Da sitzen wir, jeder für sich – und doch zusammen. Vor mir: dampfende Karotten-Ingwer-Suppe. Mein Mann hat sich für gegrillten Lachs mit Salat entschieden, die Kinder picken zufrieden Pommes vom Teller. Die Vierjährige zählt Ketchup-Punkte. Ihr kleiner Bruder schaut ihr zu, als wäre es das Spannendste, was dieser Tag noch bereithält. Draußen: Schnee auf den Radstädter Tauern. Drinnen: Holz, Stoff, gedämpftes Licht. Und erstaunliche Ruhe. Es ist einer dieser raren Momente im Familienurlaub, in denen niemand weint oder etwas sucht, was vor fünf Minuten noch da war. Kein Streit, keine Eile, kein „Was machen wir jetzt?“ Jeder bekommt, was er braucht. Zumindest für diesen Moment.
Und das ausgerechnet hier – in einem Kinderhotel. Jener Kategorie also, die man gemeinhin mit Animateur-Mikros, Bastelstationen im Stundentakt und dem Versprechen auf „Spaß für die ganze Familie“ verbindet – was in der Realität meist heißt: Dauerbespaßung für die Kinder.

In vielen Kinderhotels ist die Rollenverteilung klar: Das Programm richtet sich zuerst an die Kinder, dann an die Babys, dann an die Teenager – und irgendwo dazwischen sollen sich die Eltern erholen. Zwar versprechen große Weinkarten und schicke Erwachsenen-Spas Entspannung, doch oft bleibt das Gefühl, Urlaub auf einem Kinderspielplatz zu machen. Immerhin einem sehr komfortablen, in landschaftlich reizvoller Kulisse.

„Familien-Detox light“: Eine Einladung, langsamer zu werden
Das Hotel Kesselgrub in Altenmarkt-Zauchensee, am Fuße der Radstädter Tauern, geht einen anderen Weg. Es bleibt ein Kinderhotel, ja – das steht gleich oben auf der Website. Aber mit einem neuen, leisen Konzept: „Familien-Detox light“, nennen sie es hier. Kein digitales Fastenlager, kein schweigendes Yoga-Retreat. Sondern eine Einladung, langsamer zu werden – mit Kindern, nicht trotz ihnen.
Geführt wird das Haus von Andrea Thurner, Gastgeberin in dritter Generation. Wo heute 70 Zimmer und Suiten mit viel Holz, warmen Farben und einer einladenden Atmosphäre locken, war früher Landwirtschaft. Ein Schwarz-Weiß-Foto gegenüber der Rezeption zeigt, wie beschaulich alles begonnen hat. Nach einer umfassenden Renovierung wurde das Kesselgrub vor einem Jahr wiedereröffnet – heller, luftiger, entschleunigter. Man spürt beides: die Geschichte und den frischen Wind. „Ein Hotel muss sich immer wieder neu erfinden“, sagt Thurner. „Gerade wenn es um Familien geht. Der Trend geht ganz klar in Richtung Spezialisierung.“
„Familien-Detox light“: Nichts muss, vieles darf
Die Hotelchefin kennt die Herausforderungen des Alltags, erlebt das bei vielen, die hier anreisen. Ein lautes „Zuviel“: zu viele Termine, zu viel Bildschirmzeit, zu viel Zucker, zu viel Lärm. Thurner spricht nicht von einem Versprechen, sondern von einem Angebot. Die vierfache Mutter weiß, wie Familienurlaub oft endet: mit noch mehr Erschöpfung als vorher. „Wir wollten einen Ort schaffen, an dem nichts muss und vieles darf“, sagt sie. Klingt wie ein Satz aus einem Prospekt – und doch: Es ist etwas dran.
Anders als in vielen anderen Kinderhotels wirkt hier nichts nach animiertem Ausnahmezustand. Es gibt Kinderpools, Spielplätze und Ponyreiten – aber ohne Kitsch und ohne festen Takt. Unsere Tochter verliert sich stundenlang im Streichelzoo. Später reitet sie auf Romy, einem braunen Pferd mit zotteliger Mähne. Unter dem Helm blitzen ihre Augen vor Aufregung und Freude. Sie flüstert dem Tier etwas zu, als würde sie ein großes Geheimnis teilen, bevor es losgeht. Schritt für Schritt. Danach striegelt sie Romy, ganz stolz. Keine Animation, kein Timer. Ein Kind, ein Tier – und eine Zeit, die sich nicht messen lässt.

Wandern ohne Ziel, Spielen ohne Taktung
Auch wir verlangsamen uns – gemeinsam mit den Kindern. Direkt hinter dem Haus beginnen Spazierwege, am Bach entlang, über kleine Brücken Richtung Wald. Wir wandern ohne Ziel, sammeln Stöcke, klettern auf Baumstümpfe. Niemand fragt, was als Nächstes kommt.
Zurück im Hotel erwartet uns ein Kids Club, der wirkt wie ein großes, buntes Wohnzimmer voller Spielsachen. Holzeisenbahnen, Bauecken, Basteltische. Unsere Tochter bastelt eine Fuchsmaske und erzählt Corinna, der Betreuerin, wie gut sie tauchen kann, wie oft sie heute im Schwimmbad nebenan schon gerutscht ist. Unser Sohn sitzt auf dem Teppich, fährt ein Feuerwehrauto in endlosen Kreisen. Die Betreuerinnen sind da, aber nicht laut. Sie moderieren nicht, sie begleiten.

Und wir? Wir dürfen kurz verschwinden. Nicht weit – nur vier Stockwerke höher, ins Spa. Vorbei an der Rezeption, mit dem Lift nach oben, wo die Bademäntel schon bereitliegen. Aber weit genug, um zu merken: Da ist wieder Raum. Für Gedanken. Für leise Gespräche ohne Unterbrechungen. Sogar für einen gemeinsamen Saunagang.
Luxus für die Eltern: Stille und Raum
Es ist ein Ort nur für Erwachsene. Ein Raum, in dem niemand „Mama“ sagt. Für viele Eltern hier ist das der eigentliche Luxus. Zweimal in der Woche gibt es im Kesselgrub sogar eine „Ausschlafzeit“: Kinderbetreuung ab 7.30 Uhr, direkt von der Hotelzimmertür abgeholt. Wir nehmen das Angebot nicht wahr, müssen darüber nicht einmal nachdenken – denn unsere Kinder schlafen ausnahmsweise selbst lange. Der noch größere Luxus.
Wer nicht gleich ganz abtauchen will, sondern mit den Kindern zusammen entspannen möchte, findet die Möglichkeit dazu im Familienspa im Untergeschoss, hinter einer Tür direkt neben den Pools und Rutschen. Die Kinder lachen und planschen, bevor wir uns in den ruhigeren Bereich zurückziehen. Dort warten gemütliche Liegen, sanfte Beleuchtung – und eine Familiensauna. Ein Ort, an dem Kinder willkommen sind, ohne dass sie sich verstellen müssen. Und Erwachsene tief durchatmen können, ohne „Shhht“-Reflex.
Unsere Tochter zieht den Mini-Bademantel enger um sich, setzt sich auf eine der Liegen und flüstert: „Ich entspanne jetzt.“ Ihr kleiner Bruder läuft mit nackten Füßen über den warmen Boden, bleibt kurz stehen, kichert – und wird von einer anderen Mutter angelächelt. In der Sauna sitzen wir nebeneinander, Schultern an Schultern, die Kinder beobachten die Tropfen an der Scheibe. Es ist nicht still – aber es ist friedlich. Und das reicht.
Familien-Detox im Hotel Kesselgrub: Balance statt Verzicht
Beim Abendessen geht das Konzept Kinderhotel voll auf: An unserem Tisch steht ein Hochstuhl bereit, liegt Kinderbesteck, es gibt Lätzchen und, wichtigstes Accessoire überhaupt für Kleinkindeltern: Malsachen. Für die Allerkleinsten gibt es eine Breibar, sonst versucht die Küche einen Spagat zwischen gesund und geliebt. Es gibt Karotten-Ingwer-Suppe mit Kokos, Rote-Bete-Creme mit Apfel, gegrillte Aubergine mit Hummus. Aber auch: Pasta mit Tomatensauce, Pfannkuchen, Pommes. Detox, ja – aber „light“. Wer gesund essen will, kann das tun. Wer sich zwischendurch für Kaiserschmarrn entscheidet, bekommt auch den. An diesem Abend wähle ich die „sanft entgiftende Gemüsebrühe“, etwas Salat, etwas Obst – und vermisse nichts. Auch nicht, komplizierte Extrawünsche meiner Kinder an einen Kellner weitergeben zu müssen.

Natürlich braucht es eine gewisse Bereitschaft. Und Selbstdisziplin, wenn man zur Salatbar schreitet und dabei an frittierten Kartoffeln und Lasagne vorbei muss. Unsere Tochter fragt nach Eis. Jeden Abend. Ich reiche ihr die Streusel. Währenddessen tropft das Vanilleeis ihres kleinen Bruders. Ich schlecke aus Reflex unter dem vorwurfsvollen Blick meines Sohnes. Detox? Vielleicht nicht im klassischen Sinn. Vielleicht geht es eher um Balance – und darum, nicht aus allem ein Projekt zu machen.
Am Abend dann, nach einem Tag in der Natur, im Schwimmbad, im Spa: Familienzeit. Wir liegen im Bett, lesen Geschichten, hören den Kindern zu. Kein Scrollen, kein „Ich müsste noch schnell…“. Es ist, als hätte jemand den Lärm runtergedreht, ohne dass wir darum gebeten hätten. Niemand muss daran denken, was es morgen zu essen gibt oder wie die Kleinen in den Kindergarten kommen, wenn man selbst einen Arzttermin hat. Alltagspausen wie diese sind selten – und deshalb so kostbar.

Wenn die Kinder schlafen, beginnt meine Zeit. Während wir zuvor im Familienbereich stundenlang gerutscht sind – „nochmal! nochmal!“ – tauche ich nun ab in eine Welt aus Holz, Zirbe und warmem Wasser. Im Spa nur für Erwachsene herrscht eine Stille, die man fast vergisst, wenn man mit kleinen Kindern lebt. Die Bio-Sauna riecht nach Kräutern, im Ruheraum liegt der Blick offen auf die Berge. Viele Eltern haben die Augen geschlossen. „Er ist wach geworden“, flüstert eine junge Frau ihrer Begleiterin zu, bevor sie im Bademantel verschwindet. Ich bleibe sitzen. Und denke: Mehr braucht es nicht.

Familienurlaub im Hotel Kesselgrub: Und was bleibt?
Irgendwann bleibt auch das Handy einfach in der Tasche. Nicht aus Prinzip, einfach so. Vielleicht ist das die eigentliche Stärke von „Familien-Detox light“: Es funktioniert, ohne dass man es merkt. Kein System, keine Anleitung. Nur ein Rahmen, in dem Dinge wieder möglich werden. Was bleibt? Außer einem Hauch mehr Ruhe? Vielleicht nichts, was man einpacken kann. Nur die Fuchsmaske. Und vielleicht ist das genug: Die Erinnerung, dass Urlaub mit Kindern möglich ist – ohne Taktung, ohne Ziehen, ohne Zuviel. Dass Entspannung manchmal nicht mehr braucht als einen Tisch, an dem niemand etwas sucht.
Die Autorin recherchierte auf Einladung des Hotels.
Kurz informiert
Anreise Altenmarkt-Zauchensee liegt zentral mitten im Salzburger Land und ist gut zu erreichen über die Tauernautobahn (A10). Wer mit der Bahn anreist, kann auf einen kostenfreien Transfer des Hotels von und zum Bahnhof Eben/Altenmarkt/Radstadt zurückgreifen.
Region Die Region in und rund um Altenmarkt-Zauchensee hat einiges zu bieten: Wanderurlaub im Frühling, Almsommer und Bauernherbst in Salzburg.
Preis Eine Übernachtung im Familienzimmer inklusive Halbpension gibt es im Hotel Kesselgrub ab 152 Euro pro Person.
Kontakt Hotel Kesselgrub, Lackengasse 1, 5541 Salzburg Altenmarkt im Pongau, Österreich. www.kesselgrub.at
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