Wie werden Konflikte gelöst? Ohne die Bereitschaft zu einem konstruktiven Austausch, einem Überdenken der eigenen Positionen geht es nicht. Und genau diese Bereitschaft fehlt im Nahen Osten – seit vielen Jahren. Die Kamerafahrt über Gaza, über ein Meer aus Zerstörung und Ruinen, steht symbolisch für die Hoffnungslosigkeit. Ein Ende des mal mehr, mal weniger heißen Krieges zwischen den Palästinensern und Israel ist nicht in Sicht. Längst wirkt das Gift dieses Dauerkonflikts in Form von Antisemitismus und Hass auf den Islam auch in Ländern, die auf den ersten Blick nicht involviert sind.
Zwangsumsiedlungen als Friedenshoffnung?
Mitten hinein in diese triste Situation platzte der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, die Palästinenser kurzerhand aus Gaza zu vertreiben. Damit nicht genug: Der Küstenstreifen am Mittelmeer, in dem gut zwei Millionen Menschen leben, solle in den „Besitz“ der USA übergehen, erklärte der Republikaner im Beisein des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu in Washington offensichtlich in vollem Ernst. Trump sieht das Potenzial, dass der Landstrich zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ wird. Palästinenser haben in dieser bizarren Vision keinen Platz, sie sollen in arabischen Ländern untergebracht werden.
Ganz so, als seien ethnische Säuberungen ein probates Mittel, um für Frieden zu sorgen. Ganz so auch, als gebe es in der arabischen Welt die Bereitschaft, zwei Millionen Palästinenserinnen und Palästinenser aufzunehmen. Zunächst nannte Trump Jordanien und Ägypten als möglichen neuen Siedlungsraum, später brachte der 78-Jährige – fast so, als wollte er selbst die ganze Abstrusität dieses Szenarios dokumentieren – Indonesien ins Spiel. Dass eine Zwangsumsiedlung nichts anderes als ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht wäre, ist eine Kategorie, die in Trumps Kosmos gar keine Rolle zu spielen scheint. Die Absage arabischen Welt ist einhellig.
Benjamin Netanjahu dürfte es recht sein, dass der abstruse Vorschlag des Präsidenten jener Nation, die der engste Verbündete seines Landes ist, die Schlagzeilen beherrscht. So wird der Blick darauf verstellt, dass die Bilanz des israelischen Krieges gegen die Hamas-Terroristen keinesfalls eine reine Erfolgsgeschichte ist. Die widerlichen Szenen anlässlich der Freilassung von israelischen Geiseln in der vergangenen Woche haben gezeigt, dass die Terrormiliz keinesfalls ausgeschaltet ist. Trotz der so gewaltigen Dimension des israelischen Angriffs auf die Hamas nach dem Massenmord vom 7. Oktober 2023 sind die Kämpfer weiterhin in der Lage, Schaden anzurichten.
Ein Verbot des Palästinenserhilfswerkes ohne Ersatz ist verantwortungslos
Es ist ein völlig falsches Signal Netanjahus, in dieser aufgeheizten Situation das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA zu verbieten. Kritik an der Organisation, der vorgeworfen wird, enge Kontakte mit der Hamas zu unterhalten, ist angemessen. Doch der UNRWA die Arbeitsgrundlage zu entziehen, ohne für Ersatz zu sorgen, ist verantwortungslos und auch aus taktischer Sicht falsch. Denn mit dieser Anordnung lenkt Netanjahu auch den Blick darauf, dass die mit rechtsextremen Politikern durchsetzte israelische Regierung es versäumt hat, dem Völkerrecht entsprechend die Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza zu sichern. Wer zudem auch noch laut darüber nachdenkt, die Zentrale der UNRWA zu einer Heimstatt für israelische Siedler umzuwidmen, der zementiert den Hass.
Zum Verzweifeln ist, dass die eigenen Führer den Palästinensern vorgaukeln, dass Israel eines Tages verschwinden wird, wenn es noch fanatischer bekämpft wird. Aus dieser Lebenslüge erwachsen seit Generationen Leid und Krieg.
Wo sind die Politiker, die die Spirale von Gewalt und Gegengewalt stoppen?
Wo sind die Politiker, die die Kraft haben, die Spirale von Gewalt und Gegengewalt zu stoppen? Sie sind nicht in Sicht. Weder in Jerusalem noch in den USA und schon gar nicht in Gaza. Solange das so bleibt, kann es nur eine Politik der kleinen Schritte geben. Doch die Umsiedlungsfantasien, die Trump am Rande seines Treffens mit Netanjahu äußerte, lassen darauf nicht hoffen. Im Gegenteil: Sie sind geeignet, zunächst für Verwirrung und dann für neue Gewalt zu sorgen.
Die Sache ist ganz einfach - wie Deutschland 1945 bedingungslose Kapitulation und nicht dummes Theater mit maskierten Männern, grünen Bändern und Kalaschnikovs.
Währendessen terrorisieren rechtsextreme Siedler die Palästinenser im Westjordanland und die israelische Armee sieht dabei zu.
Genauso ist es – palästinensische Bauern werden an ihrer Arbeit gehindert und von Siedlern terrorisiert. Auch hier hat die Vertreibung längst begonnen. Man muss fürchten, was Trump zum Westjordanland einfallen wird. Wie gesagt, ich zähle die Tage, bis dieser Präsident aus dem Amt verschwindet. Es wird dann viele Sscherben aufzusammeln geben. Ich befürchte in nächster Zeit wieder mehr Terror und Gewalt gegen alle Verbündeten der USA. Dafür können wir uns bei Trump herzlich bedanken.
Ich denke nicht dass Trump das was ihm Netanjahu vorschlägt mit macht.. ich denke dass er den Palästinensern genauso einen Teil im Gazastreifen einräumt..
So ist das. Die Welt schaut seit Jahrzehnten zu. Die ebenfalls seit Jahrzehnten diskutierte 2-Länder-Regelung scheint heute unerreichbar. Dann wird ein zumindest nachdenkenswerter Vorschlag gemacht - aber das Nachdenken schenkt man sich weil der Vorschlag von den USA kommt. Ohne daß ich alles abgewogen habe - Realisierung unwahrscheinlich. Ich frage mich, was würde ich machen wenn ich ein Bewohner irgendwo im Gaza-Streifen wäre. Warten bis mich Israel vernichtet oder auswandern?
Herr Boeldt, wenn Sie im Gazastreifen wohnen, KÖNNEN Sie nicht einfach auswandern. Es gibt keine Reisefreiheit aus dem Gaza. Für die Ausreise bestehen hohe bürokratische Hürden. Und es gibt wahrscheinlich kein Land, das sie aufnimmt. Die Initiative Israelis jetzt zielt darauf, Palästinenser leichter ausreisen zu lassen, um das Land in die Hand zu bekommen. Wie die Menschen wegkommen und wohin sie gehen können – nun, das können Sie ja selbst abwägen.
So schlecht und abwegig ist dieae Idee nicht! Bei einer Zwei-Staaten-Lösung wäre der - schon vor dem Krieg gegen die Hamas - größte Schutt- und Betonhaufen der gesamten Region eine abgehängte Enklave, ohne Verbindung zu dem palästinensischen Staat im Westjordanland. Im Gazastreifen gibt es so gut wie keine Lanwirtschaft, keine Fabriken oder sonstige Arbeitsplätze. Gab es noch nie. Alle Lebensmittel und sonstigen Versorgungsgüter ( von Benzin bis zu Baumaterialien, Elektrogeräte, Autoreifen, Krankenhausbetten und Turnschuhe undundund) , alles muß eingeführt werden. Auch bei einer Zwei-Staaten-Lösung wäre die abgehängte Enklave immer Zankapfel und wiederkehrender Grund für Missverständnisse und Agressionen. Am Gazastreifen festhalten wollen nur die Terroristen von Hamas und Hisbollah. Nur in der Enklave können von der Hamas Nachwuchs-Terroristen und Selbstmordattentäter herangezüchtet werden. Der Vorschlag sollte nicht einfach als "Hirngespinst" abgetan werden.
Frau Tkacuk, hier ein Vorschlag, der viele Probleme lösen würde: Wir siedeln die Ukrainer um – sie können in ein Land ihrer Wahl gehen oder sich irgendwo ein Stück Land geben lassen, wo man gut und sicher leben kann. Denn Putin wird seine Finger nach der Ukraine immer ausstrecken, egal was Trump mit ihm für einen Deal macht. Dann kann Putin sich in der Ukraine breitmachen oder es an Trump verhöckern. Wir würden uns viel Geld für Kriegsgerät und Bürgergeld sparen, es müssten keine Soldaten mehr sterben, es würde keine Stadt mehr zerstört – Putin wäre eine Zeitlang mit Aufräumen beschäftigt und die Ukrainer wären in Sicherheit. Vielleicht wird Trump das sogar vorschlagen … in diesem Fall freue ich mich jetzt schon über Ihren Kommentar.
Ach ja, dass der Gazastreifen "der größte Schutt- und Betonhaufen der gesamten Region" ist, das haben nicht die 2 Mio Menschen angerichtet, die dort leben. Das haben die israelischen Bomben angerichtet. Dabei fühlt sich Israel in keinster Weise zu humanitärer Hilfe verpflichtet. Ist Ihnen klar, warum im Gaza nichts entstehen kann – keine Arbeitsplätze, keine Industrie? Weil sich die Israelis zwar 2005 aus dem Gaza zurückgezogen haben, das Land aber am langen Arm verhungern lassen. Israel kontrolliert das Mittelmeer, die Landesgrenze ist durch einen Sperrzaun abgeriegelt. Israel kontrolliert die Übergänge, die Palästinenser haben keinerlei Reisefreiheit. Der Gaza ist komplett von Israel abhängig. Die Hamas regiert extrem autoritär und mit harter Hand. Das können Sie gerne nachlesen, das ist keine Erfindung von mir. Und Trump wird mit seinen Plänen das Gegenteil erreichen – mehr Unruhe, mehr Terror, mehr Krieg.
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