Die verschärften Kontrollen und Zurückweisungen von Asylsuchenden an der deutschen Grenze stoßen beim Uno-Flüchtlingshilfswerk auf deutliche Kritik. „Das macht uns sehr, sehr große Sorgen“, sagt Peter Ruhenstroth-Bauer, Geschäftsführer der Organisation, im Interview mit unserer Redaktion. Deutschland sei seit Jahrzehnten einer der engsten Partner des Flüchtlingshilfswerks und ein wichtiges Aufnahmeland.
Die Dachorganisation UNHCR, das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen, sieht sich sogar veranlasst, die Bundesregierung an die Einhaltung europäischer Regeln zu erinnern. „Die öffentliche Debatte über Flucht und Migration ist in Deutschland in eine Schieflage geraten“, kritisiert Ruhenstroth-Bauer. Demokratische Parteien lieferten sich mit gesichert Rechtsextremen „einen verbalen Wettlauf, wer noch mehr fordern kann, aus Sorge, dass ihnen Wählerinnen und Wähler weglaufen“. Besser wäre es, konkret zu sagen, was passiert. „Die Asylanträge in Deutschland sind im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen“, sagt der Uno-Repräsentant. „Wer hier von Katastrophen spricht, sollte sich erst einmal die Fakten anschauen.“
Grenzkontrollen: Aktuell sind laut BMI 11.000 Bundespolizisten im Einsatz.
Die Bundesregierung hatte die Zurückweisung von Asylsuchenden mit einer Überforderung der deutschen Öffentlichkeit begründet. Zurückweisungen von Ausländern ohne Visum gab es schon vor der Änderung. Allerdings galt das nicht für Menschen, die einen Asylwunsch geäußert hatten. Deren Gesuch wurde entsprechend der EU-Vorgaben im Rahmen des so genannten Dublin-Verfahrens geprüft. Das hat Bundesinnenminister Alexander Dobrindt ausgesetzt.
Aktuell sind laut BMI 11.000 Bundespolizisten an den Grenzen im Einsatz. Ihre Zahl soll auf 14.000 anwachsen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag. Ein personeller Kraftakt, den die Beamten nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der größten deutschen Polizeigewerkschaft, nicht dauerhaft durchhalten könnten. „Klar ist: Die intensiven Kontrollen kann die Polizei nur noch einige Wochen aufrechterhalten“, sagt der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP, Andreas Roßkopf.
Widerspruch kommt vom zweiten großen Polizei-Verband, der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „Ich schätze das komplett anders ein“, sagt der DPolG-Vorsitzende Heiko Teggatz. Er unterstützt die Linie des neuen Innenministers. Schon in der Vergangenheit hatte sich die DPolG für eine härtere Gangart ausgesprochen. Aktuell handele es sich um einen vorübergehenden Einsatz. „Den kann die Bundespolizei stemmen, das hat sie in der Vergangenheit bewiesen.“ Sollte sich der Einsatz allerdings zu einer Alltagssituation wandeln, dann müsse die Politik reagieren. „Dann braucht es mehr Einsatzkräfte“, sagt Teggatz. „Weil aber Beamte mindestens 2,5 Jahre ausgebildet werden müssen, plädiere ich für Tarifbeschäftigte als kurzfristige Lösung.“ Wann dieser Punkt erreicht ist, sei lageabhängig, sagt Teggatz. „Wenn sich in ein paar Wochen herausstellt, dass die Zahlen dauerhaft zurückgehen, kann man die Zahl der Einsatzkräfte auch wieder reduzieren.“

Auch Kanzleramtsminister Thorsten Frei sprach kürzlich davon, dass die Kontrollen „nicht in alle Ewigkeit“ fortgesetzt werden könnten. Im Bundesinnenministerium will man sich vorerst nicht auf eine Dauer festlegen, sagte ein Sprecher am Montag.
Aus der Wissenschaft kommt eine grundsätzliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung
Was die verstärkten Zurückweisungen bringen, ist umstritten. Innerhalb der ersten sieben Tage sind 32 Asylbewerber zurückgewiesen worden. „Ich vermute, dass die Schleuser jetzt erst einmal Pause machen und abwarten, wie lange die verstärkten Kontrollen laufen“, sagt Sven Hüber, stellvertretender GdP-Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei und Zoll. „Wenn an einem Tag 25 bis 28 Asylsuchende an den Grenzen zurückgewiesen werden, dann ist das keine große Sache.“
Aus der Wissenschaft kommt eine grundsätzliche Kritik am Vorgehen der Bundesregierung. „Nationale Alleingänge sind der falsche Weg“, sagt Frank Düvell, Mitherausgeber des „Report Globale Flucht 2025“, der am Montag in Berlin vorgestellt wurde. „Vielmehr sollte die Bundesregierung eine Führungsrolle bei der Wiederbelebung multilateraler Ansätze einnehmen.“ Hinter den verschärften Grenzkontrollen sehen die Autoren des Berichts vor allem eine Abschreckungsmaßnahme. „Einfache und symbolpolitische Maßnahmen, die auf Deutschland und seine Grenzen beschränkt sind,“ seien aber nicht geeignet, um die irreguläre Migration langfristig in den Griff zu bekommen. Stattdessen müssten beispielsweise Herkunfts- und Transitländer sowie Erstaufnahmestaaten bei der Aufnahme und Migration unterstützt werden, fordern die Autorinnen und Autoren des Berichts. Die Debatte müsse „versachlicht“ werden.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden