter Markus Söder in die nächste Stufe: Luft- und Raumfahrt, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz. Bayern hat immer stark gemacht, diese Transformation selbst in die Hand zu nehmen, ein Stück weit schneller zu sein als andere. Auch hier baue ich auf starke Impulse im Schulterschluss mit der neuen Bundesregierung. Das gehört für mich auch zur Bayern-Identität dazu: Heimat und Innovation.
Markus Söder hat kürzlich angekündigt, 2028 ein drittes Mal als Ministerpräsident antreten zu wollen. Hat er dafür bereits den Segen der CSU-Landtagsfraktion?
HOLETSCHEK: Ich finde diese Ankündigung gut. Klarheit ist immer wichtig. Wir haben einen sehr starken Ministerpräsidenten. Und ich denke, dass Markus Söder und die CSU jetzt auch in Berlin ein noch wichtigerer, entscheidender politischer Faktor sind. In Bayern ist er für uns als CSU ein starker Anführer mit Ideen, mit Innovation, aber auch mit Kontinuität. Wir werden als CSU-Fraktion gemeinsam mit Markus Söder weiter daran arbeiten, den Bayernplan fortzuführen und weiterzuentwickeln und unsere Bayern-DNA zu stärken. Denn unser Fokus hier im Landtag ist und bleibt ganz klar Bayern.
Zur Person
Klaus Holetschek (CSU) ist seit Oktober 2023 Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag. Zuvor war der gelernte Jurist in der Bayerischen Staatsregierung unter Markus Söder Gesundheitsminister sowie Staatssekretär zunächst für Bauen und Wohnen, dann für Gesundheit. In der Kommunalpolitik war Holetschek unter anderem von 2002 bis 2013 Bürgermeister der Stadt Bad Wörishofen. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder.
Ich frage mich, warum man sich den zwei "großen Leitthemen" Jugend und Freiheit erst jetzt widmen kann? Wie lange regiert die CSU schon in Bayern? Und jetzt kommt man drauf, dass man die Jugend mal fragen sollte, was sie will? Und mit dem Bürokratieabbau hätte man auch nicht auf die neue Bundesregierung warten müssen – da könnte man auch vor der eigenen Haustüre anfangen zu kehren. Dieses Interview ist also mal wieder großer Bahnhof für das übliche Blabla.
Welche neuen Finanzierungsinstrumente schweben Holetschek bei den Unikliniken vor? Soll noch mehr privates Kapital in den Gesundheitsbereich fließen? (Damit verbunden wären wohl auch noch mehr Patientenbehandlungen unter Renditegesichtspunkten.) Mir ist Holetschek nicht unsympathisch; auch bin ich für marktwirtschaftliche Lösungen, wenn sie zu besseren Ergebnissen führen. Hier würde ich jedoch einen Kostenvergleich mit Österreich empfehlen (Lt. Mainpost am 25.04.25: Beitragssatz Krankenversicherung dort 7,65 Prozent, bei uns 17,5 Prozent). Auch sollte man über einen Bürokratieabbau bei den Beamten nachdenken, wo zwei Kostenerstattungsanträge gestellt werden müssen und damit zwei separate Verfahren ablaufen. Auch ist es ärgerlich, wenn bei der Bayerischen Beamtenkrankenkasse das Verfahren häufig um Wochen länger als bei der Beihilfestelle dauert.
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