Cortison hat in richtiger Dosis kaum Nebenwirkungen
Wenn Patienten hören, dass sie Cortison nehmen sollen, geraten sie häufig in Panik. Früher wurde der Wirkstoff viel zu hoch dosiert eingesetz - deshalb zeigten sich Nebenwirkungen.
Medikamente sind oft Fluch und Segen zugleich. Sie helfen gegen ein Leiden und lösen selbst ein neues Problem aus. Früher war auch Cortison alles andere als ungefährlich. Der Wirkstoff wurde häufig zu hoch dosiert eingesetzt und hatte daher starke Nebenwirkungen. Heute wissen Ärzte es besser. Die Angst vor dem Medikament ist deshalb meist nicht begründet. Wie Cortison heute eingesetzt wird.
Entzündungshemmer Cortison wird heute besser eingesetzt
Wegen seiner Nebenwirkungen genießt der Wirkstoff Glucocorticoiden - besser bekannt als Cortison - keinen sehr guten Ruf. Viele haben Angst, sich damit behandeln zu lassen. Wenn Patientin Gudrun Baseler erzählt, welche Pillen sie täglich nimmt, erntet sie bestenfalls ungläubige Blicke. Die 39-Jährige hat Rheuma. Seit mehr als 30 Jahren versorgt sie ihren Körper mit Cortison.
Doch Cortison sollte nicht vorschnell verurteilt werden. Glucocorticoide zählen zu den wirksamsten Entzündungshemmern, die die Medizin kennt, sagt Prof. Frank Buttgereit, Leitender Oberarzt an der Charité-Universitätsmedizin Berlin. Ärzte setzen sie gegen Entzündungen und überschießende Immunreaktionen ein. Cortison wird bei verschiedenen Krankheiten eingesetzt und ist in verschiedenen Formen erhältlich.
Zu den Präparaten mit Cortison, die lokal angewendet werden, zählen Nasensprays, Hautcremes oder Asthmasprays. Wer solche Medikamente verordnet bekommt, etwa gegen allergischen Schnupfen oder Neurodermitis, muss sich keine Sorgen um Nebenwirkungen machen, sagt Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer. In der Regel gelangt der Wirkstoff Cortison bei lokaler Anwendung gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen in den Blutkreislauf.
Cortison: So wirken Glucocorticoide
Bei vielen Patienten werden Glucocorticoide aber auch systemisch, also in Tablettenform, angewendet. Das bedeutet, dass der Wirkstoff ins Blut gelangt. "Bei Autoimmunerkrankungen wie der Rheumatoiden Arthritis (RA) richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper", erklärt Buttgereit. Weil das Immunsystem dabei großen Schaden anrichten kann, dämpft man es in bestimmten Fällen mit Cortison. Die Patienten werden zugleich mit anderen Medikamenten behandelt, die ebenfalls das Immunsystem und Entzündungsprozesse im Körper beeinflussen.
Glucocorticoide heften sich an einen im Zellinneren gelegenen Rezeptor, eine Art Wächter der Zelle. Gemeinsam mit ihm gelangen sie als Komplex in den Zellkern - und beeinflussen dort, wie die Erbinformation abgelesen wird. Konkret hält Cortison Körperzellen davon ab, Stoffe zu bilden, die Entzündungen auslösen und aufrechterhalten. Gleichzeitig helfen Glucocortidoide dem Körper, Entzündungen zu hemmen. Besser als mit Cortison kann man gegen Entzündungen kaum vorgehen.
Doch Cortison hat auch Nachteile: "Leider verändern Glucocorticoide nicht nur Entzündungsprozesse, sondern greifen zum Beispiel auch in den Stoffwechsel ein", sagt Buttgereit - daher haben sie manchmal Nebenwirkungen. Patienten, die über einen längeren Zeitraum Glucocorticoide nehmen müssen, können brüchige Knochen bekommen oder einen Diabetes mellitus entwickeln.
Bei Behandlung mit Cortison ist die Dosierung wichtig
Andere Patienten, die eine Erkrankung mit Cortison behandeln, haben Probleme mit den Augen - zum Beispiel einen Grauen oder Grünen Star. Weil das Immunsystem heruntergeregelt wird, sind die Patienten zudem infektanfälliger. Auch das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen ist erhöht. Die größte Angst haben Patienten allerdings vor einer Nebenwirkung von Cortison, die eigentlich nicht gefährlich ist, sagt Buttgereit: dem sogenannten Cushing-Syndrom.
Betroffene dieser Nebenwirkung von Cortison nehmen vor allem in der Körpermitte zu und bekommen unter anderem ein Vollmondgesicht und einen Stiernacken. So wie bei allen anderen Medikamenten gilt aber auch hier: Die Dosis macht das Gift. "Wir geben immer so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich", sagt Buttgereit.
Patienten, die so wie Gudrun Baseler regelmäßig Glucocorticoidpräparate nehmen müssen, können auch selbst etwas tun, um unerwünschte Wirkungen einzudämmen. Osteoporose etwa beugen Betroffene vor, wenn sie sich kalziumhaltig ernähren und viel Sport treiben, sagt Sellerberg. Auch Vitamin D ist wichtig für die Knochen. Dafür sind fetter Seefisch und Avocados ein guter Lieferant. Außerdem wandelt die Haut UV-Strahlung in Vitamin D um. "Wir raten, mindestens 30 Minuten täglich rauszugehen, am Wochenende auch mehr", sagt Buttgereit. Wichtig sei auch, nicht zu rauchen. dpa/tmn/sh
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