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Wadephul in Jerusalem: Wie geht Deutschland künftig mit Israel um?

Naher Osten

Zwischen Staatsräson und großem Entfremden

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    Außenminister Johann Wadephul (CDU) besuchte die Gedenkstätte Yad Vashem. Wadephul war zu seinem zweitägigen Antrittsbesuch in Israel und besuchte auch die Palästinensischen Gebiete.
    Außenminister Johann Wadephul (CDU) besuchte die Gedenkstätte Yad Vashem. Wadephul war zu seinem zweitägigen Antrittsbesuch in Israel und besuchte auch die Palästinensischen Gebiete. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Die zwei Daten, die in diesen Tagen zusammenfallen, könnten symbolträchtiger nicht sein: 80 Jahre ist es her, dass der Holocaust an den Juden durch die alliierten Truppen beendet wurde – ein Menschheitsverbrechen, ausgeführt von Deutschen. Doch da ist auch noch ein anderes Datum: 60 Jahre ist es her, dass Deutschland und der damals noch junge Staat Israel ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufgenommen haben. Dass der neue deutsche Außenminister eine seiner ersten Auslandsreisen an diesem Wochenende nach Israel unternommen hat, ist daher als klares Bekenntnis zu dieser aus dem Schmerz geborenen Partnerschaft zu sehen. Doch in das Verhältnis der beiden Staaten mischen sich zunehmend kritische Zwischentöne.

    Es sei bleibende Verantwortung, das Bewusstsein für dieses von Deutschland begangene unermessliche Unrecht „aufrechtzuerhalten, der Opfer zu gedenken, die Überlebenden zu würdigen und entsprechend der Lehren aus dem Menschheitsverbrechen der Shoah zu handeln“, sagte Johann Wadephul in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Der CDU-Politiker rief dazu auf, „gemeinsam gegen Antisemitismus aufzustehen und auf der Basis der unteilbaren Menschlichkeit die Zukunft zu gestalten“.

    Deutsche blicken immer kritischer auf Israel

    Wadephul zeigte sich erschüttert, nachdem er in der Halle der Erinnerung die Ewige Flamme entzündet und im Gedenken an die von Nazi-Deutschland ermordeten sechs Millionen Jüdinnen und Juden einen Kranz niedergelegt hatte. „Mit Entsetzen und mit Scham stehe ich hier als Außenminister Deutschlands“, sagte der Minister. „Dieser Ort führt uns Deutschen immer wieder vor Augen: Die Monstrosität der Shoah wurde in deutscher Sprache befohlen, von Deutschen geplant, von Deutschen ausgeführt.“

    Doch so eng die politischen Bande sind, so staatstragend die offiziellen Worte – gesellschaftlich ist die Verbindung beider Länder komplizierter, wie nun auch eine neue Bertelsmann-Studie zeigt. Deren Resümee: Die gegenseitigen Wahrnehmungen driften auseinander. Zwar haben 60 Prozent der Israelis ein gutes oder sehr gutes Bild von der Bundesrepublik. In Deutschland hingegen äußern aber nur noch 36 Prozent der Befragten eine positive Meinung über Israel, während 38 Prozent Israel negativ bewerten – das sei, so die Studienautoren, ein spürbarer Stimmungswandel im Vergleich zur letzten Erhebung 2021, als noch 46 Prozent Israel positiv gegenüberstanden.

    Antisemitismus in Deutschland wächst

    Die Bertelsmann-Umfrage verdeutlicht zudem: 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unterscheidet sich auch das Verständnis für die historische Verantwortung Deutschlands deutlich. In Israel sehen 64 Prozent der Befragten Deutschland in einer besonderen Verantwortung – sowohl für das jüdische Volk als auch für den Staat Israel. In Deutschland hingegen stimmen nur rund ein Drittel einer Verantwortung für das jüdische Volk zu, lediglich ein Viertel erkennt eine besondere Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel an.

    Mehr noch: Der klassische Antisemitismus, gemessen an der Zustimmung zur Aussage „Juden haben auf der Welt zu viel Einfluss“, erreicht den Studien-Autoren zufolge mit 27 Prozent den höchsten Wert seit Jahren. Auffällig sei vor allem der Anstieg unter jungen Männern unter 40 Jahren, bei denen die Zustimmung bei 36 Prozent liegt. Der israelbezogene Antisemitismus habe ebenfalls deutlich zugenommen: So bejahen 29 Prozent der Befragten, dass ihnen durch die israelische Politik die Juden immer unsympathischer würden (2021: 21 Prozent).

    „Wir beobachten auf beiden Seiten gesellschaftliche Trends, die zu mehr Distanz führen könnten“, sagt Stephan Vopel, Israel-Experte der Bertelsmann Stiftung. In Israel wachse der Anteil religiöser Nationalisten und ultraorthodoxer Gruppen, die weniger an einer Partnerschaft mit Deutschland und Europa interessiert seien. Und auch in Deutschland verändere sich die Gesellschaft: „Sie wird kulturell vielfältiger, der Bezug zur Geschichte differenzierter. Das hat Auswirkungen auf das Verständnis historischer Verantwortung.“

    Kritik am Vorgehen Israels im Gazastreifen

    Wie komplex die Lage da für einen Außenminister ist, erfuhr auch Wadephul bei seiner Reise. Denn er besuchte nicht nur Yad Vashem, sondern sprach auch mit der israelischen Regierung und besuchte das Westjordanland. „Mit Blick auf die humanitäre Lage in Gaza stellen sich uns ernsthafte Fragen“, heißt es gegenüber unserer Redaktion aus dem Auswärtigen Amt. „Die Bundesregierung ist überzeugt, dass derartige Fragen im Dialog mit der israelischen Regierung beantwortet werden müssen.“ Und den suchte der Neu-Minister. Er rief die israelische Regierung eindringlich auf, wieder in ernsthafte Verhandlungen über einen Waffenstillstand mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen einzusteigen.

    Ein Waffenstillstand müsse zudem den Weg für die dauerhafte Versorgung der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen ebnen – es ist eines der größten internationalen Streitthemen. In Gaza verschärft sich die Not zunehmend, es kommt seit 70 Tagen keine humanitäre Hilfe mehr an – auch, weil Israel befürchtet, dass die Terrororganisation Hamas die Hilfslieferungen für eigene Zwecke missbraucht. (mit dpa)

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    1 Kommentar
    Marianne Böhm

    Israel trägt an den Zuständen im nahen Osten auch eine Mitschuld.. Ob Israel oder Hamas dieses Töten ist unmenschlich und gehört bestraft. Über 50 tausend tote Menschen, davon 20 tausend tote Palästinensische Kinder ist ein Verbrechen an einem Volk. Aushungern, Dursten lassen. Und die Welt schaut zu, bekundet jeden Tag ihre Solidarität und das Existenzrecht Israels, ein Recht das egal wo auf der Welt jeden Menschen und jedem Land zusteht. Dieser Krieg widerspricht meinem Glauben, meiner Verantwortung und meinem Mensch sein.. vor allen weil ich als Deutsche an solchen Denken, Tun auch gemessen werde.. !

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