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Schlüssel zum Glück: Darum sollten glückliche Paare auch mal streiten

Beziehungsfragen

Warum glückliche Paare auch mal streiten sollten

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    Zeit für Streit: In einer lebendigen Beziehung darf es auch mal krachen.
    Zeit für Streit: In einer lebendigen Beziehung darf es auch mal krachen. Foto: Christin Klose, dpa (Symbolbild)

    Eine Klientin kommt in unsere Praxis. Sie ist seit 23 Jahren verheiratet, hat aber eine Beziehung außerhalb ihrer Ehe wie auch ihr Mann. Anders als sie weiß er nichts davon. Noch nicht. Wozu sollte sie es ihm sagen, sie möchte die außereheliche Beziehung ohnehin beenden und wieder mehr Nähe mit ihrem Mann leben. Sie möchte Neues wagen, auch sexuell und nach all den Jahren der harmonischen, aber auch etwas langweiligen Beziehung auch mal wieder streiten.

    Damit ist sie nicht allein. Einige Paare, die harmonisch miteinander leben, stellen manchmal fest, dass die Liebe irgendwann einschläft. Sie ist noch da, aber nicht mehr spürbar. Die Paare erleben keine anstrengenden Konflikte, aber auch keine Lebendigkeit. Dabei ist Harmonie doch genau die Qualität, die sich jene Paare wünschen, die sich in den immer gleichen Streitereien verlieren - über Haushalt, Erziehung, Wertschätzung, Geld. Beiden Typen von Paaren ist eines gemeinsam: Es verändert sich nichts, sie wachsen nicht in der Beziehung. Doch Liebe lebt vom lebendigen Miteinander. Was also tun?

    Streitgründe bei Paaren: Es ist wichtig, die eigenen Bedürfnisse zu äußern

    Stellen wir uns zwei Kreise vor. Wenn die Kreise keine Schnittmenge haben, gibt es kein Wir. Wenn beide Kreise übereinander liegen, gibt es kein eigenständiges Selbst. Eine lebendige, gesunde Beziehung verlangt nach Unterschiedlichkeit. Das Verhältnis von Unterschiedlichkeit und Gemeinsamkeit kann jedes Paar für sich wählen und es darf sich im Laufe der Zeit ändern. Durch das Wir erleben wir Nähe und Sicherheit, durch die Unterschiedlichkeit können wir Konflikte erleben und voneinander lernen.

    Wir und Selbst schließen sich vermeintlich aus, wie sich Sicherheit und Gefahr vermeintlich ausschließen. Doch eigentlich ergänzen sich beide: Durch das Ich kann ein Wir entstehen und erst wenn wir uns sicher fühlen, können wir Risiken wagen. Beides braucht es also für eine lebendige Beziehung. Es braucht ein tiefes Vertrauen ineinander, um neue Abenteuer zu wagen. Es braucht Intimität und Geborgenheit, um sich dem anderen sexuell anzuvertrauen und Neues erleben zu können. Erst wenn wir einander sicher sind, haben wir das Fundament, um ein Wagnis zu riskieren. Dann haben wir sichere Wurzeln und wissen, dass Scheitern den Wurzeln nichts anhaben kann. Es geht darum, die eigenen Bedürfnisse zu äußern und sich abzugrenzen - für den beidseitigen Gewinn.

    Was bedeutet das konkret für unser Paar? Die beiden haben sich maximal aneinander angepasst. Sie funktionieren super als Team, haben sich als Eltern optimal aufgeteilt, aber dafür viel von ihrem Selbst aufgegeben. Beide haben aufgehört sich zu fragen, was ihre Bedürfnisse sind, was sie sich wünschen und was sie nicht wollen. Das Fremdverlieben und die außerehelichen Begegnungen haben das Selbst schlagartig wieder zum Leben erweckt und die eigenen Bedürfnisse bewusst werden lassen.

    Streitende Paare: Wer seine Bedürfnisse äußert geht ein Risiko ein – und gewinnt Nähe

    Jeder Mensch verändert sich. In einer Beziehung geht also auch darum, das Bild von uns selbst und unseres Partners immer wieder zu erneuern und neugierig zu fragen: Wer bist du und wer willst du sein? Verdeutlichen wir es an einem Bild: Der Unterschied zwischen einer Reise und einem Urlaub liegt in der Absicht. Urlaub dient der Erholung und das Maß an Ungewissheit ist gering. Eine Reise dient dem Entdecken, sie ist geprägt durch Ungewissheit und Neugier und erfordert Risiken. Wir sollten Beziehungen mehr als Reise verstehen und weniger als Urlaub. Zusammenziehen, Kinder bekommen, all das sind Wagnisse, die uns einander und uns selbst näher bringen können, wenn wir bereit sind, das Risiko einzugehen, uns zu zeigen mit all unseren Bedürfnissen.

    Wenn wir ein Bedürfnis äußern, riskieren wir Ablehnung. Wenn wir uns abgrenzen, riskieren wir Distanz. Doch mit jedem Risiko gewinnen wir etwas: Nähe, Vertrauen, Authentizität und Lebendigkeit. Und wir geben dem Partner die Möglichkeit, an unseren Bedürfnissen und Grenzen zu wachsen. So wird der Partner, der sonst so selbstverständlich erscheint, zu einem Abenteuerbegleiter auf der Reise namens erfülltes Leben.

    Die Klientin hat ihrem Mann von ihrer Außenbeziehung erzählt. Es hat ihn nicht besonders interessiert, denn darum geht es im Grunde nicht. Es geht darum, ihre Liebe neu zu spüren. Sie arbeitet nun in Teilzeit, um mehr Raum für ihre Lebensfreude zu haben, ihre Kinder sind ausgezogen und eine ganz neue Lebensphase beginnt. Sie hatten seit langem mal wieder einen heftigen Streit, den sie aber erstmals aus Ausdruck von mehr Nähe und ihres liebenden Selbst wahrnehmen konnte. Es ging darum, dass sie gerne mehr Wir leben wollte als er.

    Zu den Personen

    Christian und Tanja Roos arbeiten als Beziehungscoaches. Sie beraten Paare mit unterschiedlichsten Problemen, sprechen in ihrem Podcast „Das neue Wir“ über ihre Erfahrungen und haben mit dem Buch „Das Ich im Du: Du hast dein Beziehungsglück selbst in der Hand“ einen Bestseller gelandet. In unserer Partnerschaftskolumne „In Sachen Liebe“ schreiben sie jetzt alle zwei Wochen über Beziehungsthemen.

    Mehr dazu lesen Sie hier:

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