Der Zorn kocht über: Auf Mallorca haben viele Einheimische genug vom Massentourismus – und gehen auf die Barrikaden. Am Wochenende demonstrierten in der Inselhauptstadt Palma erneut Tausende Menschen. Sie kritisierten, dass das ungezügelte Wachstum des Urlaubsgeschäfts zunehmend zu Lasten der einheimischen Bevölkerung gehe. Nach Angaben der Polizei nahmen an der Kundgebung am Sonntagabend 8000 Menschen teil, die Veranstalter schätzten die Zahl der Demonstranten auf 30.000.
Mallorca: Protest gegen Massentourismus und Wohnraummangel in Palma
Zeitgleich fanden auch auf Mallorcas Nachbarinsel Ibiza sowie in den vielbesuchten spanischen Städten Barcelona, Granada und San Sebastian Demonstrationen statt. Der Besucheransturm provoziert vielerorts ähnliche Konflikte. Das größte Problem: Die durch den Tourismusboom angetriebene Immobilienspekulation und die fortschreitende Umwandlung von Wohnraum in Ferienapartments sorgen vielerorts für eine dramatische Wohnungsnot.
„Wir haben keine Lust mehr, Cocktails zu servieren, aber keine Wohnung zu haben!”, stand auf einem Protestschild im Demonstrationszug in Palma. Die Einheimischen seien in vielen vom Tourismus geprägten Wohnvierteln zu einer Minderheit geworden, klagen die Bürgerinitiativen. Auf Mallorca werden inzwischen rund ein Drittel aller Wohnungs- und Hauskäufe durch wohlhabende Ausländer getätigt.
Laut der mallorquinischen Bürgerbewegung „Menys turisme, més vida” ist das Ziel der Proteste, die wirtschaftliche Ausrichtung der Insel auf das Urlaubsgeschäft anzuprangern und politische Maßnahmen zu fordern, um das Wachstum des Tourismus zu stoppen. „Unser Territorium steht nicht zum Verkauf“, erklärte die Bürgerplattform. „Es ist dringend notwendig, dem Tourismus Grenzen zu setzen und einen Kurswechsel einzuleiten.”
„Wir demonstrieren für das Recht auf ein würdiges Leben“, betonte ein Sprecher der Aktivisten. Er verwies darauf, dass die Touristensaison auf Mallorca bereits mit „untragbaren Zuständen“ in Urlauber-Hotspots wie Sóller, Artà oder Palma begonnen habe. Auf Mallorca dauert die Hauptsaison von Frühjahr bis Herbst. Im Juli und August kommen monatlich mehr als zwei Millionen Urlauber auf die Insel, auf der 950.000 Menschen leben.
Bewohner Mallorcas klagen über Verkehrschaos, Naturzerstörung und Trinkwassermangel
Der Protestmarsch wurde von zahlreichen Polizisten begleitet. Hotels und Immobilienagenturen wurden von Beamten bewacht. Zu Zwischenfällen kam es aber nicht. Stunden vor der Kundgebung hatten Aktivisten in Palma einen Sightseeing-Bus gekapert. Sie bestiegen das Fahrzeug und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift: „Stoppt die Touristifizierung!”
Im vergangenen Jahr empfing Mallorca über 13,5 Millionen Touristen – ein Rekordwert, der laut Prognosen der balearischen Regierung 2025 sogar übertroffen werden könnte. Die meisten Besucher, mehr als 40 Prozent, kommen aus dem deutschsprachigen Raum. Aus Sicht zahlreicher Anwohnervereine und Umweltgruppen führt die touristische Überlastung auch zu Verkehrschaos, Naturzerstörung und Trinkwassermangel.

Der konservativen Regionalregierung Mallorcas wird vorgeworfen, nichts gegen die wachsenden Probleme zu unternehmen, sondern sie sogar noch zu verschlimmern: „Mallorca erlebt derzeit eine neue Welle der territorialen Zerstörung.“ Gemeint sind Beschlüsse der Inselregierung wie die Legalisierung illegaler Bauten auf ländlichem Boden, die weitere Liberalisierung des Grundstücksmarkts und die Übertragung öffentlichen Bodens an private Investoren.
Die Folgen dieser Politik seien für die Insel verheerend, heißt es. „Mehr Bauprojekte, mehr Spekulation, mehr Umweltzerstörung – und ein beschleunigter Kollaps Mallorcas.“ In der Balearenregion regiert die konservative Volkspartei, unterstützt von der rechtspopulistischen Bewegung Vox.
Immer wieder Demos auf Mallorca – doch Einheimische fühlen sich nicht gehört
Bereits in den Vorjahren gab es große Demonstrationen auf der Insel gegen den Massentourismus. Doch trotz der öffentlichen Mobilisierungen sei wenig passiert, kritisieren die Initiatoren der Proteste: Ihre Forderungen seien von den Behörden ignoriert worden. „Wir werden die Straßen nicht verlassen, bis man uns zuhört“, heißt es aus den Reihen der Bewegung. „Es reicht!“

Im März dieses Jahres veröffentlichten sieben mallorquinische Bürgerinitiativen einen offenen Brief, der direkt an die Touristen gerichtet war. Darin hieß es unmissverständlich: „Kommt nicht hierher.“ Und weiter: „Mallorca ist nicht das Paradies, das man euch verkauft. Die Insel ist überfüllt, sie kollabiert. Die Einheimischen sind wütend und nicht mehr gastfreundlich, weil das Land, das wir lieben, zerstört wird – und weil viele gezwungen sind, auszuwandern, da die Insel unbewohnbar geworden ist.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden