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Taurus-Marschflugkörper taugen nicht für politische Schnellschüsse

Kommentar

Taurus-Marschflugkörper taugen nicht für politische Schnellschüsse

Stefan Stahl
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    Die Ukraine bittet Deutschland schon lange um den Marschflugkörper Taurus.
    Die Ukraine bittet Deutschland schon lange um den Marschflugkörper Taurus. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa( Archivbild)

    Boris Pistorius ist ein Mann, der gründlich nachdenkt, ehe er Aussagen trifft. Wenn er etwas sagt, hat das in der Regel Hand und Fuß. Diese Angewohnheit ist wunderbar altmodisch, ja konservativ. Hoffentlich hört der wohl künftige Kanzler Friedrich Merz auf ihn, wenn es um deutsche Waffen für die Ukraine geht. So redet Pistorius dem CDU-Mann schon einmal klug ins Gewissen, was die mögliche Lieferung von Marschflugkörpern des Modells Taurus an Kiew betrifft. Dafür gebe es gute Argumente, aber auch viele gute Argumente dagegen. Nur ein Teil davon könne öffentlich diskutiert werden. Damit ist klar: Aus Sicherheitsüberlegungen gehören nicht alle Taurus-Fakten, die deutschen Nachrichtendiensten und Verantwortlichen der Bundeswehr vertraut sind, auf den Tisch der öffentlichen Debatte. Putin hört immer mit.

    Der scheidende Kanzler Olaf Scholz hat sich anders als Merz stets dagegen ausgesprochen, den Ukrainern die brutale Waffe aus Deutschland in die Hände zu geben. Dafür hat der bedächtige SPD-Mann schlagkräftige Argumente: Denn nach einer Taurus-Lieferung besteht die Gefahr, dass Deutschland in den von Putin rücksichtslos geführten Krieg aus Sicht Moskaus endgültig hineingezogen wird. Nach dem jetzigen Kenntnisstand müssten deutsche Soldaten ukrainische Kollegen schulen, wie Ziele mit dem Taurus angesteuert werden. Das wiederum, so die große Sorge von Scholz, könnte Moskau als aggressiven Akt Deutschlands werten. 

    Mit dem Taurus lassen sich Brücken in die Luft jagen

    Die Marschflugkörper-Frage ist nicht einfach zu entscheiden, wie Merz das jüngst suggeriert hat. Er zeigte sich bereit, solche Monster-Waffen an die Ukraine herauszugeben, wenn die Entscheidung europaweit abgestimmt ist. Das begründet der CDU-Chef zwar mit dem plausiblen Argument, wir müssten der Ukraine helfen, aus der Defensive gegenüber Russland zu kommen. Frankreich und Großbritannien haben dem bedrängten Land aber längst ähnliche Marschflugkörper zukommen lassen. Die Taurus-Waffen sind indes ein Stück wirkungsvoller, schließlich können sie von Flugzeugen aus abgeschossen gut 500 Kilometer weit fliegen. Dabei lassen sie sich tief durch Täler steuern, werden spät durch gegnerisches Radar erkannt und sind in der Lage, Bunker zu brechen, Munitionsdepots in die Luft zu jagen und Brücken als Nachschub-Wege zu zerstören. Vor allem Letzteres ist für die Strategen in Kiew interessant.

    Mit dem Taurus würde der Krieg nicht entschieden

    Von Deutschland gelieferte Taurus-Marschflugkörper könnten weit im russischen Hinterland Ziele angreifen. Merz muss sich gründlich überlegen, ob er Moskau maximal mit dem deutschen Super-Wumms provozieren will. Er sollte ruhig und sachlich sowie in Abstimmung mit seinem Koalitionspartner und den Verantwortlichen in Europa eine Entscheidung treffen. Taurus-Waffen taugen nicht für politische Schnellschüsse. Beim geringsten Zweifel ist der designierte Kanzler gut beraten, den Scholz zu machen und „Njet“ zu sagen, auch wenn CSU-Chef Söder dem gescheiterten SPD-Kanzler „Bockbeinigkeit“ vorwarf, was die Lieferung der Marschflugkörper an die Ukraine betrifft. In nationalen Sicherheitsfragen, wenn es um Krieg und Frieden geht, ist ein gewisses Maß an Bockbeinigkeit Ausdruck von Klugheit, ja Staatsräson. Zumindest in der Disziplin haben Scholz und Pistorius erfolgreich für deutsche Interessen gearbeitet. Klar ist auch: Der Taurus ist keine Wunderwaffe. Mit ihm würde der Krieg nicht entschieden.  

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    4 Kommentare
    Jochen Hoeflein

    Wenn es zu einem Waffenstillstand kommt, stellt sich die Frage der Lieferung von Taurus an Kiew nicht mehr. Zudem bedarfs es der Zustimmung der USA zur Weitergabe des FK an die UA , da das Triebwerk aus Fertigung stammt und entsprechenden Ausfuhrbeschränkungen unterliegt. Da zählen nicht die "kriegerischen " Einlassungen eines Hr Kiesewetter, sondern eher die besonnenen Statements des BMVg Chefs Pistorius in dieser Sache.

    Maria Tkacuk

    Was meint der "so mutige" Herr Stahl damit: "..endgültig hineingezogen wird..." In welcher Weise wurden denn die "überaus mutigen und ihren Nachbarn verpflichteten" Deutschen ".....in den russischen Vernichtungskrieg bisher hineingezogen" - wie der "überaus mutige, die EU-Vorneverteidigung durch die kämpfende Ukraine wie selbstverständlich in Anspruch nehmende" Herr Stahl befürchtet ?! Allein die Ukrainer und Ukrainerinnen bluten Tag für Tag, seit 3 Jahren durch den russischen Überfall - der von den Deutschen und anderen westlichen "Freunden" mit verursacht wurde: Waren es nicht diese westlichen "Freunde", die der Ukraine ihre Atomwaffen abschwatzten mit der - als unverbrüchlich dargestellten- Zusicherung, "man werde im Gegenzug die Freiheit und territoriale Integrität der Ukraine voll umfänglich und jederzeit sofort garantieren und umfassend verteidigen" ?! Waren es nicht diese westlichen "Freunde", die der Ukraine die Aufnahme in EU und NATO von Anfang an versprochen hatten ?!

    Maria Tkacuk

    ..."die Folgen wären für Deutschland inkalkulierbar..." Diesen Spruch hatte man in den 3 Jahren des russischen Überfalls auf die friedfertige Ukraine immer wieder gehört: Zunächst bei der Ukraine-Unterstützung als Solche von Anfang an, dann bei den 3 (!) Gepard-Flugabwehrpamzern, dann bei den wenigen Leopard-Panzern usw Nie aber kam es zum Atomraketen-Angriff auf Deutschland und Europa, welchen der Diktator in seiner fortwährenden Großmäuligkeit immer angekündigt hatte. Und wieder und ein weiteres Mal bebt also die Unterhose des "braven" deutschen Bürgers, den vorallem eines umtreibt: die seit nunmehr 70 Jahren ihm schlaflose Nächte bereitende Angst vor den Russen. Die Deutschen, beständig mit weichen Knien, haben es bis heute nicht gemerkt, daß die Russen nur Scheinriesen sind. Wahr ist: Taurus ist das Verteidigungssystem, das Moskau am meisten fürchtet. Genau deswegen hätte es schon vor 2 Jahren bereitgestellt werden müssen - dann hätte Kiew die Russen längst besiegt!

    Wolfgang Leonhard

    Scholz wurde von allen Seiten (auch in dieser Zeitung) monatelang vehement bedrängt, endlich den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zu liefern. Er tat es zum Glück nicht, die Folgen für Deutschland wären nicht kalkulierbar gewesen. Warum wundert es mich nun gar nicht, dass sich die Sachlage bei einer unionsgeführten Regierung plötzlich ganz anders darstellt? Nun wird der scheidende Kanzler Scholz als "bedächtig" beschrieben. Vorher war er immer nur der "Zauderer". Aber das Ziel ist erreicht: Scholz ist weg.

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