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Reisereportage: Wie sich Südtirol zur Region für Genießer gemausert hat

Genuss in Südtirol

Die steile Karriere der Südtiroler Küche: Wo Genießer heute glücklich werden

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    Das Kloster Neustift bei Brixen hat einen eigenen Weinberg - und einen Verkostungsautomaten.
    Das Kloster Neustift bei Brixen hat einen eigenen Weinberg - und einen Verkostungsautomaten. Foto: Dan74/stock.adobe.com

    Es war ein hartes, entbehrungsreiches Leben, damals in den Bergen. Wenig geeignete Flächen für Getreide- und Gemüseanbau, lange und kalte Winter taten ihr Übriges. Viele Südtiroler Familien mussten mit viel Sparsamkeit und Kreativität ihr Überleben in den Bergen sichern. Heute ist die Arme-Leute-Küche ein absoluter Trumpf, Südtirol hat sich zu einer absoluten Genussregion entwickelt, die traditionellen Gerichte wurden weiterentwickelt und verfeinert. Viele Gourmets und Feinschmeckerinnen kommen, um sich durch die Südtiroler Spezialitäten zu schlemmen.

    Da gibt es Knödel in allen Variationen, Schlutzkrapfen, frittierte Kartoffel-blatteln, besonders lang gelagerten Käse, süße, knackige Äpfel aus einem der größten Obstanbaugebiete Europas, zart geräucherten Speck – und natürlich Schüttelbrot. Für den Brixener Bäckermeister Benjamin Profanter ist gerade die Südtiroler Brotkultur Ausdruck der historischen Entwicklung von Südtirols Esskultur. Er ist einer der vielen Südtiroler Lebensmittelproduzenten, die sich mit Leib und Seele ihren Produkten verschrieben haben.

    Das Brot sicherte den Familien in Südtirol das Überleben

    Im Keller seiner Backstube hat Benjamin Profanter, der mit zehn Jahren erstmals in der heimischen Bäckerei mitgeholfen hatte, einen kleinen Verkostungsraum eingerichtet. Dort zeugen historische Geräte von der Geschichte des Südtiroler Brots. Unter anderem hängen dort hölzerne Gitterkisten von der Decke. In denen wurde das Brot aufbewahrt, berichtet Profanter. „Zum Schutz vor Mäusen, aber auch vor den eigenen hungrigen Kindern oder vor Einbrechern“, sagt er. Für die Haustür habe sich längst nicht jeder ein teures Schloss leisten können, die Brotkisten seien aber immer abgesperrt gewesen. Denn das Brot sicherte der Familie das Überleben. Musste eingeteilt werden.

    In der Mitte muss das Schüttelbrot so dünn sein, dass die Sonne hindurchscheinen kann, sagt Bäckermeister Benjamin Profanter.
    In der Mitte muss das Schüttelbrot so dünn sein, dass die Sonne hindurchscheinen kann, sagt Bäckermeister Benjamin Profanter. Foto: Marko Petz

    Auch die Machart des Schüttelbrots geht auf die Lebensumstände der bäuerlichen Familien in den Bergen zurück. Man hatte keine Hefe und habe auch keine klassischen Sauerteige gerührt, erklärt der Bäckermeister. „Aber wie war es früher? Der Bauer war erst im Stall, hatte keine Seife zur Verfügung und schwitzte vielleicht noch ordentlich, wenn er eine Stunde lang in der warmen Stube den Teig rührte.“ Was in unseren Ohren höchst unhygienisch klingt, nennt der Bäckermeister „spontane Gärung“. So konnte auch ohne Hefe oder Sauerteig aus der Mischung aus Mehl, Wasser und Brotgewürzen ein bekömmlicher Brotteig entstehen. Heute werde die „spontane Gärung“ natürlich nicht mehr durch schmutzige Hände ausgelöst.

    Üblicherweise wurde nur zwei Mal im Jahr gebacken – das Beheizen der Öfen war aufwendig und teuer. Also buk man den Teig zu haltbaren, harten Fladenbroten. Sie sollen so dünn sein, dass die „Sonnen durchscheinen“ kann, sagen die Südtiroler über ihr Schüttelbrot, das im Übrigen so heißt, weil die Teiglinge nicht ausgerollt, sondern auf runden Holzbrettchen flach geschüttelt werden. Mit sanften Bewegungen lassen die Bäckerinnen und Bäcker in Profanters Bio-Backstube die Teiglinge immer wieder aufs Holz fallen, indem sie das Brettchen stets nach unten wegziehen. Bei den Führungen dürfen sich auch Schüttelbrotneulinge an der Technik probieren. Doch die meisten stellen schnell fest: Das ist deutlich komplizierter als es aussieht. Lieber essen als selbst backen, das ist die Lektion, die die Besucherinnen und Besucher hier rasch verinnerlichen.

    Südtiroler Winzer müssen auf Qualität statt Quantität setzen

    Auch der Südtiroler Wein entwickelte sich zunehmend zum exklusiven Gourmetprodukt. Gerade einmal 0,7 Prozent von Italiens Weinanbauflächen liegen in Südtirol. Zu wenig, um bei den großen Produzenten mitmischen zu können. Die Südtiroler legten den Fokus daher früh auf Qualität. Schon seit Jahrzehnten gelten in Italiens Norden besonders strenge Standards, erklärt Hannes Baumgartner vom Weingut Strasserhof.

    Winzer Hannes Baumgartner rät zur Vorsicht bei der Weinverkostung: Die Südtiroler Tropfen haben es in sich, was den Alkoholgehalt anbelangt.
    Winzer Hannes Baumgartner rät zur Vorsicht bei der Weinverkostung: Die Südtiroler Tropfen haben es in sich, was den Alkoholgehalt anbelangt. Foto: Florian Ankner

    Mit dem Geschmack der Konsumenten verändert sich auch der Anbau. In Südtirol hat der Weißwein den Rotwein inzwischen abgehängt. Baumgartner: „Heute haben wir 65 Prozent Weißwein, 35 Prozent Rotwein. Vor zehn Jahren war dieses Verhältnis noch andersherum.“

    Nebenbei entdecken die Winzer auch alte Rebsorten neu. In Südtirol feiert gerade der Kerner ein kleines Comeback. 1929 in Deutschland als Kreuzung aus Trollinger und Riesling gezüchtet, galt die ertragreiche Sorte hierzulande bald als billiger Massenwein, geriet in Verruf und wird kaum mehr angebaut. Die Südtiroler Weingüter, wie der Strasserhof, bringen nun die feinen Eigenschaft des Kerner zum Vorschein. Eine überraschende Entdeckung beim Winetasting in Südtirol.

    Im Kloster Neustift steht ein Weinverkostungsautomat

    Verschiedene Südtiroler Weingüter bieten Probierrunden für Gäste an. Tägliche Weinverkostungen und sogar einen Verkostungsautomaten gibt es auch beim Kloster Neustift bei Brixen. Zwischen Weinbergen liegt das alte Augustiner-Kloster, in dem die Mönche schon seit mindestens 1170 Wein anbauen. Nach einem langen und lehrreichen Rundgang durch die mittelalterlichen Mauern und die in prächtigstem Barock ausgemalte Klosterkirche ist es nur angemessen, sich mit einem edlen Tropfen zu belohnen.

    Die Weine aus Südtirol sind in der Regel edle Tropfen.
    Die Weine aus Südtirol sind in der Regel edle Tropfen. Foto: Florian Ankner

    Winzer Hannes Baumgartner warnt beim Probieren aber auch: Unterschätzen dürfe man die Wirkung der Südtiroler Weine nicht. Im vergleichsweise kühleren Klima der Alpen tragen die Weinstöcke zwar weniger Trauben, dafür stecken die Pflanzen ihre ganze Kraft in diese wenigen Früchte. So entstehen kräftige, fruchtige Weine, die es mit einem Alkoholgehalt von 13 bis 14 Prozent auch ziemlich in sich haben. „Da bekommt man schon was für sein Geld“, scherzt der Winzer.

    Mit einem ganz anderen Getränk beschäftigt man sich ganz in der Nähe der Brixener Weinberge. Bei der Sennerei Brimi dreht sich alles um die Milch. Wer nun kräftigen Südtiroler Bergkäse erwartet, täuscht sich. „Den besten Mozzarella der Welt“ wolle man hier herstellen, sagt Brimi-Exportleiter Zeno Staffler.

    Wie Brimi zum größten Mozzarella-Produzenten Italiens wurde

    Hinter Brimi steckt die Genossenschaft Brixener Milch, heute Milchhof Brixen. Die Sennerei verarbeitet das, was die rund 1000 Bauern, die Mitglied der Genossenschaft sind, liefern. Zeno Staffler führt durch den Betrieb – vorbei an großen Edelstahltanks und Fließbändern, auf denen die Produkte der Sennerei Richtung Verpackungsstation fahren. Die Verarbeitung der Milch erfolgt heute im industriellen Maßstab. Von den Produzenten zeichnet Staffler aber ein anderes Bild, spricht von Bergbauernklischees. Im Schnitt hätten die Genossenschaftsbauern 15 Kühe im Stall.

    Auch hinter Brimi steckt eine Geschichte von wirtschaftlichem Fortschritt und Aufschwung. Von Bergbauern, die bis weit ins 20. Jahrhundert als Selbstversorger lebten und die heute in ihrer Genossenschaft der größte Mozzarellaproduzent Italiens sind. 1969 wurde Brimi aus dem Zusammenschluss zweier kleinerer, ebenfalls schon genossenschaftlich arbeitenden Sennereien gegründet. Der Betrieb war auf Frischkäse spezialisiert. Mit Blick nach Süditalien reifte in den 70er Jahren die Idee, auch Mozzarella herzustellen. Mozzarella aus den Bergen? „Die Leute haben uns für verrückt erklärt“, sagt Zeno Staffler. Doch das Risiko hat sich ausgezahlt. Heute ist Brimi mit 50 Tonnen Mozzarella pro Tag der führende Hersteller Italiens.

    Die Südtiroler Genossenschaftssennerei Brimi gehört heute zu den größten Mozzarellaproduzenten Italiens.
    Die Südtiroler Genossenschaftssennerei Brimi gehört heute zu den größten Mozzarellaproduzenten Italiens. Foto: Franziska Wolfinger

    Das Sortiment umfasst neben der klassischen weißen Kugel auch Butter, Mascarpone und Trinkjoghurt, zudem Mozzarella in Heumilch- und Bioqualität und den bei Feinschmeckern immer beliebter werdenden Fior di Latte. Während die Milch für den klassischen Mozzarella üblicherweise mithilfe von Zitronensäure gestockt wird, nutzt man für Fior di Latte natürliche Kulturen und Fermente, erklärt Zeno Staffler. So schmeckt Fior di Latte kräftiger und etwas säuerlicher als der Mozzarella.

    Schlemmen bei der Eisacktaler Kost

    Käse, Speck, Äpfel, Honig, Schüttelbrot: Eine Rückbesinnung auf die lokalen Spezialitäten und traditionellen Gerichte der Bergbauernküche gibt es zum Beispiel bei der Eisacktaler Kost, dem ältesten Foodfestivals Südtirols. Es findet immer über mehrere Wochen im Frühjahr statt – dann, wenn es zum Skifahren schon zu warm und zum Wandern noch zu kalt ist, sollen die Gäste zum Schlemmen ins Eisacktal kommen.

    Frittierte Kartoffelplatteln sind eine alte Südtirole Spezialität. Zur Eisacktaler Kost werden sie in manchen Restaurants besonders schick serviert - hier im „Pachers“ in Neustift.
    Frittierte Kartoffelplatteln sind eine alte Südtirole Spezialität. Zur Eisacktaler Kost werden sie in manchen Restaurants besonders schick serviert - hier im „Pachers“ in Neustift. Foto: Marko Petz

    Seit mehr als vier Jahrzehnten ist auch der Gasthof Post im Wallfahrtsort Trens mit dabei. Chefin Karin Salzburger nimmt zur Eisacktaler Kost aber auch viele Reservierungen von Einheimischen entgegen, die die traditionelle Küche des „Valle Isarco“ zu schätzen wissen. „Je traditioneller die Gerichte, umso besser kommen sie an“, sagt Salzburger, die heuer wieder Gerichte auf die Speisekarte genommen hatte, die man dort sonst eher selten liest. Im Sinne der ganzheitlichen Verarbeitung von Schlachttieren serviert sie zur Eisacktaler Kost auch gebackenes Kalbsbries oder Zunge. Aber auch die frittierten Kartoffelblatteln und die Brennnesselknödel mit Schüttelbrotcrumble gehen gut.

    Es gibt viel zu probieren und neu zu entdecken in der Südtiroler Kulinarik. Eins ist sicher: Mit karger Arme-Leute-Küche hat das, was in Italiens nördlichster Provinz auf den Tisch kommt, nichts mehr zu tun.

    Die Autorin recherchierte auf Einladung der IDM Südtirol.

    Kurz informiert

    Anreise: Eine Alternative zur Anfahrt mit dem Auto über die Brennerautobahn, die wegen der mehrere Jahre dauernden Sanierung der Luegbrücke einen Stauschwerpunkt ist, bieten die Züge der ÖBB. Die Bahnfahrt führt unkompliziert über München und Innsbruck Richtung Brixen.

    Übernachten: Das familiengeführte Hotel Gasthaus Post in Trens (Gemeinde Freienfeld) Sterzing DZ ab 139 Euro pro Nacht, Kontakt: +39 0472 647 124 oder info@post-trens.it. Wer Luxus will, ist im ebenfalls frisch renovierten 4-Sterne Boutiquehotel „Pachers“ in Neustift bei Brixen richtig. DZ ab 282 Euro pro Nacht, Kontakt: +39 0472 836570 oder info@hotel-pacher.com.

    Genusswochen: Die Eisacktaler Kost ist die älteste Spezialitätenwoche Südtirols. Sie verbindet Tradition und Qualität der Südtiroler Küche. Die 54. Ausgabe findet im Frühjahr 2026 statt. Mehr Infos: www.eisacktalerkost.info

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