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Nach Bundestagswahl: AfD-Erfolg macht vielen Menschen Angst

Bundestagswahl 2025

Der AfD-Erfolg macht vielen Menschen Angst

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    Die wiedergewählten Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla.
    Die wiedergewählten Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Sie hat ihr Ergebnis verdoppelt und wird stärkste Oppositionspartei im neuen Bundestag: Die AfD besteht darauf, dass sich ihr wachsender Rückhalt in der Gesellschaft auch in einem wachsenden politischen Einfluss widerspiegelt. Die in Teilen rechtsextreme Partei meldet Anspruch auf wichtige Posten an. Sie will künftig Vorsitze von Bundestagsausschüssen besetzen und reklamiert einen Vizepräsidentenposten im Bundestag für sich. Das weckt bei vielen Menschen Ängste.

    Erschüttert zeigt sich im Interview mit unserer Redaktion beispielsweise Marcel Reif, Sportmoderator und Sohn eines Holocaust-Überlebenden. „Die Grenzen sind verschoben“, sagt er. „Das ist so absurd. Mein Vater muss im Grab rotieren.“ Es sei ein Tabubruch, dass „ein Fünftel der Menschen glaubt, dass eine in Teilen gesichert neonazistische, faschistische und rassistische Partei die Antwort auf alle Fragen geben kann“.

    Ist die AfD eine Volkspartei?

    AfD-Chefin Alice Weidel hat bereits angekündigt, dass ihre Fraktion im nächsten Bundestag noch dominanter auftreten will. Seit ihrem Einzug ins Parlament 2017 war sie als einzige Fraktion bislang nicht im Präsidium des Bundestags vertreten. Sämtliche Kandidaten verfehlten die erforderliche Mehrheit. Doch nun sehen die beiden Fraktionschefs Alice Weidel und Tino Chrupalla die AfD angekommen in der Riege der Volksparteien. Das wird von Experten zumindest eingeschränkt. „Ja, die AfD ist auf dem Weg zur Volkspartei, aber nur zu einer regionalen Volkspartei im Osten“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Muno (Universität Rostock). Die SPD könne in Hamburg dominieren, die CSU in Bayern und die AfD in Ostdeutschland. Die Wählerlandschaft zersplittere zunehmend, insgesamt aber, so sein Befund, verliere die politische Mitte an Rückhalt.

    Der AfD gelang es, bei dieser Wahl Zugewinne in allen Bevölkerungsgruppen für sich zu verbuchen, das zeigt die Analyse des Meinungsforschungsinstitutes Infratest dimap: „Abermals ragte der AfD-Rückhalt bei den Arbeitern und wirtschaftlich Unzufriedenen heraus.“ Doch auch bei Angestellten und Selbstständigen sei sie inzwischen zweitstärkste Kraft. Und: Gewachsen sei gegenüber 2021 mit 54 Prozent auch der Anteil jener AfD-Wähler, die der Partei in erster Linie aus Überzeugung statt aus Protest ihre Stimme gaben.

    Ist das Thema Migration der Schlüssel?

    Für Marcel Reif liegt der Schlüssel für die anderen Parteien vor allem in einer entschlosseneren Migrationspolitik. Flüchtlinge, die straffällig geworden seien, hätten das Recht auf Hilfestellung verwirkt, findet der 75-Jährige. „Der Staat muss wieder dahinkommen, dass er die Kontrolle zurückgewinnt“, sagt Reif. „Gelingt dies nicht, öffnet das die Wege und die Schleusen für die AfD und deren Wähler, die denen aufs Glatteis laufen.“

    Auch von Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, kommt ein Appell: „Die Verantwortung für die demokratischen Parteien war nie größer“, sagt sie. „Es geht jetzt um alles: um unsere Demokratie.“

    Die Hoffnung der AfD ist, bei der nächsten Bundestagswahl sogar zur stärksten Kraft zu werden. Dafür müsste sie die Ergebnisse im Westen an die im Osten angleichen. Politikwissenschaftler Muno hält das für zumindest unwahrscheinlich. „Im Westen liegt die AfD nur in Rheinland-Pfalz und im Saarland über 20 Prozent“, sagt er, „nur in Gelsenkirchen und in Kaiserslautern ist sie wohl stärkste Partei geworden, was aber auch einer eklatanten Schwäche von CDU und SPD zuzuschreiben ist, mit den unbeliebtesten Kandidaten seit Langem.“ Bei vielen Wahlen habe die AfD in den letzten Jahren sogar verloren, in Schleswig-Holstein sei sie sogar aus dem Landtag geflogen. „Es ist kein Naturgesetz, dass die AfD immer zulegen und gewinnen wird“, sagt er.

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    7 Kommentare
    Walter Koenig

    Warum ist die AfD denn so stark geworden? Nicht zuletzt deshalb, weil Leute wie Söder, Merz oder Aiwanger deren Formulierungen übernommen haben. Ich bezweifle, dass es jetzt zu einer grundlegenden Veränderung kommen wird, denn eines der wichtigsten Themen scheint für CDU und CSU ja zu sein, das gerade geänderte Wahlrecht wieder zu ändern. Statt daran zu arbeiten, der AfD ihre "Argumente" zu nehmen, scheint es wichtiger, erst einmal Parteiinteressen zu befriedigen. Und dann wundert man sich über das weitere erstarken der AfD? Von einer "Volkspartei" sind CDU und CSU weiter entfernt als je zuvor, denn die eigentlichen Sorgen und Probleme des Volks kennen sie offensichtlich nicht oder die gehen ihnen an einem unteren Körperteil vorbei. Dass es genau das Verhalten ist, welches die Wähler für die haltlosen Versprechungen der AfD empfänglich macht, wird einfach ignoriert. Weidel und Co brauchen nur noch eine Legislatur aussitzen, dann sind sie am Ziel.

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    Franz Xanter

    Nein, man hat nicht einfach etwas übernommen. Das Problem ist doch, dass viel zu lange die Realität und deren notwendige Änderungen einfach ausgeblendet wurden. Dass man einfach glaubte, es geht bzw. muss immer so weiter gehen. Blickt man heute auf DEU bzw. die EU, so muss man feststellen, dass weder Effektivität, Geschlossenheit noch innerer Frieden gegeben ist. In DEU gilt gleiches. Größer werdende Teile der Bevölkerung begehren auf, denn so ein DEU möchte man nicht mehr. Änderungen müssen her und dies nicht erst seit gestern. Die Ansicht von Fr. Merkel mit "wir schaffen das" war und ist verkehrt und hat DEU nur geschadet. Da sich deutsche Bürger nicht mehr vertreten fühlt, begehrt er auf. War absehbar. Und folgen jetzt keine politischen Änderungen so wird der Anteil der AfD weiter steigen.

    Maria Reichenauer

    Herr Xanter, Sie sprechen von Änderungen, die die AfD für richtig findet. Ein hoher Prozentsatz der Wähler findet Änderungen, die die AfD will, nicht gut und ist auf deren Lügen und Behauptungen nicht hereingefallen. Frau Weidel schneidet im Faktencheck nicht besonders gut ab. Denn ein Deutschland, in der die AfD das Sagen hat, wäre tatsächlich ein trauriges Deutschland. Und ein Deutschland, das Sie zeichnen, ist vielleicht in Ihrer Sicht der Dinge so. Aber auch hier ist es so, dass viele Menschen das anders sehen. Die AfD schürt Unzufriedenheit und Ängste, um erfolgreich zu sein. Das ist perfide. Damit kann sie Menschen beeindrucken, die gutgläubig und pessimistisch sind – Gott sei Dank ist dies noch nicht die Mehrheit. Und ich hoffe, dass dies zu meinen Lebzeiten so bleiben wird.

    Franz Xanter

    Frau Reichenauer, lesen und verstehen. In keiner Weise spreche ich von Änderungen zu Gunsten der AfD. Ich kommentiere die Versäumnisse der Parteien, der Politik in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten. Das Fehl jeglicher Optimierung, das Fehl von notwendigen Korrekturen, das Fehl von gesellschaftlichen Änderungen durch die Politik usw. Dass die AfD diese fehlenden Maßnahmen nun bildlich mit dem Finger in der Wunde aufzeigt und große Teile der Bevölkerung genau dies auch bestätigt sehen, das ist doch das Versäumnis der Politik. Die wenigsten dürften einem Statement der AfD zusprechen nur ist sie derzeit die scheinbar einzige Partei, welche die Probleme konsequent mit möglichen Lösungen anspricht. Ob zutreffend oder nicht, den Wähler scheint nur zu interessieren, dass es eine Partei gibt, welche ihre Probleme und Befürchtungen mit möglichen Maßnahmen anspricht. Bleibt als Resümee: Versagen der etablierten Parteien in der Vergangenheit, denn sonst hätten wir solche Zustände nicht-

    Maria Reichenauer

    Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen, Herr Xanter. Sie möchten, dass das, was die AfD will und fordert, jetzt von Merz umgesetzt wird. Wenn Sie nicht missverstanden werden wollen, dann konkretisieren Sie Ihre Wünsche. Aber Sie bleiben lieber im Allgemeinen, damit man Sie nicht in AfD-Nähe bringt, auch wenn diese Partei keine Lösungen hat, sondern nur Pseudolösungen anbietet, die Fakten verdreht und in den Menschen Unzufriedenheit schürt. Denn eine gespaltene Gesellschaft ist leichter in den Griff zu bekommen. Ein Fünftel der Wähler – wenn Sie damit einen Großteil der Wähler meinen, sollten wir uns das auf einem Tortendiagramm grafisch ansehen – hat sich für die AfD ausgesprochen, weil jedem irgendwas anderes nicht passt. Aber die Politik ist keine eierlegende Wollmilchsau, die für jeden das richtige Leckerli bereit hält. Es gilt Lösungen zu finden, die für alle akzeptabel sind, nicht nur für einen kleinen erzkonservativen Kreis.

    Maria Reichenauer

    Nein, die AfD ist keine Volkspartei – das Prädikat "völkisch" würde besser passen. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Den AfD-Erfolg allein an der Migration festzumachen, ist mir zu einfach. Die AfD versteht es, Urängste und Verlustängste in vielen Menschen wachzukitzeln. Die etablierten Parteien täten gut daran, dieser Partei nicht ständig nach dem Mund zu reden, sondern zu zeigen, dass sie eigene und bessere Methoden haben als Hetze, Neiddebtten und das Schüren von Unzufriedenheit und Angst. Ein wenig Optimismus dürfe es schon sein für die Deutschen angesichts der dramatischen Situation in vielen anderen Ländern. Ein wenig Dankbarkeit, dass es keinem in diesem Land extrem schlecht gehen muss, könnte man sich auch mal aus den Rippen schneiden. Und ein wenig mehr Leistungsbereitschaft statt ständiger Work-Life-Balance-Debatte und demonstrativem Egoismus täte unserer Wirtschaft auch gut.

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    Inge Brenner

    Karl Brenner Genau so wie in Ihrem schönen Kommentar sehe ich es auch, Frau Reichenauer. Ich darf hinzufügen, dass man die AfD nicht immer nur in die faschistische Ecke stellen sollte, sondern im Bundestag und in den Medien klar und hart aufzeigen sollte, dass sie mit ihrer Politik unserem Land massiv schaden würde, hätte sie denn etwas zu sagen.

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