Für Tiktok-User war es ein Schreck: Einen Tag vor dem geplanten Bann aktualisierte die beliebte Kurzvideo-App nicht mehr. Etwa 14 Stunden – man mag sich kaum vorstellen, durch wie viele Videoschnippsel man sich in dieser Zeit hätte scrollen können – blieben die Smartphones der US-Bürgerinnen und Bürger schwarz.
Der Retter des kollektiven Schwunds der amerikanischen Aufmerksamkeitsspanne ist kein anderer als Donald Trump, was erst mal überraschend ist, war es doch er selbst, der die Plattform vor vier Jahren schon sperren wollte. Im Wahlkampf wusste er die App aber plötzlich für sich zu nutzen, inszenierte sich als Gen Z-Flüsterer und Verfechter der freien Meinungsäußerung. Daher also der plötzliche Sinneswandel, die Lieblings-App der jüngeren Generation wieder freizuschalten.
Trump rettet TikTok-Stunden vor US-Bann
Erst etwas kritisieren und verbieten wollen, um sich später als der glorreiche Retter desselben darzustellen – das war Trumps erste Amtshandlung. Zwar hatte er niemanden vom Tiktok-Mutterkonzern Byte Dance zu seiner Inauguration geladen, aber ein Treffen wird er wahrscheinlich nachholen: Inzwischen sucht Trump nach einer „gemeinschaftlichen Lösung“. Sollte der chinesische Konzern 50 Prozent an die amerikanische Regierung abgeben, hätte er einen Milliarden-Deal abgeschlossen und Tiktok könnte bleiben. Und die Inhalte besser kontrolliert und für Staatsinteressen genutzt werden. Deals statt Diplomatie also.

Erst mal ist es wieder möglich, sich auf TikTok – Trump sei Dank – durch Videos der Amtseinführung zu doom-scrollen, also sich schlechte Nachrichten mit jedem neuen Fingerwisch reinzuziehen. Empfangen wurden die User mit den Worten: „Willkommen zurück! Danke für deine Geduld und deine Unterstützung. Als Ergebnis von Präsident Trumps Bemühungen ist Tiktok zurück in den Staaten!“ Nun, heißt es weiter, könnten die US-User weiterhin alle Dinge, die sie lieben, produzieren, teilen und entdecken.
Nutzerreaktionen: US-Bürger wenden sich chinesischer Plattform zu
Die Nutzerinnen und Nutzer wussten sich aber längst vorher zu helfen, zwischenzeitlich sind Millionen zur chinesischen Plattform „Rednote“ oder „Xiaohongshu“ abgewandert. Die Inhalte dort sind größtenteils auf Mandarin, den ziemlich beleidigten Tiktok-Usern war das herzlich egal. Zumal die Chinesen sich in der App als gute Gastgeber zeigten: In Windeseile waren Videos mit englischen Untertiteln versehen, das Menü übersetzt und die „Neuen“ von vielen Usern willkommen geheißen.
Eins muss man den Amerikanerinnen und Amerikanern lassen: Sie finden Wege, ihrer Unzufriedenheit Ausdruck zu verleihen - und machen sich auf den neuen Plattformen ungehalten lustig über die Datenschutzbedenken der vergangenen Regierung. „Ich hoffe, mein chinesischer Spion findet mich hier. Niemand kennt mich so, wie er es tut“, sagt eine Nutzerin. Ein anderer schreibt: „Wenn die Regierung Rednote auch bannt, werde ich jeden Abend meinen Browser-Verlauf ausdrucken, bevor ich ins Bett gehe und ihn auf dem Weg zur Arbeit bei der chinesischen Botschaft abgeben.“ Zur Erinnerung: Genau deshalb, wegen der Angst vor amerikanischen Daten in chinesischen Händen, bemühte sich die Regierung bereits unter Trump um den Tiktok-Bann.
Zwischen Spott und Erleichterung: US-Community kehrt zu TikTok zurück
Jetzt, wo die Kurz-Videoplattform zurück ist, haben einige das Gefühl, dass sich am Algorithmus und den Inhalten auf Tiktok bereits etwas verändert hat und zeigen sich besorgt, dass die Regierung die App für propagandistische Zwecke nutzen wird. Eine Nutzerin schreibt: „Ich weiß nicht, wie es Euch geht. Aber irgendwie fühlt es sich anders an, hier zu sein.“
Ein Blick auf andere Plattformen, deren Chefs Schulter an Schulter die vorderste Front in der neuen Medien-Ordnung der USA stellen und bei der Amtseinführung noch vor dem Kabinett sitzen durften, gibt bereits einen ersten Vorgeschmack darauf, wie sich die sozialen Medien unter Trump verändern könnten: Die Hashtags #democrats, #liberals, #joebiden, #voteblue waren auf der Zuckerberg‘schen Meta-App Instagram am Dienstag kurzweilig gesperrt. So viel zur Meinungsfreiheit.

Generell haben Meta-Mitarbeitende gerade alle Hände voll zu tun. So berichten viele US-User, dass sie seit Kurzem automatisch dem neuen, alten Präsidenten auf Instagram folgen. So weit, so normal – denn die Abonnenten des vorherigen US-Präsidenten wurden dem neuen übertragen, das ist laut Meta bei vorherigen Amtswechseln ebenso der Fall gewesen. Doch einige Nutzer beklagen, dass sie nach dem Entfolgen des Präsidenten-Accounts automatisch wieder zu Followern von Trump wurden. Zugegeben: Eine so schnelle Umsetzung dieser Veränderungen (und Zensur) ist selbst für Trump überraschend.
Immerhin lässt sich auf Tiktok bis auf Weiteres ablesen, was „die Jugend“ über Trump und seinen Größenwahn denkt. Ein Seitenhieb dürfte auch Elon Musk, dessen Hitlergruß während der Amtseinführung viral ging, besonders treffen: Zu Trumps Fantasien, den Golf von Mexiko zum Golf von Amerika zu machen, schreibt ein Nutzer nur: „Das wird genauso erfolgreich, wie die Umbenennung von Twitter“. Der Umgang der US-User vor und nach dem drohenden Bann zeigt vor allem eins: Die Macht liegt immer noch bei ihnen. Sie können abwandern - oder sich einfach abmelden.
Er hat die Schokoladenration erhöht, finde ich Doppelplusgut. Dann können die Leute wieder auf ihren Teleschirm sehen.
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