
Zehn Jahre nach dem Unglück: Was ist aus dem Transrapid geworden?

Vor 10 Jahren ist im Emsland ein Transrapid mit 170 Stundenkilometern in einen Werkstattwagen gekracht. 23 Menschen starben, der Versuchsbetrieb wurde eingestellt.
22. September 2006: In Lathen im Emsland kollidiert ein Transrapid mit einem Werkstattwagen. Von den 31 Fahrgästen und den zwei Mitarbeitern im Reinigungsfahrzeug verlieren 23 Menschen ihr Leben. Elf Personen werden schwer verletzt. Das Unglück jährt sich am Donnerstag zum 10. Mal. Wie ging es mit dem Transrapid weiter?
In Deutschland blieb die Vermarktung des Transrapid eine Geschichte von Absichtserklärungen und Misserfolgen. 1994 beschloss die Bundesregierung den Bau einer 292 Kilometer langen Strecke zwischen Berlin und Hamburg. Sechs Jahre später wurde das Projekt wegen zu hoher Kosten beerdigt, dafür aber Studien zum Bau für zwei andere Transrapid-Strecken in Auftrag gegeben.
In München wurde eine 37 Kilometer lange Verbindung zwischen Innenstadt und Flughafen geprüft, in Nordrhein-Westfalen eine 80 Kilometer lange Trasse zwischen Düsseldorf und Dortmund, auf der die Magnetschwebebahn unter dem Namen Metrorapid fahren sollte. 2003 kam aber bereits das Aus für den Metrorapid.
In München ging es zunächst weiter. Im September 2007, ein Jahr nach dem Unglück im Emsland, schloss der Freistaat eine Realisierungsvereinbarung mit Industrie und Deutscher Bahn über den Bau der Münchner Transrapid-Strecke. Als die Umsetzungskosten von 1,85 Milliarden Euro auf drei Milliarden stiegen, wurde aber auch dieses Projekt begraben.
Einzige kommerzielle Transrapid-Strecke in Shanghai
Der einzige Transrapid, der tatsächlich umgesetzt wurde, fährt in Shanghai. Dort verbindet eine gut 30 Kilometer lange Strecke einen Außenbezirk der chinesischen Millionenstadt mit dem Flughafen Pudong. Es ist die weltweit einzige kommerzielle Schwebebahnstrecke.
Und vielleicht auch die Letzte. Denn von der Begeisterung für den rasend schnellen Magnetzug ist bei deutschen Entwicklern und chinesischen Betreibern wenig geblieben. Die türkisfarbenen Sitzbezüge sind fleckig, aus den Fensterrahmen lösen sich die Dichtungen und die Tempoanzeige erreicht gerade mal 301 Kilometer pro Stunde. Beworben wurde der Transrapid mit einer Geschwindigkeit von 430 km/h.

Das Prinzip der Magnetschwebebahn hat eigentlich Potenzial. Schon 1934 meldete der deutsche Physiker Hermann Kemper Patent auf eine "Schwebebahn mit räderlosen Fahrzeugen, die an eisernen Fahrschienen mittels magnetischer Felder schwebend entlang geführt wird" an. Wie sieht das in der Praxis aus?
Der Transrapid hat keine Räder, Achsen und Oberleitungen, sondern schwebt dank eines elektromagnetischen Trage-, Führ- und Antriebssystems. Das Prinzip beruht auf den anziehenden Kräften zwischen den im Fahrzeug angeordneten Elektromagneten und den sogenannten Reaktionsschienen, die beidseitig unter dem Fahrweg angebracht sind. Magnete halten das Fahrzeug auch in der Spur.
Zehn Jahre nach Unglück: Rückbau der Teststrecke im Emsland hat begonnen
Zu dem Unglück im Emsland war es gekommen, weil ein Werkstattwagen auf der Teststrecke vergessen worden war. Zwei Mitarbeiter gaben die Strecke frei, ohne den Wagen von der Strecke zu nehmen. Die Magnetschwebebahn krachte mit Tempo 170 auf das 50 Tonnen schwere Wartungsfahrzeug. Alle Passagiere aus dem ersten Segment des Zuges starben. Die beiden Männer mussten sich deshalb vor Gericht verantworten.
Im Dezember 2011 wurde der Rückbau der 31 Kilometer langen Teststrecke beschlossen. Dieser hat inzwischen auch begonnen, wie der Geschäftsführer der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft (IABG), Rudolf Schwarz, sagt. Die IABG hatte die Testanlage im Auftrag des Bundes betrieben. Vor allem der Abriss des Fahrwegs wird dabei ins Geld gehen. Alle 25 Meter steht auf den 31 Kilometern Länge eine Stütze, die Fundamente reichen bis in 15 Meter Tiefe.
Transrapid-Technik im Emsland noch nicht ganz vor dem Aus
Ganz eingestellt ist die Transrapid-Technik in Deutschland aber noch nicht. In Lathen betreibt die IABG mit ihrer Tochtergesellschaft Intis auf dem alten Betriebsgelände ein Unternehmen, das die induktive Stromaufnahme für Fahrzeuge erforscht. Nicht nur Garagen, auch Straßen können mit der Induktions-Technik ausgestattet werden. "Wir arbeiten mit Ladeströmen von mehr als 30 Kilowatt", sagt Schwarz. Es sei ein 30 Meter langes Stück Straße gebaut worden, auf dem das berührungsfreie Laden von Elektroautos schon erfolgreich demonstriert wurde, und auch, dass es zu vernünftigen Kosten machbar sei. Ein Überbleibsel der Transrapid-Technik könnte also in der Elektromobilität weiterleben.
Der letzte Transrapid aus dem Emsland soll dagegen unter den Hammer kommen: Am 25. Oktober versteigert das Verwertungsunternehmen des Bundes (Vebeg) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums einen Transrapid 09. Der Zug war bis zur Einstellung der Testfahrten 2011 auf der Versuchsstrecke bei Lathen unterwegs. Man darf gespannt sein, wer ihn ersteigern möchte.
kr mit Richard Heister (AFP) und Elmar Stephan (dpa)
Mehr Infos zur Geschichte des Transrapids:
Transrapid-Unfall: Zwei Männer stehen vor Gericht
Express-S-Bahn zum Flughafen: "Der Wille ist da"
Hochgeschwindigkeitszug startet in China
Die Diskussion ist geschlossen.