Startseite
Icon Pfeil nach unten
Kultur
Icon Pfeil nach unten
Gesellschaft
Icon Pfeil nach unten

Streit und immer neue Dramen: Paarberater verrät, wann eine Beziehung toxisch ist

Beziehungsfragen

Wann eine Beziehung toxisch wird

    • |
    • |
    • |
    Toxische Beziehungen belasten auch das Selbstwertgefühl.
    Toxische Beziehungen belasten auch das Selbstwertgefühl. Foto: Daniel Ernst, stock.adobe.com

    Eine Klientin wendet sich an uns: Sie wünscht sich mehr Vertrauen und Nähe mit ihrem neuen Partner, doch die Altlasten aus ihrer vorherigen Beziehung beeinflussen sie negativ. Sie hatte Abwertungen, Dominanz, Angst und Isolation erlebt, war finanziell und emotional von ihrem Partner abhängig. Erst nach Jahren und mit einem gemeinsamen Kind gelang es der Klientin, sich zu trennen. Sie war in eine toxische Beziehung geraten.

    Von einer solchen spricht man, wenn Menschen dauerhaft emotionale, psychische oder sogar körperliche Verletzungen in einer Partnerschaft erleben. Wenn ein Machtungleichgewicht und einengende Abhängigkeiten bestehen, wenn wiederkehrende Drama-Zyklen stattfinden, wenn der Selbstwert schwindet und die Beziehung mehr von Angst und Trauer als von Freude und Freiheit geprägt ist. Oft isolieren sich Betroffene von Freunden oder der Familie.

    Toxische Beziehung: Selbstwert schwindet, Betroffene isolieren sich

    Einiges davon hatte die Klientin in ihrer alten Beziehung erlebt. Noch immer hat sie Schuldgefühle, dass sie es damals so lange mitgemacht hat und sie misstraut ihrer eigenen Urteilsfähigkeit. Bei jedem Konflikt in der neuen, gesunden Beziehung zweifelt sie an sich und dem Wohlwollen des Partners.

    Diese Unsicherheit wird aktuell auch in zahlreichen Videos und Beiträgen auf Social Media diskutiert, viele Nutzerinnen und Nutzer fragen sich: Bin ich in einer toxischen Beziehung? Während es so wichtig ist, sich in toxischen Beziehungen abzugrenzen, ist es ebenso wichtig klarzustellen, dass Konflikte und Enttäuschungen, unangenehme Gefühle, temporäre Resignation und Frustration zu einer gesunden Beziehung dazugehören. Es geht ja gerade auch darum, Widrigkeiten gemeinsam zu überwinden, um sich näher zu kommen und zu wachsen. Nicht jede Beziehung ist toxisch, Streit ist ebenso normal wie über manche Konflikte um der Harmonie willen hinwegzusehen. Alle Menschen zweifeln mal an ihrem Selbstwert und werden enttäuscht. Wir werden in Beziehungen verletzt und wir heilen in ihnen.

    Nach einer toxischen Beziehung wieder zur Selbstliebe finden

    Es stellt sich also nicht so sehr die Frage, ob eine Beziehung toxisch ist, sondern eher, wofür sie steht. Sicherheit, Geborgenheit, Stabilität, Nähe, Familie, Wachstum, Heilung - es gibt viele verschiedene „Sinne“, die eine Beziehung erfüllen kann. Auch Trennungen gehören zu gesunden Beziehungen dazu - in Freundschaften wie in Partnerschaften. Manchmal haben sich bestimmte Zwecke erfüllt und die Menschen in der Beziehung finden keine neue Vision, an der sie gemeinsam wachsen können. Das anzuerkennen, ist auch gesund und wichtig.

    Wie hat unsere Klientin also wieder Vertrauen in sich und ihren neuen Partner gefunden? In ihrer vorherigen, toxischen Beziehung hat sie die Möglichkeit gefunden, aus ihrem alten ungesunden Familiensystem der Eltern und dem Heimatort auszubrechen und als das Leid groß genug war, durfte sie die berührende Erfahrung von Selbstliebe machen: Es hat ein großes Maß an Leid gebraucht, damit sie einen gedanklichen und emotionalen Durchbruch schaffte: Sich selbst so wichtig zu nehmen, sich zu lieben, sich als so bedingungslos wertvoll zu erleben, dass sie sich trennte, Unrecht von Recht unterschied, unabhängig wurde, das alleinige Sorgerecht erkämpfte und neu begann.

    Aus der schlechten Beziehung lernen

    Der renommierte Therapeut David Kessler definierte auf Basis eines Modells der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross eine sehr besondere letzte Phase in der Verarbeitung von Enttäuschungen und Verlust: das Sinngeben. Es geht nicht darum, dass eine „toxische Beziehung gut war“, sondern es geht darum, ihr rückblickend einen Sinn zu geben, um sich selbst wieder als selbstwirksam und verantwortungsvoll zu erleben. Wozu habe ich diese Erfahrung gemacht? Wie möchte ich heute darauf antworten?

    Unsere Klientin lernte, der toxischen Beziehung zuzustimmen, ohne sie gut zu finden. Sie lernte, dass sie sich gerade wegen der toxischen Beziehung heute umso mehr vertrauen kann und dass das unliebsame Streiten eben auch gerade ein Ausdruck einer gesunden gleichberechtigten Beziehung sein kann, indem sich beide Partner auf Augenhöhe begegnen und ihre Bedürfnisse aushandeln. Und auch wenn Konflikte, Streiten und Enttäuschungen keine große Freude machen und manche Probleme gefühlt immer wiederkommen, so ist es meistens ganz „normales“ Beziehungsleben. Probleme gehören zum Leben mit dazu. Ein Leben ohne Probleme gibt es nicht. In diesem Sinne wünschen wir eine freudvolle Zeit trotz oder gerade wegen der Probleme, die wir haben dürfen. Eine freudvolle Zeit mit einem Menschen, den wir lieben, mit dem wir Erfahrungen und ein Stück des Lebensweges gemeinsam teilen.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden