Frank-Walter Steinmeier fordert Regeln für Facebook, YouTube und Co.
Bundespräsident Steinmeier fordert Regeln für Internetplattformen wie Facebook, Google oder Twitter. Sie hätten sich zu lange gegen Kontrolle und ihre eigene Verantwortung gewehrt.
Welche Verantwortung tragen Tech-Giganten wie Facebook, Google oder Twitter beim Schutz der Demokratie? Eine große, findet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Deshalb hat sich das Staatsoberhaupt am Montag beim elften "Forum Bellevue" der Bertelsmann Stiftung auch für klare Regeln für die Unternehmen ausgesprochen. Die großen Plattformbetreiber hätten sich lange gewehrt gegen Kontrolle. Probleme habe man relativiert oder kleingeredet. "Regulierung wurde lange zum Feind der Freiheit erklärt. Das Gegenteil ist der Fall: Damit Freiheit und Demokratie gewahrt bleiben, braucht es Regeln."
Die sozialen Medien prämierten viel zu oft "die schnelle Lüge – auf Kosten von Vernunft und Wahrheit." Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit werde zur "Gefahr für die Demokratie", so Steinmeier. Neue Freiheit brauche neue Verantwortung, "damit der digitale öffentliche Raum nicht in Chaos und Selbstzerstörung endet. Wir kennen die aufgeklärte Antwort auf solche Übel – nämlich Rechtsstaat, Regeln und Institutionen." Die Demokratien der Welt müssten "ihre Verfasstheit auch im Digitalen sichern, gegen Feinde von innen wie außen".
Anderthalb Stunden lang diskutierte der Bundespräsident mit Margrethe Vestager, EU-Kommissarin für Wettbewerb sowie Vizepräsidentin und Kommissarin für Digitales, Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, und Ben Scott, Geschäftsführer des US-Thinktanks "Luminate". Anderthalb Stunden, die Vestager am Ende auf zwei Sätze konzentrierte: "Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die Macht muss zurück zu den Menschen." Privatsphäre, Copyright, Hassrede: Es gebe viel zu klären, der Markt regle das nicht von alleine.
Das sehen auch viele Mitarbeiter der Tech-Unternehmen selbst so, erklärte Nassehi. Er habe mit Facebook-Mitarbeitern gesprochen: "Das mag naiv klingen, aber viele schienen selbst überrascht zu sein, welche Schäden ihre Entwicklungen verursachen können." Scott sieht diesbezüglich eine grundsätzliche Diskrepanz zwischen den Chefs der Giganten und deren Arbeitnehmern. "Viele Mitarbeiter wollen nicht auf der dunklen Seite der Geschichte stehen. Sie wollen Gutes bewegen." Umso wichtiger sei es, die Bosse zu verpflichten, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.
Europa soll Regulierung von Facebook, Google und Co. vorantreiben
Einig war sich die Runde, dass Europa die transatlantische Regulierungsoffensive anführen sollte. "Ihr habt die Expertise, die Institutionen und die Überzeugung", sagte Scott. Die Biden-Regierung müsse erst einmal das "zerstörte US-System" wieder aufbauen. Eine Regulierung von Tech-Unternehmen werde da keine Top-Priorität haben. Zumal es in den USA seit Mitte der 90er-Jahre ohnehin eine Art Religion rund um das vermeintlich freie Netz gebe. Sein Heimatland habe sich immer schwergetan mit einem harten Umgang mit der Tech-Industrie. Dabei hätte das Land in anderen Industrien doch gesehen, wie schnell Regulierungen zu Verbesserungen führen könnten. Er sei sich sicher, dass sich Joe Biden einer europäischen Initiative anschließen würde.
Doch wie kann Europa zu einer gemeinsamen Haltung gegenüber den Tech-Unternehmen kommen, wenn etwa Irland von deren Steuergeldern profitiert und andere Länder den laschen Umgang mit Hate Speech als gar nicht so dramatisch ansehen? Vestager versuchte eine klare Antwort zu umschiffen. Es gebe zwar unterschiedliche Ansätze, Europa käme aber unter Berücksichtigung vieler Impulse sicher zu einer abgestimmten Haltung. Schließlich teilten alle Länder dieselben Sorgen.
Ben Scott: Tech-Giganten werden Regeln irgendwann akzeptieren
Große Begeisterungsstürme aufseiten der Tech-Chefs erwartet die Expertenrunde zwar nicht. Wohl aber nachgelagerte Akzeptanz der Regeln. "Die Unternehmen werden sich irgendwann anpassen und neue Wege finden, um noch mehr Geld zu verdienen. Das war doch schon immer so", sagte Ben Scott.
Wenn sich tatsächlich eine schlagkräftige transatlantische Allianz gegenüber Facebook, Google und Co. behaupten könne, dann könne das Internet eines Tages auch wieder zu jenem "Empowerment Tool" für Demokratien werden, das es einmal gewesen sei.
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