Der Solarboom in Deutschland stellt die Stromnetze vor eine Belastungsprobe. Weil zu Spitzenzeiten mit viel Sonne und niedrigem Verbrauch mehr Solarstrom in die Netze drückt, als gebraucht wird, müssen die Netzbetreiber immer häufiger eingreifen, um die Stabilität zu garantieren. Im Frühjahr und Sommer könnte mancherorts die Belastungsgrenze erreicht werden. Laut dem Übertragungsnetzbetreiber Amprion drohen dann im Extremfall sogenannte „Brownouts“, kontrollierte Abschaltungen des Stroms in bestimmten Gebieten, um einen großflächigen „Blackout“ zu vermeiden.
Frank Reyer, Leiter Systemführung bei Amprion, sagte unserer Redaktion: „An sehr wenigen Tagen mit hoher Einspeisung und geringem Verbrauch könnten Netzbetreiber gezwungen sein, als letztes Mittel eine kontrollierte regionale und zeitlich begrenzte Abschaltung einzelner Stromkreise vorzunehmen.“ Das Pfingstwochenende könnte zu so einer Feuertaufe für das Stromnetz werden. Sollte die Sonne kräftig scheinen, während der Stromverbrauch in der Wirtschaft wegen der Feiertage gering ist, drohen lokale Überlastungen von Leitungen oder Transformatoren.
Große Photovoltaikanlagen müssen steuerbar sein – Gesetz greift aber nicht
Um kurzzeitige Notabschaltung aufgrund von Netzengpässen zu vermeiden, haben die Netzbetreiber eine Reihe von Werkzeugen. Eines davon ist der sogenannte Redispatch: Kraftwerksbetreiber werden angewiesen, ihre Einspeisung zurückzufahren oder auszusetzen. Dafür bekommen sie eine Entschädigung. Die Kosten für solche Maßnahmen beliefen sich im Jahr 2023 insgesamt auf 3,1 Milliarden Euro.
Damit das funktioniert, müssen alle Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 100 Megawatt steuerbar sein. Doch trotz gesetzlicher Pflicht funktioniert das in der Praxis bislang unzureichend. Der größere Teil des Sonnenstroms kommt aber ohnehin aus kleineren Anlagen, die meist nicht regelbar sind. Für sie gibt es nur wenig Anreiz, die Erzeugung zu drosseln: Selbst wenn der Strompreis an der Börse stark negativ ist, bekommen sie für jede eingespeiste Kilowattstunde eine garantierte Einspeisevergütung.
Die Gefahr einer Überlastung der Netze ist deutschlandweit unterschiedlich. Für das eigene Netzgebiet, zu dem auch Bayerisch-Schwaben zählt, hält Amprion einen „Brownout“ für sehr unwahrscheinlich. Eine Analyse von Amprion hat aber ergeben, dass vor allem im Südosten von Bayern in Fällen extrem hoher PV-Einspeisung große solare Erzeugungskapazitäten abgeregelt werden müssen.
Batteriespeicher können dem Netz helfen
Eine Sprecherin von Tennet, dem Übertragungsnetzbetreiber, der für den Rest von Bayern zuständig ist, sagte unserer Redaktion: „Die Erfahrungen aus dem Frühjahr und Sommer 2024 haben gezeigt, wie angespannt die Netzsituation bereits sein kann.“ Wenn kein Redispatch-Potenzial mehr verfügbar sei, stellten regional begrenzte und kurzfristige Abschaltungen das äußerste Mittel dar, so Tennet.
Bayernwerk Netz, der größte bayerische Verteilnetzbetreiber, der mit Ausnahme von Schwaben und Mittelfranken den größten Teil des Freistaats versorgt, will sich auf Anfrage nicht direkt zur Wahrscheinlichkeit von „Brownouts“ äußern. Ein Sprecher betont aber die Bedeutung der Steuerungsfähigkeit von Photovoltaik-Anlagen: „Das ist systemrelevant“. In den vergangenen Monaten habe man im Dialog mit Anlagenbetreibern das Steuerungspotential bei Einspeise-Anlagen um 1,2 Gigawatt erhöht und setze diese Anstrengungen fort. „Es muss sichergestellt werden, dass der Zubau erneuerbarer Energien den Netzen folgt – nicht umgekehrt“, sagte der Bayernwerk-Sprecher.
Wegen der Dringlichkeit des Problems hatte die Ampel-Regierung auf ihren letzten Metern noch ein Gesetz beschlossen, nach dem nun auch kleinere neu angeschlossene Anlagen regelbar sein müssen oder generell begrenzt werden. Zudem erhalten die Betreiber keine Einspeisevergütung mehr für Strom in den Überflusszeiten.

Wir erleben eine neue Stimmungsmache gegen die Energiewende. Leider auch in der AZ. „Brownout“ klingt wie „Blackout“ und soll Angst machen. Was sind die Fakten? Unser Stromverbrauch schwankte im Jahr 2024 zwischen 35 GW (Mio. Kilowatt) und 82 GW. https://www.energy-charts.info/charts/power/chart.htm?l=de&c=DE&interval=year&source=total&year=2024&legendItems=1whw4 Es gab Tage, da deckten die Erneuerbaren Energien nur 17 % des Stromverbrauchs. An anderen Tagen über 100 %. Deswegen brauchen wir mmer mehr FLEXIBILITÄT. Also Stromverbraucher, die bei hohen Strompreisen drosseln oder ganz abschalten und bei niedrigen Strompreisen voll arbeiten. Solche sind: E-Autos, viele Wärmepumpen, Elektrolysen, Batterien, Luftzerlegungsanlagen … Hierfür brauchen wir auch flexible Preise, an denen Verbraucher sich orientieren können. Stundenweise werden auch Solar- oder Windanlagen abgeschaltet werden. Stromnetzausfälle (brown out) drohen in gut geführten Netzten nicht. Raimund Kamm
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