Das Schiff, ein Supertanker der deutschen Museumslandschaft, ist in schwere See geraten. Mit Recht lässt sich sogar sagen, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in Schieflage manövriert wurden. Da ist es keine große Überraschung, dass der Kapitän von Bord muss. Bernhard Maaz, zehn Jahre lang Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, nimmt seinen Hut, wie sein Dienstherr, Bayerns Kulturminister Markus Blume (CSU), am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in München bekanntgab. Maaz wechselt ans Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte, seine Position wird „interimistisch“ Anton Biebl übernehmen, der frühere Leiter des Münchner Kulturreferats.
Maaz, bisher Kopf der insgesamt 18 über ganz Bayern verteilten Häuser der Staatsgemäldesammlungen – zu ihnen gehören als Museen von internationalem Rang auch die dreie Münchner Pinakotheken –, Maaz ist das Opfer einer Debatte geworden, die vor rund sechs Wochen ihren Anfang genommen hatte. Damals waren Vorwürfe laut geworden, die Staatsgemäldesammlungen pflegten einen mangelhaften Umgang mit NS-Raubkunst, fällige Restitutionen würden verschleppt. Auch der Führungsstil des Generaldirektors war kritisiert worden. Kulturminister Blume hatte daraufhin Untersuchungen angekündigt.
„Fehlverhalten“ innerhalb der Organisation
Von konkreten Ergebnissen war in der jetzigen Presskonferenz des Ministers jedoch kaum etwas zu hören. Bei den Staatsgemäldesammlungen gebe es „Hinweise und Vorwürfe zu Fehlverhalten und Organisationsversagen“, sagte Blume. Immerhin, es gebe Hinweise, stellenweise sogar „sehr starke Hinweise“, dass es sich dabei um strafrechtlich relevante Vorgänge handle, welcher Art, dazu wollte der Minister sich dann aber nicht näher äußern. Eine Ex-Staatsanwältin soll nun für Aufklärung sorgen.
Der Deutschlandfunk meldet unter Berufung auf interne Unterlagen der Staatsgemäldesammlungen, bei den Vorwürfen handele es sich unter anderem um sexuelle Belästigung Minderjähriger sowie um rassistische Äußerungen durch Aufsichtspersonal. Auch seien Videoaufzeichnungen in Museumsräumen rechtswidrig zur Überwachung von Mitarbeitern eingesetzt worden. In einem der Museen, heißt es in dem Bericht des Deutschlandfunks weiter, seien zudem originalgetreue Kopien deutscher Blanko-Reisepässe, die für ein Kunstobjekt hergestellt worden waren, aus einem Depotraum gestohlen und an Mitarbeiter verteilt worden.
Minister Blume: Nur nach Provenienz zu forschen, reicht nicht
Wenig Konkretes brachte die Pressekonferenz auch zum Thema des Umgangs mit NS-Raubkunst bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Laut Blume soll jetzt die Provenienzforscherin Meike Hopp mit weiteren Fachleuten die bisherigen Forschungen bei den Staatsgemäldesammlungen unter die Lupe nehmen und bewerten. Darüber hinaus soll es einen „Runden Tisch“ geben, denn nach den Worten des Ministers reiche es nicht, „sich mit Provenienzforschung zu beschäftigen“. Münden solle dieses unter anderem mit Vertretern von Opferverbänden und Experten besetzte „Forum“ in die Vorbereitung einer Kommission zur „Historischen Verantwortung“.
Bei Vertretern von Erben ehemaliger jüdischer Kunstbesitzer kommen die Ankündigungen des bayerischen Kunstministers alles andere als gut an. „Man weiß schon gar nicht mehr, wie viele Gremien, Kommissionen und Beauftragte es gibt“, sagt etwa der Rechtsanwalt Markus Stötzel zu den jetzt angekündigten Maßnahmen. „Damit will Minister Blume verschleiern, dass er als politischer Entscheidungsträger die Restitution in eindeutigen Fällen weiter verhindert.“ Stötzel, der die Erben des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim vertritt, verweist auf mehrere Schreiben seiner Kanzlei an den bayerischen Kunstminister, die dessen im Februar erteiltes Versprechen „umfassender Transparenz“ bei Restitutionsfragen beim Wort nehmen und um Einsicht in eine Liste mit mehr als hundert mutmaßlichen geraubten Kunstwerken Bezug nehmen. Die Antwort des Ministers, so Stötzel: „Schweigen.“
Ist der Weggang von Maaz nur ein Bauernopfer?
Stötzel sieht Verantwortung für die defizitäre Restitutionspraxis bei den Staatsgemäldesammlungen deshalb nicht nur beim Generaldirektor der Museen, sondern beim Minister selbst. Das Ausscheiden von Maaz ist für ihn ein Bauernopfer. Eine Einschätzung, die auch Sanne Kurz, kulturpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, ins Spiel bringt.
Nun soll es also Anton Biebl richten, er soll, wie Blume sagt, „das Schiff wieder auf Kurs bringen“. Biebl, der als Parteiloser für den Kulturreferentenposten keine weitere Unterstützung im Münchner Stadtrat fand, ist bereits seit einigen Monaten Blumes Mann für dessen „Museumsoffensive“, mit der die bayerische Museumslandschaft weiterentwickelt werden soll. In diesem Zusammenhang soll etwa in diesem Sommer eine Museumsagentur an den Start gehen mit der Aufgabe, Zuständigkeiten unter anderem bei Provenienzforschung und Restitutionspraxis zu „bündeln“. Aber auch eine „Digitalisierungsoffensive“ sowie eine „Stärkung der kulturellen Teilhabe“, schließlich eine „konsequente Besucherorientierung“ aller staatlichen Museen sind als Ziele der „Museumsoffensive“ genannt.
Strukturen auf dem Prüfstand
Wie lange Biebl die „interimistische Leitung“ der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übernehmen soll, ist offen. Wann die Stelle des Generaldirektors neu ausgeschrieben wird, macht der Kunstminister auch von der Struktur der Staatsgemäldesammlungen abhängig, die in den kommenden Monaten auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls neu ausgerichtet werden soll.
Ob Biebl als ehemaliger Chef einer kommunalen Kulturbehörde der richtige Mann ist für die Anforderungen der kunsthistorisch breit aufgestellten Staatsgemäldesammlungen und ihrer Häuser – insbesondere der Pinakotheken mit ihrer hohen Schlagzahl an Ausstellungen –, ob er gerade auch den komplexen Herausforderungen von Restitutionsverfahren gerecht zu werden vermag, muss einstweilen offenbleiben. Für das Renommee der Staatsgemäldesammlungen, für den Kulturstandort Bayern insgesamt steht jedenfalls viel auf dem Spiel.
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