Die Klagen von Europas Autobauern wurden erhört. Am Donnerstag sprach sich im EU-Parlament in Straßburg eine Mehrheit dafür aus, den Herstellern mehr Flexibilität einzuräumen, um die gesetzlich festgelegten CO₂-Grenzwerte einzuhalten. Demnach sollen Volkswagen, BMW, Ford, Toyota und Co. drei Jahre Zeit bekommen, um die sogenannten Flottengrenzwerte nicht zu überschreiten, die Anfang des Jahres verschärft wurden. Diese bestimmen, wie viel Kohlendioxid die von einem Hersteller verkauften Neuwagen im Schnitt maximal ausstoßen dürfen. Laut ursprünglicher Regelung drohten den Herstellern schon jetzt Bußgelder in Milliardenhöhe, wenn sie nicht deutlich mehr neue Elektroautos verkaufen.
„In einer Zeit von Werksschließungen, Gewinneinbrüchen und US-Autozöllen wären hohe Geldstrafen für die europäische Automobilindustrie fatal gewesen“, sagte der CDU-Europaabgeordnete Jens Gieseke und sprach von einem „positiven Signal“. Der grüne EU-Parlamentarier Michael Bloss dagegen monierte, dass man nun die Fehler der Vergangenheit wiederhole. „Ständiges Zögern und Zaudern sind der Grund für die Misere der Autoindustrie“, sagte er und verwies auf die chinesische Konkurrenz, die die Europäer in Sachen Elektroauto längst überholt haben. „Statt alles dafür zu tun, dass die E-Mobilität jetzt funktioniert, verschieben wir schon wieder und riskieren, dass unsere Industrie weiter abgehängt wird.“
In Deutschland profitiert vor allem Volkswagen
Formell müssen die 27 Mitgliedstaaten die Entscheidung noch billigen, aber sie hatten am Mittwoch bereits eine Verschiebung unterstützt. In Deutschland profitiert vor allem Volkswagen von der Aufweichung der Regelung, nach der nun erst 2027 Bilanz gezogen wird. Dem Wolfsburger Konzern hätte eine Strafe in Höhe von 1,5 Milliarden Euro gedroht.
CDU-Mann Gieseke gehen die Erleichterungen für den Sektor trotzdem noch nicht weit genug. Tatsächlich ist der Aufschub der strengen Abgasziele für die christdemokratische Europäische Volkspartei (EVP) nur ein Etappensieg, Bloss spricht von einem „ersten Scharmützel“. Die EVP, die mittlerweile alle wichtigen EU-Institutionen beherrscht, will mehr – und sägt am Grünen Deal, dem gigantischen Klimaschutzpaket der EU, mit dem der Kontinent bis 2050 klimaneutral werden will. An diesem Ziel, so heißt es zwar bei der EVP, wolle man nicht rütteln. Doch vorneweg die Grünen fragen sich, wie es erreicht werden soll, wenn nun ein Pfeiler nach dem anderen eingerissen wird. Hinzu kommt, dass Europa noch immer keine Klimaziele bis 2035 und bis 2040 formuliert hat. Es gibt lediglich den Plan, bis 2030 die Emissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.
EU-Abgeordneter Michael Bloss: „Das fossile Imperium schlägt zurück“
Und nach den Flottengrenzwerten steht als nächstes Projekt der Christdemokraten das Aus vom Verbrenner-Aus auf der Agenda. Noch in diesem Jahr soll die EU-Kommission einen Reformvorschlag präsentieren. Und es wird erwartet, dass die Brüsseler Behördenchefin Ursula von der Leyen auf Druck der EVP einlenken wird. Eigentlich sieht das Gesetz vor, dass vom Jahr 2035 an nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden dürfen. Die EVP beharrt aber darauf, nicht nur auf Elektrowagen zu setzen. Es solle einen „technologieneutralen Ansatz“ geben und die „Rolle aller Technologien bei der Erreichung der CO₂-Reduzierung“ anerkannt werden, so der Tenor, also auch synthetische Kraftstoffe, die ähnliche Eigenschaften aufweisen wie Benzin und Diesel.
„Das fossile Imperium schlägt zurück“, sagte Bloss sarkastisch und beklagte einen „Kulturkampf gegen das E-Auto“. Dieses zum Grund allen Übels zu erklären, schade „gerade jenen Unternehmen, die viel in den Umstieg investiert haben und für die er ein Erfolg werden muss“.


Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden