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Paartherapeut verrät den Grund Nummer 1: Dann klappt eine offene Beziehung

Beziehungsfragen

Zwei Paare und eine Frage: Wie gelingt eine offene Beziehung?

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    Amouröse Abenteuer in einer festen Beziehung sind in Ordnung, wenn beide Partner vorher genaue Absprachen treffen können.
    Amouröse Abenteuer in einer festen Beziehung sind in Ordnung, wenn beide Partner vorher genaue Absprachen treffen können. Foto: Odua Images, Adobe Stock

    Ein Paar kommt in unsere Praxis, die beiden setzen sich eng nebeneinander aufs Sofa. Sie wollen herausfinden, ob sie mit den aktuellen Beziehungsvereinbarungen zufrieden sind. So weit so ungewöhnlich, denn in den meisten Fällen kommen Klienten mit Problemen zu uns.

    Die beiden haben zwei Kinder, er hat seine Anstellung als Erzieher gekündigt, um in den ersten Jahren der Kinder den Großteil der Sorgearbeit zu übernehmen. Nun sind die Kinder drei und sechs Jahre alt und er macht eine Ausbildung zum Yoga-Lehrer, während die Kinder in der Kita sind. Sie ist Managerin in einem Großkonzern und leistet den Großteil der Erwerbsarbeit.

    In offener Beziehung sind sexuelle Außenbeziehungen erlaubt

    Die beiden leben in einer offenen Beziehung, in der sie sich sexuelle Außenbeziehungen erlauben. Das war von Anfang so, schon beim Kennenlernen haben sie sich darüber verständigt, ob und unter welchen Rahmenbedingungen das einvernehmlich ist. Aus Fülle und Vertrauen heraus. Vertrauen darauf, dass beide ansprechen, was sie sich wünschen und sich gegenseitig achten. Und aus Fülle heraus, weil sie keinen Mangel in der Beziehung kompensieren wollen, sondern es als gemeinsame Bereicherung erleben.

    Das Erstaunliche: Die offene Beziehung ist nicht das vorwiegende Anliegen für die Sitzung, sondern das finanzielle Modell. Wir sprechen über mögliche Alternativen, ob es sich für beide „fair“ anfühlt, beide als Gewinner hervorgehen und auch darüber, ob beide mit den Regeln der offenen Beziehung zufrieden sind. Ob, wenn man sich verliebt, es dem anderen sagen soll? Ob sexuelle Außenbeziehungen weiterhin erlaubt sind oder nur eine gewisse Anzahl an Treffen. Ob man sich außerhalb des Zuhauses verabredet und außerhalb eines Umkreises von 50 Kilometern? Ob weiterhin gelten soll, dass bestehende Freunde und Bekannte nicht erlaubt sind für sexuelle Beziehungen.

    Klarheit gibt Sicherheit in der Beziehung

    Ich habe noch nie ein Paar erlebt, das so klar und offen über Bedürfnisse und Regeln in der Beziehung spricht. Die beiden können einander vertrauen, so klar wie sie ihre Bedürfnisse aussprechen. Das Paar verlässt Händchen haltend die Praxis und hat ihren bestehenden Beziehungsvertrag mit einer kleinen Änderung verlassen, nämlich die Vertragslaufzeit. Sie soll bis zum Ende der Yoga-Ausbildung gehen, das ist noch etwa ein Jahr. Danach will er sich selbstständig machen, dann wollen sie auch die Vereinbarung neu gestalten. Die beiden verlassen mit Klarheit und bestärkender Sicherheit die Praxis.

    Ich muss dabei an ein anderes Paar denken: 13 Jahre verheiratet, auch zwei kleine Kinder, die beiden teilen sich Sorge- und Erwerbsarbeit. Beide sind resigniert über die Distanz und die Vorwürfe in der Beziehung. Sie kamen mit der Idee, die Beziehung zu öffnen, um wieder mehr Lebendigkeit in ihr Leben und ihre Beziehung zu bringen. Ein absolut möglicher Weg! Aber eben ein Weg, keine Entscheidung. Denn: Es zeigte sich das grundlegende Problem, dass sich die beiden eben nicht über Bedürfnisse und Regeln verständigen oder einigen konnten.

    Manchmal ist die Trennung die bessere Lösung

    Aus meiner Erfahrung basiert aber eine offene Beziehung in besonderer Weise auf Vertrauen und auf dem klaren Formulieren der eigenen Bedürfnisse. Und sobald Paare in resignierter Distanz miteinander sind, ist dies ein Indiz dafür, dass Misstrauen herrscht, dass Vorwürfe herrschen, dass Bedürfnisse eben nicht klar formuliert wurden. Egal, ob dieses Paar also ihre monogame Beziehung erneuern oder öffnen will, sie kommen nicht darum herum, ihre Vorwürfe aufzulösen und einander wieder zu vertrauen. Ansonsten wird die Distanz mehr und vermutlich die Trennung die bessere Lösung für beide werden, damit sich nicht beide für ein „unbedingtes Zusammen-bleiben“ aufopfern.

    Und selbst wenn die beiden sich trennen, werden sie Eltern bleiben und sind trotzdem auf die Vereinbarung und das Einhalten gemeinsamer Regeln angewiesen. Je mehr Verbindlichkeit in einer Beziehung herrscht, desto mehr Nähe wird gelebt. Gemeinsame Kinder führen automatisch zu Verbindlichkeiten, eine monogame, romantische Liebes-Beziehung erfordert deutlich mehr Verbindlichkeiten und das Paar, dass eine offene Beziehung mit Kindern lebt? Sie zeigten mir eindrucksvoll, wie viele klare Verbindlichkeiten beiden leben und wie nah sie sich genau deshalb sind. Ich hoffe, die beiden können sie als Leser ebenso inspirieren wie mich als Coach, der selbst in einer monogamen Paarbeziehung lebt und genau wegen dieser Horizonterweiterung seinen Beruf so liebt.

    Zu den Personen

    Christian und Tanja Roos arbeiten als Beziehungscoaches. Sie beraten Paare mit unterschiedlichsten Problemen, sprechen in ihrem Podcast „Das neue Wir“ über ihre Erfahrungen und haben mit dem Buch „Das Ich im Du: Du hast dein Beziehungsglück selbst in der Hand“ einen Bestseller gelandet. In unserer Partnerschaftskolumne „In Sachen Liebe“ schreiben sie jetzt alle zwei Wochen über Beziehungsthemen.

    Mehr dazu lesen Sie hier:

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