Es riecht nach Frühling an diesem Spätfebruarmittag in der Schwabmünchner Luitpoldstraße. Ein paar müde Schneereste liegen noch vor der Stadtkirche, aber eigentlich fühlt sich alles schon nach Neuanfang an. Das mag an der Sonne und den erstaunlich milden Temperaturen liegen - vielleicht aber auch an der anstehenden Bundestagswahl, nach der in der Republik in der Tat vieles neu sein wird. In Schwabmünchen ist die Wahl eine ganz besondere. Denn die Stadt gehört zum neuen Wahlkreis Memmingen-Unterallgäu. Und über den wurde im Vorfeld hitzig debattiert.
Der Grund für die Änderung ist simpel. Während die Einwohnerzahl im Freistaat zuletzt immer weiter wuchs, schrumpfte sie im Osten Deutschlands – Sachsen-Anhalt musste deshalb einen Wahlkreis abtreten. Dass der neue bayerische, übrigens der 47., nach Schwaben gewandert ist, liegt daran, dass in den Wahlkreisen Ostallgäu und Augsburg-Land die Bevölkerungszahl so stark angestiegen ist, dass gesetzlicher Handlungsbedarf bestand. Der neue Kreis wurde aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu gebildet. Und das wirbelt einiges durcheinander.
Wahlkreis Memmingen-Unterallgäu: Am Anfang herrschte bei den Bürgern große Verwirrung
„Am Anfang herrschte große Verwirrung“, sagt Schwabmünchens Bürgermeister Lorenz Müller. Die Nachbargemeinden Langerringen und Klosterlechfeld etwa gehören zum Wahlkreis Ostallgäu, ein paar Kilometer weiter nördlich liegt der Wahlkreis Augsburg-Land, dazu gehört etwa Königsbrunn - eine ziemliche Zersplitterung. „Aber die Kandidaten haben sich bei einer großen Veranstaltung alle vorgestellt, bis auf die AfD“, sagt Müller im Gespräch mit unserer Redaktion. „Es bestand also für die Bürgerinnen und Bürger schon die Gelegenheit, sie kennenzulernen.“
Wie das alles künftig funktioniert wird, müsse man abwarten, sagt Müller. „Die Gemeinden hier im Altlandkreis Schwabmünchen arbeiten ganz eng zusammen, etwa bei Infrastrukturmaßnahmen. Jetzt sind für diese Region, die sich im sogenannten Begegnungsland zusammengeschlossen hat, drei Bundestagsabgeordnete zuständig.“ Wahrscheinlich, meint der Bürgermeister, müsse man sich dann an alle drei wenden, wenn man Hilfe brauche, etwa wenn es um eine Bundesförderung gehe. „Das macht es aus meiner Sicht schon schwieriger“, sagt Müller. „Und die Wählerinnen und Wähler haben es zum Teil auch gar nicht verstanden, dass jetzt Schwabmünchen plötzlich zu Memmingen gehört und die eine Nachbargemeinde zum Ostallgäu und die andere zu Augsburg.“
Politologe: Es gibt drei Faktoren, die die Wahlentscheidung beeinflussen
In der Schwabmünchner Luitpoldstraße erregt das Thema die Gemüter an diesem Mittag kaum. Ein Mann im dunklen Parka, darunter ein roter Pullover, schlendert an den Schaufenstern vorbei. Auf die Frage, ob ihn der neue Wahlkreis irritiere, sagt er: „Ich bin tatsächlich eher Richtung Augsburg ausgerichtet, aber eigentlich ist es mir egal. Ich mache meine Wahlentscheidung eh von der Partei abhängig und nicht vom Direktkandidaten.“ Ein paar Schritte weiter sitzt eine Frau draußen in der Sonne vor dem Eiscafé Venezia, trinkt einen Milchkaffee, raucht eine Zigarette. Auch sie sagt, dass es ihr eigentlich ziemlich egal sei, dass Schwabmünchen einem neuen Wahlkreis angehöre. „Mir geht es um die Partei“, sagt sie. Derlei hört man auch von anderen Passanten, die an diesem Tag in der Stadt unterwegs sind.
Ist es tatsächlich gemeinhin so, dass vor allem die Partei den Ausschlag gibt? Oder ist Schwabmünchen durch die Zuordnung zu einem neuen Wahlkreis ein Sonderfall? Man gehe in der Wahlforschung in der Regel von drei Faktoren aus, die die Wahlentscheidung beeinflussen, erklärt der Politologe Manuel Becker gegenüber unserer Redaktion. Erstens: längerfristige, weltanschauliche Überzeugungen, die in der Regel in eine grundsätzliche Bindung an eine Partei münden. Zweitens: die persönliche Sympathie oder Antipathie für die Kandidaten, die zur Wahl stehen. Drittens: Themen, die sich aus der Agenda des Wahlkampfs und der politischen Großwetterlage ergeben. „Alle drei Faktoren spielen eine Rolle und es lassen sich nur sehr schwer Aussagen darüber treffen, welcher Faktor den Ausschlag gibt“, sagt Becker.
Bundestagswahl 2025: Themen des Wahlkampfes geben den entscheidenden Ausschlag
Generell aber, fährt der Politologe fort, scheine es eine Tendenz dahingehend zu geben, dass die längerfristige Parteibindung an Bedeutung verliere und dass der Faktor Persönlichkeit sowie die Themen des Wahlkampfs den entscheidenden Ausschlag geben. „Da aber im Zuge der Wahlrechtsreform die Bürger nicht mehr sicher sein können, dass der Gewinn eines Wahlkreises auch zu einem Bundestagsmandat führt, wird es nach der Wahl spannend zu beobachten sein, ob dies einen negativen Einfluss auf die Bedeutung der Kandidaten hat.“
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