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Papst Leo XIV.: Wer ist er und welchen Kurs wird er einschlagen?

Kirche

Wer ist Papst Leo XIV.?

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    Ein Mann der leiseren, aber bestimmten Töne: Am Freitag hält Robert Francis Prevost zum ersten Mal als neuer Papst einen Gottesdienst in der Sixtinischen Kapelle.
    Ein Mann der leiseren, aber bestimmten Töne: Am Freitag hält Robert Francis Prevost zum ersten Mal als neuer Papst einen Gottesdienst in der Sixtinischen Kapelle. Foto: IMAGO/ABACAPRESS

    Es ist 11 Uhr am Freitag. Die Kardinäle, irgendwie erschöpft und glücklich zugleich, sitzen mit ihren spitzen Mitren ganz in Weiß in Reih und Glied in der Sixtinischen Kapelle. Es ist die erste Messe, die der neue Papst Leo XIV. feiert. Hier in der Sixtina haben die Kardinäle ihn am Vortag gewählt. Sie sitzen vor Michelangelos Fresko vom Jüngsten Gericht, das immer noch eindrucksvoll, aber nach vollbrachter Papstwahl schon viel weniger einschüchternd ist. Dann erheben sie sich. Jetzt schreitet Leo XIV. durch das Tor, das den Chorraum und die Kapelle verbindet.

    Der 267. Nachfolger Petri kommt langsamen, erhabenen Schrittes, seine Bewegungen sind durchaus schon päpstlich. Leo, gekleidet in ein goldbesticktes Messgewand – keinesfalls unscheinbar, aber auch nicht aufdringlich verziert – trägt ebenfalls Mitra. In der linken Hand hält er den Bischofsstab, mit seiner rechten segnet er mehrfach die Anwesenden. Jede Geste, jeder Augenaufschlag, jede Besonderheit wird von Beginn seines Pontifikats an als Statement gewertet. Leo XIV. nimmt auf seinem Thron links vorne Platz. Einmal lächelt er zu den Kardinälen herüber, beinahe verschmitzt. Hat ihm einer zugezwinkert?

    Vertraute des neuen Papstes dürfen ihn immer noch Bob nennen

    Der Blick fällt auf seine Schuhe, schwarz und gewöhnlich, wenngleich keine abgelaufenen orthopädischen Treter wie bei seinem Vorgänger Franziskus. Leo XIV. kommt nicht von der Straße, könnte man sagen. Aber woher Robert Francis Prevost, geboren 1955 in Chicago, wirklich kommt und vor allem wohin er die katholische Kirche mit ihren 1,4 Milliarden Mitgliedern steuern will, das ist die große, unbeantwortete Frage in diesen Stunden. Bob nannten sie ihn als Kind im Süden Chicagos, und Vertraute dürfen das immer noch sagen. Bob ist der jüngste von drei Brüdern, der Vater ein Schulfunktionär, die Mutter Bibliothekarin, beide sehr aktiv in der örtlichen Pfarrei. Der Familienhintergrund ist international: Die Großeltern väterlicherseits stammen aus Italien und Frankreich, die Mutter hat spanische Eltern. Bob studiert erst Mathematik und Philosophie, später Kirchenrecht. Er mag Tennis und sei ein leidlicher Spieler, heißt es.

    Der neue Papst predigt erstmals vor den Kardinälen. Dabei geht es nicht nur darum, was er sagt. Es wird auch darauf geachtet, wie er es sagt.
    Der neue Papst predigt erstmals vor den Kardinälen. Dabei geht es nicht nur darum, was er sagt. Es wird auch darauf geachtet, wie er es sagt. Foto: IMAGO/ABACAPRESS

    Jetzt liest Leo XIV. seine erste öffentliche Predigt als Papst. Es geht natürlich um das „Was“, aber viel erklärt sich auch im „Wie“. Leo XVI. beginnt seine Predigt auf Englisch. Am Vortag beim ersten Auftritt auf dem Petersplatz sprach er Latein, Italienisch und Spanisch, vermied gewissermaßen seine Muttersprache. Nun, im Schutz der Kapelle, spricht er also auch Englisch. Dieser Papst, US-Bürger und Staatsangehöriger von Peru, ist polyglott, keine Frage. Die Predigt jedoch ist nach innen gerichtet, an die Kardinäle und die Kirche, weniger an die Welt. Auf Franziskus, den offenen, manchmal erratischen Kommunikator, folgt ein Mann der leiseren, aber bestimmten Töne.

    „Ihr habt mich berufen, ein Kreuz zu tragen und um für diese Mission gesegnet zu sein. Ich will, dass ihr mich begleitet“, beginnt Papst Leo auf Englisch, eine ungewohnte Sprache in der Capella Sistina. Der Ton seiner Predigt, deren Hauptteil er in beinahe akzentfreiem Italienisch hält, ist milde, zurückhaltend. Will hier einer alle glücklich machen, um dann am Ende doch alle gegen sich aufzubringen?

    Inhaltlich fühlt man sich um ein Pontifikat zurückversetzt, in die Zeit Benedikt XVI., der den sogenannten Relativismus geißelte, wo er nur konnte. Leo XIV. übt Zeitkritik auf seine Weise. Jesus werde heute oft „auf eine Art charismatischen Führer oder Übermenschen reduziert“, auch unter vielen Getauften, „die auf diese Art in einem De-Facto-Atheismus leben“. Oft werde der Glaube „als etwas Absurdes, für schwache oder unintelligente Menschen angesehen“. Wer an Gott glaube, werde „lächerlich gemacht, behindert, verachtet oder höchstens geduldet und bemitleidet“. Und dennoch oder „gerade deshalb“ sei „die Mission dringend erforderlich, denn der Mangel an Glauben bringt oft Dramen mit sich wie den Verlust des Sinns des Lebens, das Vergessen der Barmherzigkeit, die Verletzung der Menschenwürde in ihren dramatischsten Formen, die Krise der Familie“. Predigt Leo XIV.

    Der Münchner Kardinal Reinhard Marx lobt den neuen Papst fast überschwänglich

    Man kann sich vorstellen, dass dieser Mann, 69 Jahre alt, im Konklave lagerübergreifende Unterstützung erfahren hat. Wer den Glauben und seine Verbreitung ins Zentrum stellt, macht zumindest keinen Fehler. So einen können auch Traditionalisten wählen. Auch international als progressiv angesehene Kardinäle wie Reinhard Marx, der Münchner Erzbischof, lobt Prevost am Nachmittag bei einem Pressestatement. „Er ist ein Mann, der einen sehr, sehr breiten Horizont hat, einer, der zuhört, Argumente ernst nimmt“, sagt der Kardinal. Er berichtet, dass es gerade beim gemeinsamen Mittagessen im Vatikangästehaus Santa Marta Applaus gegeben habe für Leo XIV. „Er ist nicht in eine Gruppe einzuordnen, versucht Brücken zu bauen, denkt nicht schwarz-weiß, ein dialogfähiger Mensch“, so beschreibt Marx den neuen Papst. Er sei von Prevost überzeugt, sagt er.

    Vielleicht ist das die Mission des neuen Papstes: die unter Franziskus wegen zahlreicher Reformversuche auseinanderstrebenden Kräfte in der Kirche zu befrieden. Ein Erneuerer im kollegialen Stil, zugleich ein Wertkonservativer mit Sinn für soziale Gerechtigkeit. „Ein Mann, der die Welten zusammenhält“, schreibt am Freitag jedenfalls die Zeitung La Repubblica in Anspielung auf Prevosts nordamerikanische Herkunft und seinen 20 Jahre langen Missionsdienst als Angehöriger des Augustinerordens und Bischof in Peru.

    „Der amerikanische Papst“, schreibt wiederum Il Messaggero. Ein Amerikaner als Papst, das war ja bis vor kurzem noch undenkbar. Verschwörungstheorien, der Nachfolger Petri könne als Vertreter der Supermacht USA gesehen werden und würde eigentlich aus dem Hauptquartier der CIA in Langley gesteuert, wollte niemand im Vatikan dementieren müssen. Doch Prevost wird sich wohl eher gegen die US-Regierung unter Donald Trump stellen, wenn nötig. Als Vizepräsident J.D. Vance neulich eine willkürliche Rangfolge katholischer Nächstenliebe propagierte, an deren unterem Ende Migranten stünden, postete Prevost als Leiter des vatikanischen Bischofsdikasteriums Klartext. „J.D. Vance liegt falsch“, schrieb der Amerikaner auf X. „Jesus will nicht, dass wir unsere Liebe für andere gewichten.“ Heute sind das gewissermaßen päpstliche Worte. Die Konfrontation mit Washington ist programmiert.

    Kardinal Reinhard Marx gibt am Freitag im Vatikan eine Pressekonferenz. Er sei von Prevost überzeugt, sagt er.
    Kardinal Reinhard Marx gibt am Freitag im Vatikan eine Pressekonferenz. Er sei von Prevost überzeugt, sagt er. Foto: Andrew Medichini, dpa

    Aber was nun ist Leos Programm? Einblick hat dazu der Erzbischof von Belgrad, László Kardinal Német, gegeben. Denn nach seiner Wahl am Donnerstag speiste der neue Papst mit den Kardinälen zusammen im Vatikangästehaus Santa Marta zu Abend. Die Stimmung war „ausgelassen und fröhlich“, sagt einer, der dabei war. Német, so erzählte er es im kroatischen Fernsehen, saß mit fünf Kollegen am Tisch des neuen Pontifex. Wie er seinen Namen gewählt habe, wollten die Kardinäle wissen. Dann soll Leo XIV. erklärt haben, er wolle „sozialen Fragen in der Welt mehr Aufmerksamkeit schenken und den Fragen der Gerechtigkeit“. Sein Namensvorgänger Leo XIII. (1878–1903), der mit der Enzyklika „Rerum Novarum“ einen Grundstein für die katholische Soziallehre legte, sei während der Industriellen Revolution Papst gewesen, heute befände man sich in einer „digitalen Revolution“. „Heute wie damals sind Arbeitsplätze das Problem“, die Digitalisierung führe zu ihrem Verlust. So die von Német überlieferte Begründung der Namenswahl.

    Leo XIV. ist, wenn überhaupt, ein besonders zahmer, gebändigter Löwe

    Außerdem, so habe Leo XIV. hinzugefügt, habe Leo XIII. als junger Priester in Rom häufig eine von Augustinern geführte Kirche besucht, der Orden, aus dem auch Robert Francis Prevost stammt. „Wir Kardinäle machten dann einen Witz“, erzählte Német weiter. Bis jetzt habe Franziskus mit den Wölfen gesprochen. „Aber jetzt haben wir einen Löwen, der die Wölfe verjagt.“ Leo, auf Italienisch „Leone“, bedeutet „Löwe“. Von einem wilden Tier freilich hat dieser Papst eher wenig. Prevost wurde schon vor seiner Wahl für seine Milde, Intelligenz, Schüchternheit und Ironie gelobt. Leo XIV. ist, wenn überhaupt, ein besonders zahmer, gebändigter Löwe.

    Und die Wölfe, auch sie gerade fromm und zahm, werden sich schon bald aus ihren Verstecken wagen. Die einen werden Leo XIV. als zu konservativ brandmarken, als ängstlich gar, die anderen ihn wegen seiner Sensibilität für Migranten angreifen. Ein Papst für alle oder einer für niemanden? Bald wird er die ersten schwierigen Entscheidungen treffen müssen. Wo er wohnt, zum Beispiel, im Palazzo oder in Santa Marta. Oder wie es mit den Frauen in der Kirche weitergeht, mit der Haltung der Kirche gegenüber Homosexuellen, dem Pflichtzölibat. Am Freitag bestätigte der Papst die bisherigen Kurienchefs vorläufig in ihren Ämtern. In einer Woche, am 18. Mai, wird die Messe zur Amtseinführung stattfinden. Auch der „Synodale Weg“ in Deutschland mit seinen Reformen hofft auf freundliche Signale aus Rom.

    Man sollte sich da allerdings nicht zu viel erwarten. Als Chef der Bischofsbehörde im Vatikan unterzeichnete Prevost im Februar vor einem Jahr einen Brandbrief gegen den „Synodalen Weg“. Darin untersagte Rom den Deutschen die Einrichtung eines synodalen Ausschusses, also die Beteiligung von Laien an bislang Bischöfen vorbehaltenen Entscheidungen. Leo XIV. wird sich das vermutlich erst einmal nicht anders überlegen. Er ist 69 Jahre alt und damit jung für einen Pontifex. Eile dürfte damit keine seiner Prioritäten sein.

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