Einen Abend mit viel Witz, aber auch Nachdenkenswertem erlebten die rund 250 geladenen Gäste aus Politik, Wirtschaft und Ehrenamt beim Neujahrsempfang der Stadt Mindelheim im Stadttheater. Standen im vergangenen Jahr die Themen Menschlichkeit und Zuversicht im Fokus, zog sich auch heuer eine ganz konkrete Aufforderung durch die Beiträge der Redner.
Zu diesen gehörten neben dem Gastgeber Bürgermeister Stephan Winter der Bundestagsabgeordnete Stephan Stracke, der Landtagsabgeordnete Bernhard Pohl, Landrat Alex Eder und Kreisheimatpfleger Christian Schedler. Letzterer moderierte den Abend im Mindelheimer Forum nicht nur gewohnt launig, sondern hielt auch die Festrede – und überraschte als „Migrant aus Oberbayern“ mit profunden Kenntnissen des hiesigen Dialekts.

Mindelheim kann und muss sich Vieles leisten
Bürgermeister Stephan Winter sprach von einem Déjà-vu, als er sich die Rede zu seinem ersten Neujahrsempfang 2003 angesehen habe: Die Lage war damals ähnlich schwierig wie heute, es stellten sich die gleichen Fragen. Die Stadt, die in den vergangenen Jahren gut gehaushaltet habe, müsse zwar sparen, so Winter, sie kann und muss sich aber auch noch vieles leisten: die Sanierung der Bücherei und die statische Sanierung der Mindelburg zum Beispiel, aber auch eine neue Kindertagesstätte im Mindelheimer Norden. Letztere ist eine Pflichtaufgabe, die Winter als die Kehrseite der stabilen wirtschaftlichen Situation und der erfreulich hohen Beschäftigungsquote bezeichnete. Sein Dank galt den Unternehmerinnen und Unternehmern, die mit ihren Betrieben und Mitarbeitenden Werte schaffen.

Das Hochwasser im Juni habe gezeigt, dass die Maßnahmen, mit denen die Stadt dem Klimawandel begegnen will, nötig seien. Gleichzeitig hätten die Bürgerinnen und Bürger einen beeindruckenden Zusammenhalt bewiesen. So viele hätten angepackt und anderen geholfen, sagte Winter und bedankte sich bei dieser Gelegenheit nicht nur bei ihnen, sondern allen, die diesen Einsatz als Ehrenamtliche das ganze Jahr über zeigen.
Bürgermeister Winter ruft dazu auf, bei der Bundestagswahl die Demokratie zu stärken
Zu Engagement rief er auch mit Blick auf die Bundestagswahl auf: Es sei wichtig, die Demokratie zu stärken. Die Parteien an den rechten und linken Rändern seien nicht geeignet, um den Herausforderungen der Globalisierung zu begegnen. „Unser aller Einsatz ist gefordert“, sagte er, sowohl was die Demokratie anbelange als auch den Klimaschutz sowie „Probleme, die wir heute noch gar nicht kennen“. Daneben rief er zu Verantwortungsbewusstsein und Zufriedenheit auf.

In eine ähnliche Richtung zielten anschließend auch Stephan Stracke und Landrat Alex Eder: Er habe den Eindruck, dass viele den Staat als „politischen Versandhandel“ empfänden und sich – wenn dieser nicht liefert, was sie sich wünschen – nach einem starken Mann oder einer starken Frau sehnen, der mit einem Hieb den gordischen Knoten aller Probleme auseinanderhaut, sagte Stracke. „Aber bleibt dabei nicht viel auf der Strecke?“, fragte er mit Blick auf Kompromisse und den Ausgleich von Interessen. Es gehe darum, Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen und dabei Haltung, Mut und Gelassenheit zu zeigen. Landrat Eder forderte ebenfalls dazu auf, sich zu engagieren: in Vereinen, als Wahlhelfer bei der Bundestagswahl oder auch in der Kommunalpolitik. Er verwies auf das Grundgesetz, das nicht nur Rechte garantiere, sondern auch Pflichten beinhalte und zitierte den ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy: „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“
Für die Mindelburg will Bernhard Pohl „Pflöcke einrammen“
Bernhard Pohl benannte die Außen- und Sicherheitspolitik, den Bereich Wirtschaft und Finanzen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt als die drei größten Herausforderungen dieses Jahres. Mindelheim bezeichnete er als „Musterstadt“, in der er einige Projekte voranbringen will: Bis 2028 will er bezüglich der Mindelburg „Pflöcke einrammen“. Auf seiner Liste stehen zudem die neue Fachrichtung Mechatroniktechnik für die Technikerschule, ein Technologietransferzentrum für Mindelheim und ein attraktiveres Bahnhofsareal.

Kreisheimatpfleger Christian Schedler gab in seiner Festrede schließlich Denkanstöße, was alles Heimat sein kann: Sehnsuchtsort, Natur- und Wirtschafts- sowie sozialer Lebensraum etwa. „Wir haben Verantwortung für alles das, was Heimat ist“, sagte er. Diese gelte es zu schützen, aber auch „mit Herz und Hirn“ aktiv mitzugestalten. Denn Heimat heiße nicht, Althergebrachtes unter eine Glasglocke zu stellen. „Heimat ist keine Folkloreveranstaltung und keine Sache der Theorie.“ Stattdessen könne jeder zum Heimatpfleger werden.
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