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Papst Franziskus: Warum die Kirche in Krisenzeiten laut sein muss

Leitartikel

Die Stimme der Kirche darf nicht leiser werden

Daniel Wirsching
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    Seit Wochen hat sich der schwer lungenkranke Papst Franziskus nicht mehr öffentlich gezeigt. Umso offensichtlicher wird, was ohne ihn fehlt.
    Seit Wochen hat sich der schwer lungenkranke Papst Franziskus nicht mehr öffentlich gezeigt. Umso offensichtlicher wird, was ohne ihn fehlt. Foto: Gregorio Borgia/AP/dpa

    Vor kurzem meldete sich der schwer lungenkranke Papst mit einer Audio-Botschaft erstmals direkt aus dem Krankenhaus. Mit schwacher Stimme, hörbar nach Luft ringend, bedankte sich Franziskus „von ganzem Herzen für die Gebete“ für seine Gesundheit. Die 25-sekündige Aufnahme erschütterte unzählige Gläubige. Jenseits des Mitgefühls, das dem 88-Jährigen in der letzten Phase seines Lebens gilt, muss sein Zustand auf rationaler Ebene nachdenklich machen. Die Stimme des Papstes ist leiser geworden – die der Kirche darf es nicht werden.

    Franziskus ist seit seiner Wahl zum Papst 2013 eine kräftige Stimme

    Schon klar: Eine säkularer werdende Welt mag ohne Kirche und das Amt des römisch-katholischen Papstes auskommen, zumal es bisweilen überkommen wirkt. Und sicher: Äußerungen des Kirchenoberhaupts zu (gesellschafts-)politischen Themen sind keineswegs unfehlbar. Gleichwohl können päpstliche, können kirchliche Einmischungen von großer Bedeutung sein. Sie können zu Veränderungen beitragen, zumindest Debatten und (Denk-)Prozesse anstoßen. Sie können Halt geben und manchmal Einhalt gebieten.

    In einer aus den Fugen geratenen Welt braucht es eine Institution, die imstande ist, sich weltweit Gehör zu verschaffen und die gehört wird. Ob auf sie gehört wird, ist etwas völlig anderes. Wer, wenn nicht die katholische Kirche mit ihren etwa 1,4 Milliarden Mitgliedern, könnte diese Rolle ausfüllen?

    Man darf von ihm halten, was man will: Franziskus ist seit seiner Wahl zum Papst 2013 eine kräftige Stimme. Kräftig waren stets seine Worte, mit denen er sich an die Seite der Armen stellte. Kräftig – das Adjektiv fällt einem bei Worten der deutschen Bischöfe, die sich seit Montag zu ihrer Vollversammlung zusammengefunden haben, nicht gerade ein. Dabei haben sie ebenfalls etwas zu sagen. Und hätten sie sich durch ihren Umgang mit dem Missbrauchsskandal nicht derart beschädigt, würden sie überdies häufiger mit einer Stimme sprechen – dann würden sie auch stärker durchdringen. Zuletzt gelang ihnen das mit ihrer Positionierung zur AfD. Sie sprachen die schlichte Wahrheit aus, dass die in Teilen rechtsextremistische Partei und deren Politik unvereinbar mit dem Christentum sind. Die Abgrenzung war richtig, wichtig und zeigte Wirkung. Auch vermeintlich schlichte Wahrheiten müssen erst einmal formuliert werden.

    Wer die Kirche als „linksgrüne NGO“ schmäht, übersieht etwas ganz Wesentliches

    Wer nun der Kirche vorhält, parteipolitisch zu agieren oder sie als „linksgrüne NGO“ schmäht, übersieht – bewusst – den Kern ihres Arguments: das christliche Weltbild. Dass Kirchenvertreter die „Gottebenbildlichkeit aller Menschen“, also die Achtung der Menschenwürde, anmahnen, ist das Wesen ihres Glaubens. Sie dürfen nie nachlassen, Menschenwürde einzufordern – weder beim Thema AfD noch beim Thema Migration. Politisch ist das Christentum in diesem Sinne von Anfang an.

    Es ist nicht lange her, dass evangelische und katholische Kirche in Deutschland – wo man ja gerne auf christliche Wurzeln und Werte verweist – CDU und CSU dafür kritisierten, dass diese mithilfe von AfD-Stimmen einen Antrag im Bundestag zu einer härteren Migrationspolitik durchbrachten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empfahl ihnen daraufhin schroff Zurückhaltung bei politischen Themen, lieber sollten sie sich „um die ein oder anderen christlichen Themen“ kümmern. Der evangelische Christ und Chef der Christlich-Sozialen Union in Bayern – und bei Weitem nicht nur er allein – hat da offensichtlich etwas übersehen. Auch, dass die Frohe Botschaft unbequem ist.

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