Es sieht aus, als hätte da draußen jemand eine Fototapete aufgehängt – eine von den ganz kitschigen, so mit sanft geschwungenen Palmen vor zartrosa Himmel, wo im funkelnden Meer gerade die rot-goldene Sonne versinkt. Kann alles nicht echt sein, viel zu schön. Aber dann sind da dieses Wellenrauschen, das Klimpern der Eiswürfel im Cocktailglas, die sanfte Barmusik und die Erkenntnis: Leben in einer Fototapete ist möglich. Schauplatz ist Saint Vincent im Südosten der Karibik.
Der kleine Inselstaat mit knapp 120.000 Einwohnern existiert seit 1979 und heißt offiziell „Saint Vincent und die Grenadinen“. Wer sich auskennt spricht von „SVG“, echte Fans sagen „Vincy“ und das dürfte fast jeder sein, der mal dort war.

Der Regenwald auf Saint Vincent reicht manchmal bis an die Strände
Die üppig grünen Inseln, die wirken, als hätte sie jemand ins türkisblaue karibische Meer getupft, sind ein Traum. Aus buchstäblich jeder Ritze quillt tropisches Grün, in Gärten und auch an den Straßenrändern blüht es in allen Farben und auf den Plantagen wachsen tropisches Obst und Gewürze wie Muskatnuss oder Nelken. Dazwischen dramatische Berge, Vulkane und fast undurchdringlicher Regenwald, der manchmal bis direkt an die Strände reicht. Und als ob das nicht genug wäre, geht es unter Wasser mit tropischen Fischen und bunten Korallen paradiesisch weiter.
Die perfekte Kulisse also für einen Traumurlaub, für den sich im ersten Fünf-Sterne-Resort auf der Insel bis zu 1000 Mitarbeiter ins Zeug legen. In einer stillen Bucht liegt die neueste Anlage der Sandals-Kette mit 301 Zimmern, Bungalows und Villen. In den Gärten und am Strand finden sich verschiedene Pools, neun Bars und elf Restaurants. Um entspannt von A nach B zu kommen, stehen überall Fahrräder herum. Wer möchte, wird aber auch in surrenden Golfcarts chauffiert. Die Reihen der Bungalows wirken wie eine amerikanische Vorstadt-Idylle aus dem Kino. Der Rasen ist frisch manikürt, die Blumen im Vorgarten sind farblich auf die Fassaden abgestimmt und die winzigen Kolibris, die wie dunkelgrüne Edelsteine schimmern, runden das fast unwirkliche Bild noch ab.

Der Alltag scheint hier meilenweit weg. Problematisch ist höchstens die Entscheidung, ob es an den Strand, an den Pool oder zum Schnorcheltrip gehen soll und ob es vielleicht noch ein drittes Eis und auch vor 17 Uhr schon mal ein Cocktail sein darf.
Historische Arkaden schützen in der Inselhauptstadt vor Sonne und Tropenregen

Auch wenn niemand sich gern aus dem Paradies vertreiben lässt, wäre es doch ein Fehler, Saint Vincent und seine anderen Inseln nicht zu erkunden. Die Hauptstadt Kingstown ist ziemlich klein, ziemlich bunt und gut für einen entspannten Spaziergang. „Hier haben schon die Franzosen und die Engländer ihre Spuren hinterlassen“, erklärt Marlon Joseph vom „Tourist Board St. Vincent“. Zum Schutz vor tropischem Regen und als Schattenspender haben die meisten alten Häuser Arkadengänge. „Kingstown heißt deshalb auch Stadt der Bögen“, so Joseph. Auf dem Gemüsemarkt geht es eher gemütlich zu. In den Kisten der Händler liegt, was auf der Insel wächst und fast immer darf probiert werden. Als gesunde Erfrischung nach dem Spaziergang bei rund 30 Grad empfiehlt der Stadtführer eine frische Kokosnuss, die der Verkäufer mit geübten Machetenhieben öffnet.

Dass Touristen aus Europa und vor allem aus Deutschland viel Wert auf Gesundheit legen, weiß Marlon Joseph von den Kreuzfahrtgästen. Seit einiger Zeit legen in St. Vincent auch europäische Kreuzfahrtschiffe an und für deren Gäste wurde das Ausflugsprogramm angepasst. „Die Amerikaner wollen meist eine Inselrundfahrt und mögen es eher gemütlich“, beschreibt Joseph. „Für die Deutschen sollte es aber mindestens eine Wanderung auf den Vulkan sein oder auch eine Dschungeltour mit dem Mountainbike.“ Beides ist mittlerweile fester Bestandteil des Programms, wenn auch derzeit keine Vulkanbesteigung möglich ist. Der 1220 Meter „Soufrière“ im Norden der Insel ist 2021 das letzte Mal ausgebrochen und noch immer brodelt es im Berg. Es wird deshalb dringend empfohlen, ihn nur aus der Ferne zu bestaunen.
Ein berühmter Seefahrer brachte einst die Brotfrucht auf die Insel. Heute ist sie Nationalgericht
Im botanischen Garten von Kingstown wächst und wuchert baumhoch, was die Touristen aus dem kühlen Norden als winzige Zimmerpflanze kennen. Sorgsam gehegte Blumenschätze von der heimischen Fensterbank zeigen hier ihr Unkrautpotenzial und ganz hinten im Garten steht ein eher unspektakulärer Baum, der jedoch der ganze Stolz der Inselgärtner ist: Ein Brotfruchtbaum, der aus einem Ableger entstanden ist, den Ende des 18. Jahrhunderts Captain William Bligh auf die Insel gebracht hat, nachdem er die legendäre Meuterei auf der Bounty überlebt hatte.

Damals war St. Vincent so etwas wie ein botanisches Versuchslabor der britischen Kolonialherren. Nutzpflanzen aus Südostasien und der Südsee wurden in die Karibik gebracht, um auszuprobieren, ob sie auch dort angebaut werden können. Bei zahlreichen Gewürzen und vor allem bei der Brotfrucht hat dieser Versuch funktioniert. „Brotfrucht ist nicht nur mein Lieblingsessen, sondern auch das Nationalgericht von Saint Vincent“, erzählt Marlon Joseph und tatsächlich sieht man überall auf der Insel die großen Bäume mit den gezackten Blättern und den nahrhaften Früchten. „Es gibt unzählige Möglichkeiten, die Brotfrucht zuzubereiten“, weiß Joseph, doch für den ungeübten Gaumen des Touristen erschließt sich der geschmackliche Reiz nicht sofort.

Der landschaftliche Reiz von Saint Vincent dagegen ist offensichtlich und hat auch die Filmemacher aus Hollywood überzeugt, als sie Kulissen für die „Fluch der Karibik“-Reihe gesucht haben. Zwar wurde für die Filme manches etwas nachbearbeitet und zum Beispiel eine Felsformation an der Küste in einen Höhleneingang verwandelt, aber wer die Abenteuer des Captain Sparrow kennt, findet das eine oder andere Stück „Vincy“ auch im Kino wieder. Auf der Insel werden für Fans Bootstouren zu den Drehorten angeboten.

Auf der winzigen Insel Mustique haben viele Stars ihre Ferienvillen
Zu einer gewissen Berühmtheit hat es auch Mustique gebracht, eine winzige Insel, die ebenfalls zum Staatsgebiet von St. Vincent gehört. Seit Jahrzehnten haben dort Royals und internationale Showgrößen ihre Villen. Mick Jagger soll hier einst Prinzessin Margaret, die Schwester von Königin Elisabeth, getroffen und nicht nur ein nachbarschaftliches Verhältnis mit ihr gepflegt haben.

Auch heute noch landen auf dem kleinen Inselflughafen die Privatjets und die Villen, die vom Wasser aus zu sehen sind, sind alles andere als bescheiden. Die Jetset-Promis lieben zwar ihre Privatsphäre, tauchen in den kleinen Orten der Insel aber doch immer mal wieder auf. Ein Besuch in Basil’s Bar in der Brittania Bay gehört für viele Inselhopper deshalb dazu, denn hier wurde schon so mancher Star beim Bier beobachtet.

Luxusvillen der ganz besonderen Art stehen auch auf der Insel Bequia. Die jedoch haben ihre besten Tage längst hinter sich und wirken heute wie „Lost Places“. In den 1960-er Jahren haben sich reiche Inselgäste mehrstöckige Häuser in die Steilküste bauen lassen, die zum Teil wie Höhlen ins Gestein reichen und von außen mit den schroffen, teils überwucherten Felsen zu verschmelzen scheinen. Warum in diesen spektakulären Häusern niemand mehr lebt, scheint irgendwie ungeklärt, als Sehenswürdigkeit auf dem Weg zu einem der zahlreichen Strände taugen sie allemal. Einer von ihnen ist übrigens „Princess Margret Beach“. Hierher soll die britische Prinzessin regelmäßig von der Nachbarinsel zum Baden gekommen sein.
Von Bequia geht es per Motorboot zurück nach Saint Vincent. Die Sonne steht schon etwas tiefer, an Bord werden Rumcocktails serviert und Reggaemusik kommt aus den Boxen. Als dann auch noch Delfine aus dem spiegelglatten Meer auftauchen und das Boot in Richtung Sonnenuntergang begleiten, weiß man, das Leben kann noch schöner sein als eine Fototapete.
Der Autor recherchierte auf Einladung von Sandals Saint Vincent
Kurz informiert
Anreise: Saint Vincent hat einen internationalen Flughafen. Von Deutschland gibt es jedoch keine Direktflüge. Die schnellste Verbindung ist über London. Von dort fliegt Virgin Atlantic direkt auf die Insel.
Einreise: Für die Einreise nach St. Vincent und die Grenadinen und bei einer Aufenthaltsdauer von bis zu sechs Monaten benötigen deutsche Staatsangehörige kein Visum. Flugreisende müssen im Besitz eines Weiter- oder Rückflugtickets sein.
Wohnen: Das Sandals Saint Vincent wurde im März 2024 eröffnet und gehört zur Sandals-Gruppe, die in der Karibik insgesamt 17 Fünf-Sterne-Resorts betreibt. Das All-inclusive-Konzept der Kette umfasst nicht nur die Verpflegung in allen Bars und Restaurants, sondern auch die Flughafentransfers und fast alle Freizeitangebote inklusive Wassersport und Tauchen. Die Preise für ein Doppelzimmer beginnen bei rund 1000 Euro pro Nacht. https://www.sandalsresorts.eu
Informieren: Nähere Informationen über den kleinen Inselstaat gibt es bei der staatlichen Tourismusbehörde unter https://tourism.gov.vc oder auf der Website http://discoversvg.com/.
Erleben: Ausflüge organisiert zum Beispiel Island routes https://www.islandroutes.com/caribbean-tours/st-vincent-the-grenadines/
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden