Katharina Grosse war da. Die Art Basel hatte sie beauftragt, den Messevorplatz, den Brunnen und die Messehallenfront mit ihrer Spritzpistole zu besprühen – so wie es ihre Art und wiedererkennbar ist. Also zieren nun ein rauchwolkiges Weiß und bleckende Magentafarben die Fassade, was ein wenig so ausschaut, als ob die Hütte brennt. Temporäre Kunst, die wieder weg kann, wieder weg muss. Drinnen aber, bei den knapp 300 Galerien aus 42 Ländern, wird gehofft und gebetet, dass sich die aktuelle Baisse auf dem Kunstmarkt verflüchtigen möge. Israel kontra Iran macht alles nicht einfacher. Ob die weltweit wichtigste Messe für zeitgenössische Kunst alle Probleme mit ihrem nächsten Ableger in Doha/Katar auffangen kann?
Katharina Grosse zeigt ihre Spray-Kunst bei der Art Basel 2025
Und drinnen ist natürlich Katharina Grosse beziehungsweise ihre Spray-Kunst, neuerdings farblich reduziert, auch käuflich. Atelierfrische Großformate kosten 300.000 Euro, sowohl in der Wiener Galerie nächst St. Stephan als auch bei Hetzler/Berlin. Die 1961 in Freiburg Geborene hat großes künstlerisches Gewicht; weit größeres aber noch besitzt die 1970 in Adis Abeba geborene äthiopisch-amerikanische Julie Mehretu – auch wenn sich das, ihrem Rang gemäß, in Europa noch immer nicht rumgesprochen hat. Derzeit stellt sie in den nordrhein-westfälischen Kunstsammlungen Düsseldorf aus, demnächst dürfte ein Werk von ihr weltweit in den Medien auftauchen, dann nämlich, wenn in Chicago das Barack-Obama-Presidential-Center eingeweiht wird, für das sie ein 25 Meter hohes, sechs Meter breites Glasfenster entwarf und von der Mayer’schen Hofkunstanstalt in München anfertigen ließ.
Bei Julie Mehretu läuft das mittlerweile so: Atelierfrische Werke erhalten einen satten Preisaufschlag, der als Spende an ein Museum fließt, damit dieses ein anderes Mehretu-Gemälde kaufen kann. Aus 2,5 Millionen Dollar für ein Mittelformat werden dann leicht 3,5 oder gar 4,5 Millionen Dollar. So kam der Hamburger Bahnhof in Berlin und die Münchner Pinakothek der Moderne an Arbeiten der Künstlerin. In Basel nun in der Galerie White Cube/London ist für 4,5 Millionen Dollar ein delikat-abstraktes Gemälde zu erwerben, mit dem gleichzeitig ein Bild auch für das Art Institute von Minneapolis gesichert wird. Das Motto also lautet: Kaufe eins, zahle zwei. Dieses Prinzip haben auch schon andere gefragte Künstler angewandt, etwa Michael Armitage und Tracey Emin. Wie alles auf dieser Welt hat es mindestens zwei Seiten: Museen werden – so sie wollen – unterstützt, andererseits kann das Verfahren die Preise weiter treiben.
Auf der Art Basel 2025 präsentiert auch Jonathan Monk seine Kunst
Genau darum, um Preise, Wertzuwachs und weltweite Vermögen kümmert sich seit Jahrzehnten eine andere US-Künstlerin: die 1960 geborene Andrea Fraser. Sie brachte es auch schon fertig, mit einem potenten Sammler gegen Geld ins Bett zu steigen und die gemeinsamen Aktivitäten zu filmen, um sarkastisch hinzuweisen auf Abhängigkeiten zwischen Kunst und Kunstmarkt, Künstlern und vermögenden Sammlern. Bei Marian Goodman/New York hat sie jetzt einen Stapel Plakate auf den Boden gelegt, die grafisch darlegen, wie Reiche auch mittels Kunst – jedenfalls bis 2022 – immer reicher wurden, exponentiell. Jeder kann ein Plakat mitnehmen; gleichzeitig werden fünf weitere Stapel zu je 40.000 Dollars verkauft.
Bleiben wir bei dem so unerschöpflichen wie desillusionierenden Thema Kunst und Geld. Während eine Magritte-Wolke in einem Sekt-Kelch 50 Millionen Dollar kosten soll (Landau/Montreal), vervielfältigt Jonathan Monk, dieser in Berlin arbeitende Brite, Mao-Porträts von Andy Warhol sowie ein mit Blattgold umrandetes Baumbild von Salvo, um dieses, stark verkleinert, auf das Gesicht Maos zu applizieren. Man kann Monk folglich als Appropriation-Künstler bezeichnen. Jeder Baum habe 3000 Euro zu kosten, befand der Künstler, macht bei den zu sehenden fünf Bäumen 15.000 Euro (Meyer-Riegger/Berlin). Andererseits wiederum gibt Monk gerne gerahmte und mit winzigen Kunstzitaten verzierte Kaufbelege ab, zum aufgedruckten Kaufpreis. 2024 hat er mehrfach am Berliner Pasedagplatz gegessen – weshalb in Basel jetzt sechs gerahmte Rechnungen („Suppe mit Huhn“) in der Pariser Galerie 1900 – 2000 auftauchten. Sie waren schnell weg. Es gibt in der Kunst nichts, was es nicht gibt. Das ist das Tolle an ihr.
Joep van Lieshouts Werk zählt zu den großen Werken der Art Basel
Neben Katharina Grosses besprühtem Messevorplatz greift noch eine andere Arbeit weit, sehr weit aus. Selbst größte Museen dürften Not mit ihr haben. Joep van Lieshout hat in seinem Rotterdamer Atelier über viele Jahre einen Zug, einen Marsch, eine Parade, eine Kolonne zusammengestellt, diagonal wohl über 100 Meter in der Riesenhalle 1 verlaufend, die traditionell unter dem Namen „Unlimited“ besonders umfängliche Kunst zeigt. Im Falle von Lieshout bedeutet dies eine Parade von Missgeburten, Zombies, Soldaten, Wiedergängern einerseits, Gehhilfen, Tragen, Rollstühlen, Prothesen andererseits, medizinischen Apparaten, Waffen und surrealen Maschinen zum Dritten. Ein schauriger, ein dystopischer Zug, sein Titel: „Die Reise – ein Marsch nach Utopia“. Verhandlungspreis: sechs Millionen Euros (Krinzinger/Wien).
Was wird noch präsentiert bei „Unlimited“? Ein stiller Zyklus von Jef Geys, der auf Venedigs Insel-Friedhof St. Michele einige Gräber fotografierte und die Fotos dann mit gepressten Heilkräutern von denselben Gräbern inklusive Angabe ihrer medizinischen Wirkung in Bilderrahmen fasste. Strawinsky und Djagilew allerdings sind nicht dabei. Und auch ein rotierendes, unablässig blitzendes Spiegelkabinett von Heinz Mack, dem Zero-Künstler, ist zu sehen, während an seinen einstigen Zero-Genossen Günther Uecker, der ja vor wenigen Tagen starb, an Messeständen erinnert wird. Unter anderem durch zwei Spiralen-Nagel-Bilder, jeweils 1,2 Millionen Euro schwer (Dayan/New York sowie Mayor Gallery/London).
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