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Was EU-Klimakommissar Hoekstra zu Donald Trump und der Zukunft des Green Deal sagt

Interview

EU-Klimaschutz-Kommissar Hoekstra: „Es steht eine Menge auf dem Spiel“

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    EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra spricht im Interview auch über den Zusammenhang von Sicherheit und Klimaschutz.
    EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra spricht im Interview auch über den Zusammenhang von Sicherheit und Klimaschutz. Foto: Rafiq Maqbool, AP/dpa

    Donald Trump und Wladimir Putin haben telefoniert und wollen über Frieden und die Ukraine verhandeln. Ist das ein guter oder schlechter Tag für Europa?
    Wopke Hoekstra: Klar ist: Die Ukraine lenkt diese Friedensverhandlungen und muss natürlich Teil davon sein. Klar ist auch: Die Ukraine muss die bestmögliche Position auf dem Schlachtfeld einnehmen, das müssen wir sicherstellen. Denn wer auf dem Schlachtfeld stark ist und die Fähigkeit hat, weiterzumachen, hat am Verhandlungstisch die besseren Karten. Drittens muss die europäische Familie die Ukraine nach Kräften unterstützen, denn es geht um ihre und unsere Freiheit und ihre Souveränität. Was wir nun tun oder nicht tun, wird jeden Diktator oder Möchtegern-Diktator auf der ganzen Welt ermutigen oder entmutigen. Es steht eine Menge auf dem Spiel.

    Sie sind also noch zuversichtlich, dass Europa am Verhandlungstisch sitzen wird? Sie machen doch Kickboxing in ihrer Freizeit. Hat Trump Europa nicht gerade den nächsten Kinnhaken verpasst?
    Hoekstra: NOCHMALS: Wir müssen tun, was das Beste für die Ukraine ist und was das Beste für Europa ist. Die Ukraine entscheidet selbst über ihre Zukunft. Und da die Ukraine eine europäische Nation ist, ist das eine Angelegenheit, die in erster Linie, die Europa betrifft. Punkt. Es liegt an der Ukraine mit der Unterstützung aller ihrer Freunde und Partner diese Verhandlungen zu gestalten.

    Haben die EU und die Kommission in den vergangen Jahren ihre Hausaufgaben erledigt? Trump scheint die Union nicht für stark genug zu halten, um am Verhandlungstisch zu sitzen?
    Hoekstra: Wenn man sich die Zahlen anschaut, wird man entgegen der allgemeinen Wahrnehmung feststellen, dass Europa mehr als seinen gerechten Anteil geleistet hat. Für Waffen und den Wiederaufbau der Ukraine. Genau das sollten wir weiterhin tun. Das bei weitem Beste, Moralischste, Legitimste und finanziell Günstigste, was wir tun können, ist, einen ukrainischen Sieg zu sichern. Auf dem Schlachtfeld, am Verhandlungstisch oder beides.

    Jenseits von Trump und Putin: Was sind die größten Sicherheitsrisiken für Europa, die der Klimawandel verursacht?
    Hoekstra: WIR BEFINDEN UNS IN DER UNGLÜCKLICHEN SITUATION, DASS DER KLIMAWANDEL SCHLIMMER WIRD, BEVOR ER BESSER WIRD. WENN MAN SICH EUROPA ANSCHAUT, SIEHT MAN DEN PREIS: Verheerende Situationen für viele Menschen wie etwa bei der Flut in Valencia. Aber auch die wirtschaftlichen Kosten liegen zwischen 50 und 100 Milliarden Euro pro Jahr. Da sich der Planet erwärmt, werden bestimmte Gebiete, auch in Europa, immer schwieriger zu bewohnen sein. Das könnte die Menschen veranlassen, sich auf den Weg zu machen. Dazu kommen Dürren in Afrika, die weitere Migrationsbewegungen auslösen. Der Klimawandel betrifft uns in Europa frontal. Durch Dürren, Unwetter, Überschwemmungen.

    Im Wahlkampf in Deutschland spielt der Klimawandel nur noch eine untergeordnete Rolle. Schlechte Zeiten, um das Klima zu schützen, oder?
    Hoekstra: Wir müssen den Kampf gegen den Klimawandel mehr mit der Wettbewerbsfähigkeit verknüpfen. Und für einen sozial gerechteren Übergang sorgen. Außerdem müssen wir andere außerhalb Europas auffordern, mehr zu tun. Als Europäer sind wir für 6 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich. Das bedeutet, dass der Rest der Welt für 94 Prozent verantwortlich ist – und die Chinesen allein für mehr als 30 Prozent. Das verdient eine gründliche Diskussion

    Ist der Green Deal nicht in Gefahr?
    Hoekstra: Nein, ist er nicht. Denn es gibt keine Alternative zu Klimaschutzmaßnahmen. Schon wegen des enormen Preises der Klimaauswirkungen für unsere Wirtschaft, unsere Menschen und die Geopolitik. Aber wir waren in der Vergangenheit zu eindimensional. Wir müssen sicherstellen, dass eine Dekarbonisierungsstrategie auch eine Wachstums- und Wettbewerbsstrategie ist.

    Bleibt es dabei: Keine Verbrenner mehr in der EU ab 2035? Und die Autobauer, die ihre Flottenziele für den Umweltschutz nicht einhalten, müssen hohe Strafen zahlen?
    Hoekstra: ES GIBT ZWEI DINGE, DIE ICH DAZU SAGEN KANN: Die Autoindustrie ist für mich und für die EU eine der wichtigsten Industrien, die wir in Europa haben. Punkt. Sie ist eine der erfolgreichsten Exportprodukte, die wir haben. Ich werde also alles tun, dass dieser Sektor nicht nur überlebt sondern auf europäischem Boden gedeiht und gleichzeitig dekarbonisiert wird. Wir müssen das aber in einem ganzheitlichen Dialog tun. In manchen Fällen gibt es Sorgen und wir müssen sehen, wie wir damit umgehen, und gemeinsam die Zukunft gestalten.

    Klingt nicht so, als wäre 2035 das Aus für den Verbrenner gesetzt.
    Hoekstra: Sie haben meine Antwort dazu schon gehört. Ich möchte den Ergebnissen des bereits angestoßenen Strategiedialogs nicht vorgreifen.

    Donald Trump macht, was er will. Ist der Green Deal ein Wettbewerbsnachteil für Europa?
    Hoekstra: Im Gegenteil. Die dekarbonisierte Zukunft wird kommen. Die große Frage ist, wie stellen wir sicher, dass unsere Unternehmen dann zu den Gewinnern gehören? Und wie stellen wir sicher, dass unsere Bürger, vor allem die Menschen in der Mittelschicht, die das Rückgrat einer jeden Gesellschaft sind, während dieses Übergangs tatsächlich Erfolg haben? Ich bin davon überzeugt, dass das möglich ist. Wir müssen die Klimapolitik viel stärker mit der Wirtschaftspolitik verknüpfen. Genau daran setzt der Clean Industrial Deal an, an dem ich arbeite.

    Wenn also Donald Trump „Drill baby, drill“ sagt, sind Sie als jemand, der früher für die Ölindustrie gearbeitet hat, nicht mehr einverstanden?
    Hoekstra: Die Zukunft wird dekarbonisiert sein. Was Unternehmer von der Politik brauchen, sind die Rahmenbedingungen für Investitionen, weniger Bürokratie, bessere Finanzierungsmöglichkeiten. Wir können das schaffen.  Wir kriegen das hin.

    Zur Person

    Wopke Hoekstra ist seit 2023 EU-Kommissar für Klimaschutz. Der 49-Jährige Familienvater ist Niederländer und war vor seiner Zeit in Brüssel Finanz- und Außenminister seines Landes.

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