Die Richtung ist klar
Gladbachs Trainer Lucien Favre hat das Kellerkind der vergangenen Saison in die Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga geführt. Eine Erfolgsgeschichte
Vom Wunder ist die Rede, von der Überraschungsmannschaft und gar von der Meisterprüfung. Borussia Mönchengladbach, zur Halbzeit der vergangenen Saison in der Tabelle mit desaströsen zehn Punkten weit abgeschlagen und scheinbar sicherer Absteiger, hat sich in der Spitzengruppe der Fußball-Bundesliga festgesetzt. Selbst die Frage, ob sich das Team von Trainer Lucien Favre dauerhaft im Kreis der Champions-League-Anwärter behaupten kann, wird von Experten inzwischen nicht mehr milde belächelt.
Die jüngsten Ergebnisse sind kein Zufallsprodukt, sagen etwa Bundestrainer Jogi Löw oder Gladbach-Ikone Günter Netzer. Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, hat die Borussia sogar auf seinem Meisterzettel. Das mag übertrieben sein. Doch das eindrucksvolle 5:0 gegen Werder Bremen, der souveräne 3:0-Erfolg im Derby beim 1. FC Köln oder zuletzt das 1:1 gegen Titelverteidiger Borussia Dortmund sind Beleg für die neue Gladbacher Stärke.
Dem Gladbacher Wunder folgt der Traumstart
„Wir sind eine Überraschungsmannschaft, aber unsere 30 Punkte sind nicht unverdient“, sagt Favre selbst. Der Schweizer mit dem charmanten deutsch-französischen Slang hat die Borussia am 23. Spieltag der Vorsaison als Tabellenletzter übernommen. Eine scheinbar perspektivlose Mannschaft, die der 2. Liga entgegentaumelte. Dem Wunder Klassenerhalt – in der Relegation gegen den VfL Bochum – folgte der Traumstart in die neue Saison mit einem 1:0-Sieg beim einstigen Erzrivalen FC Bayern.
Mittlerweile hat Favre seine Bilanz auf 50 Punkte in 27 Spielen ausgebaut. Am Niederrhein feiern sie den Trainer bereits als „Zauberer“ und „neuen Weisweiler“. Unter dessen Regie hatten die Fohlen die Fans einst mit unbekümmertem Offensivfußball verzückt. Am Ende standen in den Siebzigern insgesamt fünf deutsche Meisterschaften.
Doch Favre, der Taktiker, bremst. „Wir dürfen nicht vergessen, wo wir herkommen“, hat er immer und immer wieder betont. Tatsächlich schreibt die heutige Erfolgsgeschichte nahezu jene Mannschaft, die in der vergangenen Saison ein Abonnement im Tabellenkeller hatte und über Monate die rote Laterne hielt.
Einigkeit herrscht allerdings darin, dass im Winter mit den Nachkäufen von Martin Stranzl, Mike Hanke und Havard Nordtveit die passende personelle Kurskorrektur vorgenommen wurde. Die Schießbude der Liga (47 Gegentore in der Hinrunde) wurde geschlossen und damit der Grundstein für die furiose Aufholjagd gelegt.
Favre hat das Spiel der Borussia umgekrempelt. Mit größtmöglicher Kompaktheit wurde die Defensive gestärkt. Mit lediglich zehn Gegentoren ist Gladbach neben dem FC Bayern (9) und Borussia Dortmund (10) das abwehrstärkste Team der Liga. Die Borussia beeindruckt mittlerweile jedoch auch in der Offensive. Nicht nur, weil der 22-jährige Marco Reus mit inzwischen zehn Saisontreffern zum neuen Star des einstigen Kultklubs aufstieg. „Marco ist ein ganz wichtiger Spieler. Aber wir haben gegen Dortmund in der zweiten Halbzeit gezeigt, dass wir es auch ohne ihn gut machen“, sagt Kapitän Filip Daems (33). Reus fehlt den Gladbachern nach seinem Zehenbruch auch in Augsburg. Für den Jung-Nationalspieler wird wie zuletzt gegen Dortmund der Argentinier Raul Bobadilla stürmen.
Hans Meyer erwartet "ein kompliziertes Ding"
Daems erwartet beim Schlusslicht eine schwierige Aufgabe. „Es gibt in der Bundesliga keine leichten Spiele. Augsburg hat dem FC Bayern Probleme bereitet, gegen Bremen ein Unentschieden geholt und Wolfsburg geschlagen.“ Der FCA habe bewiesen, dass er heimstark ist. „Deshalb müssen wir Augsburg unser Spiel aufdrängen.“ Und auch Hans Meyer, Ex-Trainer und heute Gladbacher Präsidiumsmitglied, glaubt: „Das wird ein ganz kompliziertes Ding.“
In Mönchengladbach bleiben sie bescheiden. Allerdings sagt auch Daems: „Die Mannschaft hat Qualität und wir tun alles, um uns weiter zu verbessern.“ Die Anforderungen an einen Trainer, jeden Spieler besser zu machen, hat Favre erfüllt. Die Jungen wie Reus, Patrick Herrmann (20), Tony Jantschke (21) oder Roman Neustädter (23) blühen unter dem Schweizer ebenso auf wie die Routiniers Daems, Roel Brouwers (30), Mike Hanke (28) oder Juan Arango (31). Und mit Marc-André ter Stegen (19) steht einer der talentiertesten deutschen Torhüter zwischen den Pfosten.
Für Daems ist der derzeitige dritte Tabellenplatz dennoch nur eine Momentaufnahme. „Selbstverständlich ist die Situation sehr schön. Aber wir schauen von Spiel zu Spiel.“ Es wäre, so der Kapitän, viel zu früh, an einen europäischen Wettbewerb zu denken. In Augsburg soll jedoch ein weiteres Kapitel der Erfolgsstory folgen. Dann gibt es auch ein Wiedersehen mit Jos Luhukay, Jan-Ingwer Callsen-Bracker, Marcel Ndjeng und Nando Rafael.
Sie alle kennt Daems noch aus gemeinsamer Gladbacher Zeit. „Kontakte gab es zuletzt aber nicht mehr.“
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