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Genuss: Wein: Loblied auf die kleinen Brüder

Genuss

Wein: Loblied auf die kleinen Brüder

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    Wer es hier nicht schafft, einen ordentlichen Wein zu machen, der kann es nirgendwo“, sagt Daniel Wagner vom Weingut Wagner-Stempel in Rheinhessen.
    Wer es hier nicht schafft, einen ordentlichen Wein zu machen, der kann es nirgendwo“, sagt Daniel Wagner vom Weingut Wagner-Stempel in Rheinhessen. Foto: Weingut Wagner-Stempel

    Manchmal erinnert die Szene an ein Quartettspiel aus Kindertagen: Da geben Wein-Händler und Gastronomen mit ihren super-teuren Tropfen an. Es werden Punkte zitiert, die möglichst nah an der Zehn oder, je nach Führer, an den Hundert sind. Oder die Bewertung mit Trauben und Sternen, die auf Großes hinweisen sollen. Rar muss er zudem sein. Die Fach-Journaille erkürt unbezahlbare Weine zu den besten der Welt. Der Winzer freut sich danach über eine perfekte Werbung für einen solchen Wein. So gut wie niemand kann ihn beurteilen. Alles weit weg von uns, die wir einfach nur guten Wein trinken möchten, ohne, dass die Kreditkarte beim Erwerb gleich schmilzt. Deshalb schauen wir uns einmal einige der großen deutschsprachigen Weine an und dazu ihre kleinen Brüder aus derselben „Familie“. Also, die Basis-Qualitäten dieser Betriebe.

    Riesling

    Es ist vielleicht die größte aller Weißwein-Rebsorten. Und Deutschland weltweit das Epizentrum in Qualität und auch in Anbau-Fläche. Klar, dass es da an der Spitze einen großen Andrang von Winzern gibt, die den glamourösen Auftritt suchen mit postmodernen Weingütern, dicken Autos und ihren G-Max-Weinen, die nur subskribiert werden können und schon bei Erscheinen als „ausverkauft“ angekündigt sind.

    Daniel Wagner ist so etwas wie ein gelebter Gegenentwurf. Die Bewertungen der einschlägigen Führer und die Kritiken würden einen derartigen Aufschlag für das Weingut Wagner-Stempel in Rheinhessen durchaus rechtfertigen. Bis auf ein Türschild, das ihn als Mitglied im renommierten Verband der Deutschen Prädikatsweingüter (VDP) ausweist, ist da allerdings nichts zu finden in Siefersheim. Der dicke Geländewagen fehlt. Einen Showroom sucht man vergebens und das Weingut verspricht keinen Preis für abgedrehte Architektur, sondern allenfalls für schlicht saftige Lebensfreude. Angesprochen auf seine Weine, die den Tanz zwischen der Opulenz des Anbaugebietes Rheinhessen und der elektrisierenden Präzision des Anbaugebietes Nahe perfekt beherrschen, entgegnet Daniel Wagner nur: „Wer es hier nicht schafft, einen ordentlichen Wein zu machen, der kann es nirgendwo.“

    2016 EMT Großes Gewächs, € 130
    2023 Riesling trocken, Gutswein, € 11.50, www.weinhalle.de

    Die Weine von Daniel Wagner beherrschen den Tanz zwischen der Opulenz des Anbaugebietes Rheinhessen und der elektrisierenden Präzision des Anbaugebietes Nahe perfekt.
    Die Weine von Daniel Wagner beherrschen den Tanz zwischen der Opulenz des Anbaugebietes Rheinhessen und der elektrisierenden Präzision des Anbaugebietes Nahe perfekt. Foto: Weingut Wagner-Stempel

    Schaumwein

    „Eine Weinprobe beginnt halt meistens mit Sekt. Und der war leider nicht von uns“. Dieser Satz von Matthias Aldinger, ausgesprochen in schwäbischer Kargheit, reichte, um die Welt des schäumenden Getränks in Deutschland in den vergangenen Jahren aufhorchen zu lassen. Dabei gibt es Deutschland durchaus einige Winzer, die sich ausschließlich mit der Produktion von Winzersekten beschäftigen und auch etliche andere Weingüter, die sich dem schäumenden Getränk genähert haben. Die drei Aldingers, Vater Gert und seine Söhne Matthias und Hans-Jörg, die den Betrieb mittlerweile übernommen haben, hatten also keine Not ein neues Geschäftsfeld aufzutun.

    Das Weingut Aldinger im württembergischen Fellbach glänzt, als eines der wenigen in Deutschland, in allen drei Wein-Farben gleichermaßen hell. Seien es die famosen Rieslinge aus den Lagen „Fellbacher Lämmler“ und „Stettener Pulvermächer“, die Sauvignon blancs, die ihresgleichen suchen oder die rote Fraktion mit Spätburgunder und Lemberger. Selbst beim Rosé hat man mit drei verschiedenen Weinen ein Ausrufezeichen gesetzt, das größten und ernsthaften Eindruck hinterlässt. Man könnte sich also bequem für die nächsten Jahrzehnte auf den erworbenen Lorbeeren ausruhen. Von wegen. „Seit 2009 schon haben wir blind Schaumwein produziert ohne Verkauf“, erzählt Matthias Aldinger. Die Basis dafür waren die klassischen Champagner-Rebsorten Chardonnay, Spätburgunder und Pinot Meunier mit Rebstöcken aus dem Jahr 1974. Erst 2015 dann sind die Aldingers mit ihrem „Brut Nature“ auf den Markt gekommen, der sehr vielen Champagnern das Fürchten lehrt.

    2018 Brut Nature, € 60
    NO. 531 Blanc, € 23.50, www.weingut-aldinger.de

    Lehren mit ihrem „Brut Nature“ seit knapp zehn Jahren vielen Champagnern das Fürchten: Matthias (links) und Hansjörg Aldinger.
    Lehren mit ihrem „Brut Nature“ seit knapp zehn Jahren vielen Champagnern das Fürchten: Matthias (links) und Hansjörg Aldinger. Foto: Peter Bender

    Silvaner

    Wenn es einen Alleskönner unter den Rebsorten auf dieser Welt gibt, dann ist es wohl der Silvaner. Egal ob knochentrocken ausgebaut oder edelsüß. Egal, ob konventionell hergestellt oder als Naturwein. Egal, ob jung und frisch getrunken oder jahrzehntelang gereift. Der Silvaner ist in seiner Flexibilität unerreicht bei potentiell höchster Qualität. Leider weiß außerhalb Deutschlands kaum jemand davon. Das ist sicherlich ein Vorteil für die Weintrinker in unserem Lande was den Preis für Weine aus dieser grandiosen Rebsorte angeht, die mit Aromen nach Birne und dem Anklang von Kräutern immer reizvoll bleibt.

    Das Weingut Zehnthof Luckert im fränkischen Sulzfeld pflegt diese Traube wie kaum ein anderer Betrieb mit gleich acht Silvanern im Programm. Der Top-Wein hört auf den Namen „Creutz“ und hat eine unglaubliche Geschichte, die bei einer Feuerwehr-Versammlung beginnt. Genau dort traf Uli Luckert im Jahr 2008 den Besitzer des letzten kleinen Handtuchs aus der ehemals berühmten Lage, das nicht der Bebauung zum Opfer gefallen war. „Gerodet war es allerdings schon. Aber die uralten wurzelechten Rebstöcke aus dem Jahr 1870 befanden sich noch im Erdreich. Eingerahmt von einer Einfamilienhaus-Siedlung und als Bauplatz bereits ausgewiesen.“ Nach einem mündlich geschlossenen Pachtvertrag machten sich Uli und Wolfgang Luckert an die Arbeit. Sie legten die Stöcke frei und brachten die Mini-Lage zum Leuchten. Alles in kompletter Handarbeit, denn die Gassenbreite von genau 60 Zentimetern erlaubt es gerade einmal, sich unfallfrei umzudrehen. An Maschinen jeglicher Art war nicht zu denken.

    Nur um die 500 Flaschen gibt es von diesem Wein, der so leise daher kommt wie die Luckerts selbst. Es gibt weder eine Subskriptions-Pflicht für den besten Silvaner auf diesem Erdenrund, noch die barocke Holzkiste mit Tresor-Charakter. Sie machen einfach kein Aufheben darum.

    2023 Creutz, € 170
    2023 Sulzfelder Silvaner, € 13, www.weingut-zehnthof.de

    Acht verschiedene Silvaner gibt es bei Ulrich (links) und Philipp Luckert im Sulzfelder Weingut Zehnthof.
    Acht verschiedene Silvaner gibt es bei Ulrich (links) und Philipp Luckert im Sulzfelder Weingut Zehnthof. Foto: Peter Bender

    Grüner Veltliner

    Mehr Österreich geht schon gar nicht mehr. Kein Hüttenabend, kein Heuriger, keine Jause ohne den Weißwein, der berühmt ist für sein „Pfefferl“, diesen würzigen Ausdruck am Gaumen. „Der Grüner Veltliner ist ein Arbeitspferd“, sagt der Winzer Peter Veyder-Malberg. „Eine Universal-Rebsorte, die sehr gut geht für Alltagswein. Aber wenn man es darauf anlegt, dann kann man Weltklasse daraus machen.“ Auf nur acht Hektar, davon ein Gutteil in unwegsamen Steinterrassen-Lagen, erschafft Veyder-Malberg seine Weine, die weit weg von den opulenten, Alkohol-schwangeren Weinen der Säulenheiligen in der Wachau sind. Schon der Einstieg mit dem Namen „Liebedich“, auf Sand-Lehm-und Löss-Böden gewachsen, zeigt, wo die Reise hingeht: nämlich in eine Stilistik, die nicht auf vordergründige Primärfrucht-Aromen setzt, sondern auf eine filigrane Kräuterigkeit. Der „Weitenberg“ stammt von kargen Gneis- und Glimmerschiefer-Böden, die den Wein griffig und mineralisch werden lassen mit dieser feinen Salzigkeit, die noch so viel mehr verspricht.

    2022 Weitenberg, € 69
    2023 Liebedich, € 25.90, www.gute-weine.de

    Alltag und Weltklasse – bei Peter Veyder-Malberg kann der Veltliner beides.
    Alltag und Weltklasse – bei Peter Veyder-Malberg kann der Veltliner beides. Foto: A.Durst/Veyder-Malberg

    Spätburgunder

    Über Paul und Sebastian Fürsts Weine zu schreiben und Superlative wegzulassen, ist keine einfache Angelegenheit. Die Spätburgunder von den Buntsandstein-Böden der Fürsten in Bürgstadt und Klingenberg spielen in einer ganz eigenen Liga. Nein, beim ersten Schluck ereignet sich keine Götterdämmerung. Diese Weine knallen nicht. Im Gegenteil: Sie fliegen leise und seidig dahin, fühlen sich an wie ein Wind-Hauch mit Substanz. Selbstredend taucht in den Anpreisungen der einschlägigen Wein-Lyrik dann immer der unvermeidliche Vergleich mit den Weinen aus dem französischen Burgund auf. Der Adelstitel sozusagen für die Spätburgunder aus dem Main-Viereck in Franken.

    Ich persönlich finde den Vergleich gar nicht mehr so passend. Die Qualität dieser Weine ist eigenständig und – es mag snobistisch klingen – für das Gebotene im Vergleich zum Burgund, geradezu preiswert.

    Basis für die großen Spätburgunder des Weinguts Rudolf Fürst (benannt nach dem Gründer) ist, neben dem „Schlossberg“ in Klingenberg, die Lage „Centgrafenberg“, die sich gar nicht direkt am Main befindet, sondern in einem kleinen Seiten-Tal, in dem das Flüsschen Erft dahinläuft. Kein Wunder, dass sich in früheren Zeiten die Mainzer Kur-Bischöfe das Gewann unter den Nagel gerissen hatten. Sebastian Fürst läßt den werdenden Wein 18 Monate auf der Hefe liegen. Danach wird er ohne jede Filtration abgefüllt. Heraus kommt ein Tropfen, der für ein langes Leben bestens geeignet ist. Bitte dieses Große Gewächs für mindestens sechs Jahre im Keller vergessen!

    Wie mag dann, neben dieser Ikone von Wein, der kleine Bruder, mit dem Namen „Tradition“ wohl ausgebaut sein? Die Antwort überrascht und verrät viel vom Wein-Stil des Hauses Fürst. „Genau gleich“, sagt Sebastian Fürst in seinem vom Hessischen gestreiften Fränkisch. „Wir nehmen dafür alte Reben und auch Trauben von den sehr jungen Stöcken aus den Lagen unserer Großen Gewächsen direkt unterhalb des Weinguts.“ Jeden Euro wert.

    2022 Centgrafenberg GG, € 78
    2022 Tradition, € 17.50, www.weingut-rudolf-fuerst.de

    Die Spätburgunder von Sebastian und Paul Fürst spielen in einer ganz eigenen Liga.
    Die Spätburgunder von Sebastian und Paul Fürst spielen in einer ganz eigenen Liga. Foto: Weingut Rudolf Fürst
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