Manchmal werden ausgerechnet Leerstellen zu Lehrstücken. In diesen aktuellen Fällen ausgerechnet und sehr vielsagend zu den mächtigsten Personen eines Landes. Und damit sind es eben auch Aussagen, wie es um den Umgang mit Macht der Menschen an der Spitze steht, in beiden Fällen immerhin Demokratien…
Die Geschichte um die Leerstelle in Deutschland ist dabei eine im Grunde ganz simple und irgendwie auch schöne. Im Bundeskanzleramt nämlich gibt es die sogenannte Kanzlergalerie, in die sich alle ehemaligen Regierungschefs, porträtiert von einem Künstler ihrer Wahl, einreihen. Und die rein männliche Formulierung ist hier keine Missachtung der Vielfalt. Denn bis heute hängen dort ausschließlich Kanzler, dargestellt von Malern.
Dreieinhalb Jahre und noch immer kein Bild: Wo bleibt das Kanzlerinenporträt von Merkel?
Konrad Adenauer zum Beispiel wurde von Hans Jürgen Kallmann im Jahr 1963 auf Leinwand gebannt. Helmut Schmidt hat sich noch im geteilten Deutschland vom ostdeutschen Künstler Bernhard Heisig porträtieren lassen, Helmut Kohl dann von dessen Schüler Albrecht Gehse. Gerhard Schröder kommt bei Jörg Immendorf als gemalte Goldbüste seiner selbst im Passepartout daher, allerdings im Spalier der weniger hoheitlich wirkenden Symbolfiguren des Künstlers.

Aber wo ist nun die erste Frau in der Reihe? Angela Merkel – sie lässt daneben bis heute eine Leerstelle prangen. Und hat damit seit kurzem einen Rekord inne: Noch nie hat es so lange gedauert, bis ein neues Porträt in die Galerie Einzug hielt, ganze 17 Jahre und acht Monate liegt der letzte zurück – das ist nun länger her als bei Kohl. Schröder hatte ihr als Nachfolgerin, der er so schrecklich ungern seinen Posten überließ, mitten in deren ersten Amtszeit bereitsspitzig prognostiziert: „Irgendwann werden Sie neben mir hängen.“ Aber bis heute tut sie es nicht.
Und zeugt es nicht vom Regierungsstil der Frau mit der Raute, dass es auch dreieinhalb Jahre nach Ende ihrer Regierungszeit noch heißt aus ihrem Büro: Die Anfertigung eines Porträts sei durchaus geplant, doch wann das geschehen soll, „steht noch nicht fest“. Und ebenso noch nicht, wer sie porträtieren wird. Aber wäre es letztlich auch nicht verwunderlich, wenn Frau Merkel letztlich, nach sehr, sehr, sehr reiflicher Überlegung zu einer irgendwie doch auch eine neue Vielfalt repräsentierenden Antwort kommen würde: einer Künstlerin! (Scholz sagt übrigens, er habe bereits eine Idee für sein Porträt – aber nun ja, das muss bei ihm längst nicht heißen, dass er sich vor Merkel auch zu einer Umsetzung durchringen kann.) Präsidiales Regieren, das Merkel eigen war und die dreifache Wiederwahl bescherte, hat in Deutschland eben diesen Beiklang: unaufgeregt verwaltend, mit kleinen symbolischen Akten dann und wann.
Trump lässt Obamas Porträt im Weißen Haus an einen abseitigeren Ort hängen
Und damit ins genaue Gegenteil: zur aktuellen amerikanischen Präsidentschaft. Denn auch zu Bildnissen seiner selbst gibt es bei Donald Trump allein in den vergangenen Wochen ein wildes, chaotisches Wirbeln, das letztlich aber doch ein eindeutiges Bild ergibt. Da ließ er zum Beispiel wutschäumend ein Porträt von sich aus dem Kapitol in Colorado entfernen, für das ein uns dieselben Künstler auch seine Vorgänger gemalt hatte: Obama etwa sehe, so Trump, auf seinem Gemälde „wunderbar“ aus, er selbst dagegen „absichtlich verzerrt“ – und freilich beschimpfte er auch die Künstlerin.

Dann ließ Trump im Weißen Haus ein gemäß der Tradition dort hängendes Porträt seines Vorgängers an einen abseitigeren Ort verbannen, um es mit einem Bild von sich selbst zu ersetzen, dass ihm offenkundig sehr gefielt. Es zeigt ihn nämlich in dem Moment nach dem dem Attentat auf ihn während des Wahlkampfs, als er sich mit blutigem Ohr zwischen seinen Sicherheitsleuten noch einmal mit gereckter Faust zu Volk und Fotografen hin aufrichtete und „Fight, fight, fight!“ rief. Das soll freilich ikonisch sein, schließlich hat ihn da nach eigener Aussage ja Gott höchstselbst gerettet, weil er noch Großes mit ihm vorhabe. Und so weiter.
Einfach „beautiful“: Putin lässt Trump ein Porträt von eben jenem überreichen
Das Zusammenspiel von Macht und Eitelkeit ist hier so leicht zu lesen, dass sich das auch Kritiker zu Nutze machen. Aktivisten hängten kurzfristig in den Louvre direkt neben die Mona Lisa ein Trump-Porträt, feist in Heeresführeruniform (dazu übrigens auch eines von Friedrich Merz). Gefakte Bildmontagen zeigen Banner mit Trump unterm goldenen Lorbeerkranz am Kennedy Center in Washington, der national führenden Kultureinrichtung, derer sich der US-Präsident zuletzt zusehends bemächtigt.
Aber am feinsten ist wohl diese Reaktion auf Trumps Bildnisversessenheit: Als kürzlich dessen Sondergesandter Steve Witkoff zu Gesprächen in Moskau weilte, wusste er danach zu Gast bei Hofmoderator Tucker Carlson nicht nur davon zu berichten, wie unglaublich empathisch Putin sei, weil er doch nach dem Attentat auf den US-Präsidenten dem eigenen Bekunden nach mit seinem Privatpopen für dessen Genesung gebetet habe, nein: Der Herrscher in Moskau habe ihm zudem als Geschenk für Trump ein Porträt von eben jenem selbst mitgegeben, gemalt von einem prominenten russischen Künstler. Und Witkoff sagte, Trump sei „eindeutig berührt“ gewesen von dem Bildnis, das einfach „beautiful“ sei. Putin hat ohnehin längst verstanden. Bloß dass Trump das Geschenk noch nicht stolz präsentiert hat, ist eine noch etwas rätselhaft Leerstelle.
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