Peter Mohnen ist ein loyaler Mensch. Er gehört dem Vorstand des Augsburger Roboter- und Anlagenbauers Kuka seit 2012 an, zunächst als Finanzchef und ab 2018 als Vorstandsvorsitzender. Zuvor war er seit 1993 für den Energieriesen Eon und Ruhrgas tätig. Seit Montag steht fest: Sein bis Ende des Jahres laufender Vertrag wird vorzeitig „auf eigenen Wunsch“ aufgelöst. Wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt, scheidet der Manager zum 1. Juli aus seinem Amt aus, während Finanzvorstand Alexander Tan weiter bei Kuka an Bord bleibt. Dessen Vertrag wurde um drei Jahre verlängert. Noch ist nicht entschieden, wer Nachfolger Mohnens wird. Die letzten Details der Regelung würden laufen. Der Beschluss werde in Kürze bekannt gegeben. Die Kuka-Mitarbeiter wurden am Montagmittag über die Entscheidung informiert. Zuvor fand eine Aufsichtsratssitzung statt. Das Unternehmen wurde einst vom chinesischen Haushaltsgeräte-Hersteller Midea übernommen und gehört inzwischen vollständig zu dem asiatischen Imperium.
Noch-CEO Peter Mohnen sieht sich als „Kukaner“
Mohnen, 56, verabschiedet sich emotional: „Ich blicke mit Stolz und Dankbarkeit auf meine Zeit bei Kuka zurück.“ Der Manager bekannte: „Der Spirit, den die Kuka-Mitarbeitenden rund um den Globus leben, ist wirklich einzigartig. Teil dieses Teams zu sein, war für mich immer etwas Besonderes.“ Er werde dem Unternehmen verbunden bleiben und seine Entwicklung weiterverfolgen, „auch wenn es Zeit für mich ist, ein neues Kapitel aufzuschlagen“. Wie es für ihn beruflich weitergeht, ließ der Manager offen. Der Kuka-Aufsichtsrats-Vorsitzende Andy Gu versicherte jedenfalls: „Peter Mohnen hat das Unternehmen erfolgreich zu einem globalen, kundenorientierten und innovativen Technologiekonzern umgebaut und den Kuka-Konzern zu historischen Umsatz- und Ertragsrekorden geführt.“ Er bedauerte das Ausscheiden des Managers sehr und wünschte ihm „alles Gute und viel Erfolg“.
Midea übte Druck auf Kuka aus
Warum geht der Kuka-Chef vorzeitig, wo er doch den Spirit des Unternehmens so sehr schätzt und ihn Gu lobt? Nach Recherchen unserer Redaktion war es für Mohnen immer wieder eine Herausforderung, mit den Erwartungen und dem Druck von Midea auf die Augsburger Kuka-Zentrale umzugehen. Dem Vernehmen nach haben die Chinesen aus ihrer Forderung, die Kosten am bayerischen Standort noch stärker zu senken und damit einen Beitrag zu besseren finanziellen Ergebnissen von Kuka zu liefern, keinen Hehl gemacht. Auch wenn der Automatisierungsspezialist noch keine Geschäftszahlen für das vergangene Jahr vorgelegt hat, schreibt Kuka zwar immer noch schwarze Zahlen. Das Ebit, also der Gewinn vor Zinsen und Steuern, fiel indes dem Vernehmen nach deutlich geringer als 2023 aus. Das ist sicher nicht nach dem Geschmack der Midea-Männer, auch wenn 2024 weltweit ein wirtschaftlich schwieriges Jahr für Maschinenbauer war.

Mit Midea und Kuka prallen zwei Welten aufeinander
Aufschlussreich in dem Zusammenhang sind Äußerungen von Andy Gu aus dem Jahr 2019. Im Interview mit unserer Redaktion bekannte er: „Wir Chinesen achten sehr auf Zahlen. Es gilt, die Kosten im Griff zu behalten. Und wir Chinesen agieren schneller.“ In China gebe es viel mehr unterschiedliche Kundengruppen, die sehr fordernd seien und auf deren Wünsche rasch reagiert werden müsse. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Midea-Leute deutlich und kontinuierlich bessere Zahlen ihres deutschen Unternehmens einfordern, das sie einst für den stolzen Preis von rund 4,5 Milliarden Euro zu teuer übernommen haben, wie Branchenkenner kritisch anmerkten.
So findet zum Jahresauftakt regelmäßig in China eine Midea-Management-Konferenz statt. Auf der jüngsten Veranstaltung haben die Chefs, wie unsere Redaktion erfuhr, immer wieder den aus ihrer Sicht nicht ausreichenden Kuka-Profit angesprochen. Damit stand auch Mohnen in der Kritik, was für Beobachter eine Erklärung für seinen vorzeitigen Abgang sein kann. Dabei sind Renditen im mittleren einstelligen Bereich für viele deutsche Maschinenbauer durchaus auskömmlich und in Ordnung. Das scheinen die Chinesen nicht zu akzeptieren, lassen sich doch mit Klimaanlagen und Kühlschränken höhere Gewinne einfahren. Mit Midea und Kuka prallen zwei Welten aufeinander.
Die Midea-Lenker sind bekennende Kapitalisten, wenn sie auch langfristiger orientiert als etwa angelsächsische Investoren Firmen führen. Bei allen Bekenntnissen zum Produktions- und Forschungsstandort Augsburg war den Kuka-Käufern aus Fernost von Anfang an anzumerken, dass sie mit den Gepflogenheiten bei dem Roboterbauer fremdeln, also etwa Nachholbedarf haben, was die deutsche Mitbestimmung, die Beteiligung der Beschäftigten bis hinein in den Aufsichtsrat, betrifft.
Mohnen kämpfte beherzt für Augsburg
Mohnen wiederum nahm überzeugt und beherzt die Rolle ein, für den Standort Augsburg mit seinen zuletzt noch rund 3200 Beschäftigten zu kämpfen. Er sieht sich als Kukaner. So nennen sich die Beschäftigten des Unternehmens, das 2023 sein 125-jähriges Bestehen gefeiert hat. Und es ist keine schwäbische Folklore, wenn Angestellte der Firma in Augsburg sagen, durch ihre Adern fließe passend zur Firmenfarbe orangenes Blut. Kuka ist trotz der Übernahme durch die Chinesen für viele Beschäftigte im Kern ein deutsches Unternehmen und eine Herzensangelegenheit geblieben.
Manager sieht sich als ein Kukaner unter vielen
Mohnen sieht sich in seiner zurückhaltend-bodenständigen Art als ein Kukaner unter vielen. Er ist ein Anti-Sonnen-König. Wenn sein Vertrag vorzeitig endet, wird das sicher in Beschäftigtenkreisen als Signal gewertet, die Midea-Führung wolle stärker in Augsburg reinregieren. Das wiederum könnte für die Manager aus Fernost gefährlich werden, ist Kuka doch als Symbol für die deutsch-chinesische Zusammenarbeit von Anfang an ein Politikum. Es werden hierzulande auch politisch Verantwortliche beobachten, wie es bei Kuka in der Ära nach Mohnen weitergeht. Wenn etwa Forschungs- und Produktionsaktivitäten im größeren Maße von Augsburg nach China verlagert würden, dürfte das zu Widerstand über das Unternehmen hinaus führen.
Wie erfolgreich sich Mohnen für den Standort Augsburg eingesetzt hat, zeigte sich, als die Chinesen beschlossen hatten, Kuka von der Börse zu nehmen. Und das, obwohl sie eine solche in der Fachsprache „Delisting“ genannte Prozedur 2016 noch in einer Investoren-Vereinbarung ausgeschlossen hatten. Der Pragmatiker Mohnen versuchte, das Beste für Kuka und die Beschäftigten herauszuholen. Er schaltete nicht auf stur, sondern analysierte sachlich, dass die Börsennotierung für Kuka zwar einen Wert habe, aber nicht so effektiv sei. Damals wurden nur noch rund fünf Prozent der Aktien frei gehandelt.
Garantien für Augsburg bis Ende 2025: Mohnens „Meisterstück“
Da eine Notiz an der Börse vornehmlich dazu dient, sich Eigenkapital zu beschaffen, Kuka seit 2016 aber darauf nicht mehr zurückgegriffen hatte, verhandelte der Manager geschickt: Er stimmte dem Abgang vom Aktienparkett zu und setzte im Gegenzug dafür durch, dass Midea auf einen Beherrschungsvertrag verzichtet, was Kuka Freiheiten sichert. Zugleich erkämpfte Mohnen, dass Investitionen für Forschung und Entwicklung in Augsburg bis 2025 um mindestens 15 Prozent steigen. Ursprünglich endete die Vereinbarung mit Midea, dass Augsburg Hauptsitz des Unternehmens bleibt, Ende 2023. Mohnen holte mit dem Deal Garantien für Augsburg bis Ende 2025 heraus. Das war sicher eine der größten Leistungen, die er für Kuka erbracht hat. Es gilt in Beschäftigtenkreisen als sein „Meisterstück“. Doch irgendwann muss das Ringen mit den Midea-Repräsentanten sicher auch ermüdend für ihn gewesen sein.
Da hatten die Chinesen nichts zu meckern
Als Mohnen Nachfolger von Till Reuter wurde, der sich „Mister Kuka“ nannte, blieb er gegenüber seinem Vorgänger loyal. Er ließ damals im Gespräch mit unserer Redaktion keinen Ansatz von Kritik durchscheinen, auch wenn er allerlei Aufräumarbeiten nach der Ära „Reuter“ zu erledigen hatte. „Mister Kuka“ hatte kräftig eingekauft. Nicht jede Erwerbung erwies sich als Glücksfall. Mohnen musste umstrukturieren und fuhr mit dem sehr guten Geschäftsjahr 2023 die Ernte ein. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen stieg um 33,6 Prozent auf gute 158,2 Millionen Euro bei einem Rekordumsatz von gut vier Milliarden Euro. Da hatten auch die Chinesen nichts zu meckern. Für Mohnen schien es weiter gut zu laufen. Doch die Konjunktur spielte nicht mit. Der Finanzfachmann sah frühzeitig, dass die Lage für Kuka schwieriger wird.
Auch in einer neuen Funktion wird der erfahrene Manager seinem Stil sicher treu bleiben: Bei Kuka verzichtet er auf einen Chauffeur. Mohnen schenkte bei Mitarbeiter-Weihnachtsmärkten Glühwein aus. Und in der Kantine reiht sich der Manager geduldig in die Schlange ein. Mohnen lebt in München. Seine Familie bezeichnete der verheiratete Vater von drei Kindern einmal als sein größtes Hobby. Er ist sportlich und läuft gerne, auch beim Augsburger Firmenlauf wurde er schon gesichtet. Lesen und Reisen sind neben der Familie seine größten Leidenschaften.
Warum lassen die Chinesen Mohnen ziehen?
Mohnen ist ein guter und einfühlsamer Zuhörer. Er interessiert sich für Gesprächspartner, fragt, wie es ihnen gehe – und das nicht aus Berechnung heraus, sondern weil er es wirklich wissen will und Anteil am Leben anderer nimmt. Heute werden solche Eigenschaften unter dem Begriff „Empathie“ zusammengefasst. Das erkennen auch Beschäftigtenvertreter an. So sagte Armin Kolb als langjähriger Kuka-Betriebsratsvorsitzender einst über den Manager: „Ich würde mir natürlich das ein oder andere zusätzlich wünschen, doch ich erkenne an, dass Herr Mohnen einen guten Job macht. Und er identifiziert sich in hohem Maße mit dem Unternehmen.“ Er sei ein richtiger Kukaner. Für den Arbeitnehmer-Mann steht der Manager „für die größtmögliche Sozialverträglichkeit und ein faires Miteinander mit dem Betriebsrats-Gremium“. Mancher Beobachter mag sich fragen: Warum lassen die Chinesen einen solchen Mann ziehen?
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