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„Libanon: Zarte Hoffnungen auf Stabilität trotz Gewalt und Flüchtlingskrise“

Analyse

Trotz Krieg und Gewalt in Nahost: Zarte Hoffnungen im Libanon

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    Hoffnungsträger für den Libanon? Präsident Joseph Aoun, ein maronitischer Christ, ist  seit Januar 2025 im Amt. Er will die Macht der Hisbollah begrenzen.
    Hoffnungsträger für den Libanon? Präsident Joseph Aoun, ein maronitischer Christ, ist seit Januar 2025 im Amt. Er will die Macht der Hisbollah begrenzen. Foto: Xinhua/Imago

    Der Nahe Osten wird seit Jahrzehnten von Konflikten und Kriegen dominiert, die wellenartig eskalieren, um dann wieder abzuflauen. Misstrauen und Hass führen dazu, dass sich dieses Szenario in unregelmäßigen Abständen wiederholt. Zu befürchten ist, dass es nach der letzten gewaltigen Eruption erneut so kommt. Die Folgen der durchgreifenden Verschiebungen fest gefügter Machtstrukturen durch die dramatische Schwächung des Iran sind nur schwer absehbar. Im Libanon immerhin kommt eine zarte Hoffnung auf, dass sich trotz des Leids und der Zerstörung durch die Kriege in der Region neue Chancen eröffnen.

    Diese diffuse Stimmung spürt auch die exzellente Kennerin des Libanons, Jacqueline Flory: „Tatsächlich habe ich im Land so etwas wie Aufbruchstimmung wahrgenommen“, sagt die Gründerin der Hilfsorganisation Zeltschule, die Schulen für geflüchtete Kinder im Libanon und auf der syrischen Seite der Grenze betreibt.

    Die Ausgangsposition des Landes könnte schlechter kaum sein

    Die Ausgangsposition für den Libanon ist allerdings kaum besser als für das Nachbarland Syrien, das nach dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad unter dem de facto Staatschef Ahmed al-Sharaa um Stabilität ringt. Die Wirtschaft ist am Boden, die Inflation exorbitant, rund 80 Prozent der Libanesinnen und Libanesen leben unter der Armutsgrenze. Längst kollabiert ist die einst funktionierende paritätische Aufteilung der Macht zwischen den Religionen. Hinzu kommt, dass der Libanon seit dem Beginn des Krieges in Syrien im Jahr 2011 insgesamt mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat – bei rund 5,5 Millionen Einwohnern. Auf Deutschland umgerechnet wären das weit über 20 Millionen Menschen.

    Das Schicksal des Libanons und Syriens ist eng verknüpft. Trotz aller Rückschläge – zuletzt gab es einen blutigen Anschlag gegen Christen – hofft Libanons Präsident Joseph Aoun, dass es der syrischen Regierung gelingt, funktionierende Strukturen aufzubauen. „Das Grundproblem für beide Länder ist, dass keiner in instabilen Staaten investiert. Wenn kein Geld da ist, dann ändert sich wiederum nichts an der Instabilität. Immerhin ist jetzt in beiden Ländern endlich der Wille da, aus diesem Teufelskreis auszubrechen – das war vor zwei Jahren noch anders“, sagt Flory vorsichtig optimistisch.

    Die Hisbollah muss harte Schläge hinnehmen

    Die islamistische Hisbollah-Miliz musste harte Schläge hinnehmen: Die schweren Angriffe Israels im Jahr 2024, die jetzt wieder aufflammen - am Freitag gab es erneut israelische Luftangriffe auf Stellungen der Hisbollah. Zudem die Liquidierung von Teilen der Führung. Vor wenigen Tagen die militärische Demütigung ihrer Schutzmacht Iran durch Israel und die USA. „Die Hisbollah ist stark geschwächt. Aber ich fürchte, dass der Iran in absehbarer Zeit wieder versuchen wird, seine Proxys - also die Verbündeten Teherans in der Region - zu unterstützen. Schon bald wieder könnten nachts die Flugzeuge mit Dollars für die Hisbollah in Beirut landen. Aus eigener Kraft hat der Libanon keine Chance, sich gegen ihre Macht zu wehren. Die regulären Streitkräfte sind dazu derzeit nicht in der Lage“, sagt Flory.

    Dass sie nicht ganz ihren Optimismus verloren hat, liegt auch am libanesischen Präsidenten. Der frühere Oberbefehlshaber der Armee ist seit Januar im Amt. „Ich kenne ihn schon sehr lange persönlich und bin mir sicher, dass er das Land ehrlich voranbringen will. Er gehört nicht zu den steinreichen Eliten, denen es nur um die eigene Macht geht.“ Aoun verfolge das Ziel, dass die libanesischen Streitkräfte eines Tages die stärkste militärische Macht im Land stellen. „Aber das ist ein weiter Weg.“

    Präsident Joseph Aoun hofft auf Unterstützung aus dem Ausland

    „Stabilität in Syrien würde sich positiv auf den Libanon und die gesamte Region auswirken“, sagte Aoun kürzlich. Der Präsident hofft auf finanzielle Hilfe auf dem Ausland, setzt darauf, dass US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben, schnell umsetzt. Die EU hat die Sanktionen bereits im Mai weitgehend außer Kraft gesetzt. In einer Analyse der Weltbank wird ein Bedarf von zunächst knapp zehn Milliarden Euro genannt, um eine wirtschaftliche Erholung anzustoßen.

    Dazu müsste auch die Überforderung durch die Fluchtbewegungen aus Syrien überwunden werden. „Rund 90 Prozent der erwachsenen Syrer im Libanon haben keinen offiziellen Job, weil sie sich die 250 Euro pro Jahr für eine Arbeitserlaubnis nicht leisten können. Da diese Regelung für Kinder nicht gilt, schuften Zehntausende Jungen und Mädchen für einen Hungerlohn in der Landwirtschaft“, sagt Jacqueline Flory. Immerhin kommen derzeit deutlich weniger syrische Flüchtlinge im Libanon an, als in ihre Heimat zurückgehen. „Wer es sich leisten kann, geht zurück.“

    Grundvoraussetzung für Investitionen aus den reichen Golfstaaten oder Europa ist neben politischer Stabilität ein funktionierender Bankensektor. Wenn aber die Hisbollah den Libanon weiterhin als ihr Eigentum betrachtet, bleibt diese Hoffnung ein unerfüllter Traum.

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