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Riesen-Bärenklau Gefahr: Junge erleidet schwere Verbrennungen

Riesen-Bärenklau

Wie eine unscheinbare Pflanze einen jungen Augsburger ins Krankenhaus brachte

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    Sieht harmlos aus, ist aber hochgefährlich: die Riesen-Bärenklau.
    Sieht harmlos aus, ist aber hochgefährlich: die Riesen-Bärenklau. Foto: Frank Molter, dpa

    Auf den ersten Blick war es für Finn Wintermeier ein ganz normaler Sommertag. Der elfjährige Augsburger wollte gemeinsam mit seinen Teamkameraden aus dem Tischtennisverein in den Botanischen Garten in Augsburg. Die Euphorie sei, wie das eben kurz nach Beginn der Sommerferien so ist, an dem Sonntag groß gewesen. Aus einem Spaziergang durch den Garten entwickelt sich für die Buben schnell eine Toberei, erzählt er fast ein Jahr später. Dann passiert das, was Finns Vater Michael Wintermeier mittlerweile als „wahnsinniges Pech“ beschreibt: Der Elfjährige fällt hin, stützt sich mit der linken Hand auf dem Boden ab und fasst genau dorthin, wo es am meisten wehtut: in die Blüte einer Riesen-Bärenklau.

    Seit dem 19. Jahrhundert gibt es die Riesen-Bärenklaue in Europa

    Jetzt, an diesem lauen Julitag 2024, trägt Finn einen schwarzen Handschuh, der, ähnlich wie man ihn von Fahrradfahrern kennt, die Fingerkuppen nicht bedeckt. Er erinnert sich an den Tag zurück, an dem das Unglück seinen Lauf nahm: „Kurz nachdem ich mit der Hand die Pflanze berührt habe, hat es schon angefangen zu kribbeln.“ Er habe danach erst zunächst einigermaßen unbeeindruckt weitergespielt, „erst nach einer Weile habe ich gemerkt, dass meine Hand dick wird“. Als Finns Hand immer mehr anschwillt, holt ihn sein Vater ab und bringt ihn nach Hause. Am Abend, als sich auf Finns Haut immer größere Brandblasen bilden, entscheiden sich die Wintermeiers, ins Krankenhaus zu fahren. „Es hat sich so angefühlt, als hätte ich mir meine ganze Hand am Ofen verbrannt“, sagt der Elfjährige.

    Vor etwa einem Jahr kam Finn Wintermeier mit einer Riesen-Bärenklau in Kontakt. Was folgte, war ein Marathon der Krankenhausaufenthalte.
    Vor etwa einem Jahr kam Finn Wintermeier mit einer Riesen-Bärenklau in Kontakt. Was folgte, war ein Marathon der Krankenhausaufenthalte. Foto: Nicolas Friese

    Im Nachhinein, so sagt es Michael Wintermeier, sei an dem Tag viel Pech im Spiel gewesen: „Die Gärtner im Botanischen Garten hatten die Pflanze beschnitten und abtransportiert. Dabei muss eine Blüte vom Wagen gefallen sein.“ Dass sein Sohn genau dort mit der Hand aufkam, sei die Kirsche auf der Pech-Torte gewesen. Denn dass die Pflanze so offen herumliegt, ist normalerweise nicht der Fall. „Größtenteils ist sie eher bei Gewässern oder am Dorfrand zu finden“, sagt Patricia Danel. Die Botanikerin arbeitet für den Bayerischen Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) und kennt sich mit der Herkulesstaude, wie die Riesen-Bärenklaue auch genannt wird, aus. Erste Spuren der Pflanze in Europa gebe es seit dem 19. Jahrhundert, „ursprünglich kommt sie aus dem Kaukasus“, sagt Danel. Was die Pflanze so tückisch mache, sei die Tatsache, dass man die Bedrohung, die von ihr ausgeht, nicht auf den ersten Blick erkenne.

    Zum einen ist die Riesen-Bärenklau groß, sie kann bis zu drei Meter Höhe erreichen. Zudem habe sie, wie Danel im Gespräch erläutert, „riesengroße Blätter und eine Blüte, die einem weißen Regenschirm ähnelt“. Die schirmförmigen Blüten-Dolden, die auf dem dicken, harten Stängeln thronen, können zudem bis zu 50 Zentimeter im Durchmesser erreichen. Gesundheitsschädigend sind alle Teile der Pflanze: „Wenn der Saft, der sich in der Pflanze befindet, mit der menschlichen Haut in Kontakt kommt, bilden sich schnell verbrennungsartige Wunden.“ Ein weiterer Faktor spiele dabei auch eine entscheidende Rolle.

    Dank mehrerer Operationen konnte die Haut auf Finns Hand wieder hergestellt werden. Mittlerweile spürt er sie wieder wie davor, sagt er.
    Dank mehrerer Operationen konnte die Haut auf Finns Hand wieder hergestellt werden. Mittlerweile spürt er sie wieder wie davor, sagt er. Foto: Nicolas Friese

    Denn zu den Verbrennungen kommt es nur, wenn auf den Bereich, der in Kontakt mit der Pflanze gekommen ist, die Sonne scheint. „Das liegt daran, dass die Flüssigkeit der Riesen-Bärenklau, photosensibilisierende Substanzen enthält.“ Durch das Gift verliert die betroffene Stelle ihren natürlichen UV-Schutz, weswegen die Pflanze so gefährlich und meldepflichtig ist. Das passierte auch bei Finn. „Beim ersten Besuch im Kinderkrankenhaus wurde die verbannte Haut weggenommen“, erzählt er. Danach habe man die Wunde mit einer Art Gelee versehen, bevor man sie nach einigen Wochen in einer Operation mit einer künstlichen, ledernen Haut bedeckte.

    Bei der bislang letzten Operation im November, fast ein halbes Jahr nach dem Unfall, transplantierten die Ärzte etwas Haut von Finns Hinterkopf auf seine Wunde an der Hand. „Den schwarzen Handschuh muss ich fast zweieinhalb Jahre lang tragen“, sagt er. Dieser diene dazu, Druck auf die Wunde auszuüben und den Heilungsprozess zu beschleunigen. Mittlerweile kann Finn Wintermeier wieder Sport machen, das sei einige Monate lang nicht gegangen, sagt er. „Schmerzen habe ich keine mehr.“ Manchmal jucke es ihn unter dem Handschuh, „mein Papa sagt aber, dass das ein Zeichen der Heilung ist“. Zwar sei er in der Schule gefragt worden, was vorgefallen sei, „blöde Sprüche gab es aber keine“. Zudem, sagt Finn, sei er mittlerweile beim Spielen draußen etwas vorsichtiger geworden. „Seit dem Vorfall habe ich ein bisschen Angst vor der Pflanze.“

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