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Hamas übergibt erste Geiseln an Israel

Krieg in Nahost

Israelische Geiseln freigelassen: Bangen bis zur letzten Minute

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    Emily Damari , Doron Steinbrecher und Romi Gonen kamen nach mehr als einem Jahr in Geiselhaft frei.
    Emily Damari , Doron Steinbrecher und Romi Gonen kamen nach mehr als einem Jahr in Geiselhaft frei. Foto: Hostage‘s Family Forum, dpa

    Am 7. Oktober 2023, als das Massaker der Hamas auf dem Nova-Musikfestival schon im vollen Gange war, rief die damals 23-jährige Romi Gonen ihre Mutter an. Sie saß mit Freunden im Auto, Terroristen hatten ihr ins Bein geschossen, sie verlor Blut. „Ich bin hier, meine Süße, alles wird gut werden“, antwortete Romis Mutter, Meirav Gonen. Die Familie hat diesen Ausschnitt des Gesprächs veröffentlicht. „Wir werden zum Krankenhaus fahren, und alles wird gut werden, und du wirst dich besser fühlen. Und dann werden wir reisen gehen, wohin auch immer du möchtest.“ Sie habe ihre Tochter beruhigen wollen, sagte Meirav Gonen später in einem Interview, „damit sie, falls sie sterben würde, einfach… sehr ruhig wäre.“

    Doch Romi Gonen starb nicht. Stattdessen verschleppten Terroristen sie nach Gaza. Das letzte Mal hörte die Familie im November 2023 von ihr: Einige der damals freigelassenen Geiseln erzählten, sie hätten Romi gesehen. Nun, nach über 15 Monaten, ist Romi Gonen freigekommen: Ihr Name stand, zusammen mit den Namen zweier weiterer junger Frauen, auf der Liste von Geiseln, die die Hamas im Rahmen des neuen Abkommens mit Israel zuerst freilassen soll. Um kurz nach 16 Uhr deutscher Zeit meldete die israelische Armee, dass die Frauen von der Hamas an das Rote Kreuz übergeben worden sind. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie die drei Frauen in einem Fahrzeug in Gaza von einer großen Menge umringt wurden. Bewaffnete Hamas-Mitglieder begleiteten die Geiseln und drängten die Menschen zurück. Die Frauen stiegen schließlich aus dem Fahrzeug aus. Eigentlich hätten sie schon am Sonntagnachmittag freikommen sollen. Doch der Zeitplan hatte sich verzögert.

    Übergabe der Geiseln hatte sich verzögert

    Der Einigung zufolge hätte die Hamas die Geisel-Liste schon Samstagabend an Israel übergeben sollen; anschließend sollte die Waffenruhe im Gazastreifen am Sonntag um 8:30 Uhr Ortszeit in Kraft treten. Doch weil das Papier erst Sonntagvormittag in Israel eintraf, setzte Israels Armee, die IDF, ihre Einsätze in Gaza bis 11:30 fort. Die ersten Opfer der Verzögerung waren Palästinenser: Angaben der Hamas-Behörden zufolge kamen in diesen drei zusätzlichen Stunden 19 Menschen in Gaza ums Leben.

    Die Hamas begründete die Verspätung mit „technischen Schwierigkeiten“. Manche Analysten vermuten, die Männer der Terrororganisation hätten Schwierigkeiten, miteinander in Gaza zu kommunizieren, weil sie – aus Furcht vor israelischen Abhörversuchen – auf Mobiltelefone verzichteten. Andere Experten dagegen meinen, die Verzögerung sei Teil der psychologischen Kriegsführung der Gruppe. „Technische Probleme sind ganz sicher nicht der Grund“, sagt Michael Milshtein, Vorsitzender des Forums für Palästinenserstudien an der Universität von Tel Aviv und ehemaliger Leiter der Abteilung für palästinensische Angelegenheiten des militärischen Geheimdienstes, im Gespräch mit unserer Redaktion. „Zum einen sieht die Hamas gern, unter welchem irrsinnigen Druck die israelische Gesellschaft steht. Außerdem will sie die Grenzen austesten und herausfinden, in welchen Punkten sie Israel in die Knie zwingen kann. Davon werden wir in den nächsten 42 Tagen noch sehr viel mehr sehen.“

    Frauen wurden aus einem Kibbuz entführt

    Für die Familien der Geiseln dürfte die Anspannung schwer auszuhalten gewesen sein. Zusammen mit Romi Gonen kamen die 28-jährige Emily Damari und die 31-jährige Doron Steinbrecher frei. Damari und Steinbrecher wurden aus dem Kibbutz Kfar Aza entführt, einem jener Kibbuzim nahe des Gazastreifens, in denen die Terroristen der Hamas am schlimmsten wüteten. Beide wurden bei dem Überfall verletzt. Sie werden nun ins Sheba Medical Center in Tel Aviv gebracht. Für viele andere Angehörige geht das Bangen weiter. Die Hamas hat zwar im Rahmen des Abkommens eine Liste von 33 Geiseln abgesegnet, die in der ersten, auf sechs Wochen angelegten Phase übergeben werden sollen. Die Gruppe hat sich jedoch geweigert, anzugeben, wer davon überhaupt noch am Leben ist. Israelische Analysten gehen davon aus, dass 25 der 33 Personen noch leben.

    Meirav Gonen glaubte trotz aller Unsicherheit daran, ihre Tochter bald lebendig in die Arme schließen zu können. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Kanal 12 beschrieb sie Ende vergangener Woche, wie sie und ihre Familie sich auf Romis Rückkehr vorbereiteten. „Wir haben eine Tasche mit ihren Sachen, und nun haben wir uns gefragt, wo ihr Parfüm ist, welches Deodorant sie am liebsten mag und welches Shampoo wir mitbringen sollen“, sagte sie. „Ich weiß nicht, ob sie bei ihrer Ankunft selbst gehen wird“, fügte Gonen mit Blick auf Romis Schussverletzung hinzu. „Aber auch, wenn sie sie im Rollstuhl herbringen, ist das immer noch meine Tochter, die ich geboren habe. Und das hier ist auf gewisse Weise wie eine zweite Geburt.“

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