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Diese Gesetze will die EU-Kommission sich noch einmal ansehen

EU-Kommission

Zeitenwende in Brüssel: Welche Gesetze auf dem Prüfstand stehen

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    Das Lieferkettengesetz könnte deutlich abgeschwächt werden.
    Das Lieferkettengesetz könnte deutlich abgeschwächt werden. Foto: Jürgen Bätz, dpa (Symbolbild)

    Ursula von der Leyen bezeichnete den Grünen Deal einst mit dem ihr eigenen Pathos als Europas Mondlandung. Dieses kolossale Werk der Gesetzgebung sollte nicht nur als glänzendes Vorbild für die Welt dienen, sondern sie gleich retten. Klima- und Umweltschutz als das Geschäftsmodell der Zukunft – die EU-Kommissionspräsidentin nutzte den Zeitgeist. Doch die Vergangenheit ist eine andere Welt. In der heutigen werden die Europäer von der Sorge geplagt, im Wettbewerb mit den Großmächten USA und China immer weiter zurückzufallen. Wenige Monate nach dem Start ihrer zweiten Amtszeit bricht von der Leyen deshalb mit der Politik der letzten fünf Jahre.

    Jetzt lautet das Ziel, Europas Wirtschaft wieder anzukurbeln, die Strompreise zu senken sowie kleine und mittelgroße Unternehmen von den Fesseln der Bürokratie zu befreien. Firmen sollen sich auf Wachstum, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit konzentrieren, statt Zeit und Energie mit Papierkram zu verschwenden. Diese Woche hat die Kommission erste Lösungsvorschläge geliefert, unter anderem in Form des „Omnibus“-Pakets, der Begriff steht für die Vereinfachungsoffensive. Unter anderem will die Behörde die meisten Firmen aus der Pflicht nehmen, Umweltbilanzen zu erstellen.

    Der Aufschrei von Grünen, Sozialdemokraten und Naturschutzverbänden fiel entsprechend laut aus. Dabei sind sich im Grunde alle einig, dass die Kommission gut daran tut, ihren ausgearteten Regeldschungel zu durchpflügen. Doch es ist eine Gratwanderung. Gerade beim umstrittenen EU-Lieferkettengesetz gelingt ihr das Kritikern zufolge nicht. Die Richtlinie soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, dass die Natur nicht ausgebeutet wird oder Kinder auf den Kaffeeplantagen arbeiten. Die Kommission will jedoch die zivilrechtliche Haftung für Konzerne streichen. Damit hätten Betroffene keine Möglichkeit, vor europäischen Gerichten gegen die Unternehmen zu klagen. Das Instrument wäre laut Experten de facto wirkungslos.

    Umgeht die EU-Kommission demokratische Prozesse?

    Hinzu kommt, dass das Vorhaben ein demokratisches Verfahren durchlaufen hat. Dass die EU-Kommission die Richtlinie nun „in einem noch nie dagewesenen Schnelldurchlauf bis zur Bedeutungslosigkeit verwässern“ wolle, sei deshalb „skandalös“, sagte Verena Graichen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Demokratische Prozesse müssten verlässlich sein. Die Frage, die sich die EU-Spitzen seit Tagen gefallen lassen müssen, lautet denn auch: Was ist schiefgelaufen, wenn plötzlich Gesetze, die kein Jahr alt sind, nun schon wieder korrigiert oder ganz kassiert werden sollen?

    Tatsächlich wird der Grüne Deal auf Druck der Konservativen und vieler Wirtschaftsverbände seit rund einem Jahr Stück für Stück entkernt. Ein konservativer Parlamentarier formuliert es hinter vorgehaltener Hand so: Man sei damals „high auf Greta-Thunberg-Steroiden“ gewandelt. Der Kurswechsel geht auch auf die veränderten Verhältnisse in Brüssel zurück. Die Christdemokraten dominieren mittlerweile alle EU-Institutionen und machten Druck auf von der Leyen, bei Entwaldungsverordnung, Lieferkettengesetz, Verbrenner-Aus oder Flottengrenzwerten zurückzurudern.

    Dass die Kommission mit der Gesetzesflut und ihrem Versuch zum Mikromanagement übers Ziel hinausgeschossen ist, daran besteht kaum ein Zweifel. Doch mit den Entbürokratisierungs-Versprechen würden Erwartungen geweckt, „die nicht zu halten sind“, kritisiert der grüne EU-Abgeordnete Michael Bloss. In Brüssel bahnt sich deshab ein Kulturkampf an. Offen ist, ob es danach noch jene informelle Koalition der Mitte im Europaparlament geben wird, zu der Konservative, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne zählen. Im Mitte-Links-Lager wird befürchtet, dass die Christdemokraten Stimmen vom rechten Rand akzeptieren, um den Grünen Deal zu erledigen.

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