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Analyse: Die AfD – Wer ist das eigentlich?

Analyse

Die AfD – Wer ist das eigentlich?

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    Die "Alternative für Deutschland" will eine Volkspartei werden.
    Die "Alternative für Deutschland" will eine Volkspartei werden. Foto: Fredrik von Erichsen, dpa

    Ein dickes, blaues Spendenschwein steht mitten auf einem langen Holztisch in einer kleinen Nebenstube des Gasthofs Berg in Höchstädt an der Donau. Darauf steht: MERKEL MUSS WEG. Um das Schwein herum versammeln sich rund 25 Menschen. Hier findet der öffentliche Stammtisch der AfD Nordschwaben statt. Mitglieder und Interessierte diskutieren über die Ergebnisse der Landtagswahlen und über die politischen Ziele der Partei.

    Organisator ist Hans Tschense aus Donauwörth, Vorsitzender des AfD-Kreisverbandes. Der 67-Jährige ist ehemaliger Schulrektor, circa 1,75 Meter groß, mit leichtem Bauchansatz. Sein weißes Haar ist kurz geschnitten, die Brille schiebt er zum Reden auf die Nasenspitze vor. Tschense ist im Umgang mit der Presse auffällig vorsichtig und distanziert: „Machen Sie bitte keine Bilder von der Veranstaltung“ und „Bleiben Sie in Ihrer Berichterstattung sachbezogen“, fordert er in ruhigem, aber deutlichem Ton.

    AfD-Politiker Tschense: Angela Merkel mache keine Politik der Leute

    Aus Enttäuschung über Angela Merkels Politik ist Tschense vor drei Jahren in der AfD aktiv geworden. „Sie macht keine Politik der Leute.“ Seiner Meinung nach führe der Kurs der Kanzlerin zu einem Auseinanderdriften der Gesellschaft – vor allem in der Flüchtlingsfrage. „Wir lassen Bürger aus muslimischen Staaten ohne Kontrollen nach Europa rein, ganz egal, ob sie vorbestraft sind oder nicht“, sagt Tschense. „Viele Wirtschaftsflüchtlinge kommen aus den Maghreb-Staaten nach Deutschland und fragen: Wo sind mein Auto und meine Eigentumswohnung? Da fällt mir die Kinnlade runter.“

    Tschense hat mit 50 Gästen gerechnet. Gekommen sind nur etwa halb so viele. In der engen, schlecht beleuchteten Gaststube sitzen vor allem Männer. Vom 18-Jährigen über den mitten im Leben stehenden Familienvater bis hin zum Rentner ist alles dabei. Sie trinken hauptsächlich Bier. Der ein oder andere bleibt bei einer Apfelschorle oder bei einem Wasser. Die Frauen im Raum lassen sich an einer Hand abzählen. Eine davon ist Annemarie, Hans Tschenses Frau. Sie unterstützt ihren Mann als Schriftführerin des Kreisverbandes.

    Frank aus Günzburg: "Wir sind keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur"

    Unter den Gästen sitzt der 49-jährige Frank aus Günzburg. Seinen vollen Namen möchte der stämmige Mann mit den blonden, nach hinten gekämmten Haaren nicht nennen. Er hat jahrelang die CSU gewählt. „Aber mit denen ist wenig umgesetzt worden“, sagt der vierfache Familienvater mit rauchiger Stimme. „Wir sind keine Demokratie mehr, sondern eine Diktatur.“ Nun will Frank also die AfD wählen.

    Ihm gegenüber sitzt Toni aus Krumbach. Der 54-Jährige hat ebenfalls vier Kinder und möchte wie Frank auch nicht seinen Nachnamen preisgeben. Toni arbeitet in einer Bank und ist vor allem mit der Währungspolitik der vergangenen Jahre nicht einverstanden. Die Einführung des Euro hält er für einen Fehler. „Wir sind zu einem Spielball der Amerikaner geworden. Es geht nur um deren Machterhalt“, sagt Toni.

    Er hat große Zweifel, ob die Menschen in Deutschland die richtigen Informationen bekommen: „Das politische Geschehen kommt mir wie eine große Show vor. Ich fühle mich von den Medien verarscht“, sagt Toni. Er habe den Eindruck, dass er ständig angelogen werde. „Was die Merkel macht, ist doch fast schon kriminell.“ Sein Bauchgefühl sage ihm, dass Deutschland in den Ruin getrieben werde. Auch Toni hat lange die CSU gewählt. Nun fühle er sich aber in der AfD besser aufgehoben. „Hier herrscht ein tieferer Geist, der nach Erkenntnis strebt“, sagt er und fasst sich dabei nachdenklich an seinen dunklen Schnauzbart.

    Die AfD wirbt mit dem Slogan "Mut zur Wahrheit"

    „Mut zur Wahrheit“ lautet der Slogan, mit dem die AfD um Wähler wirbt. Man fragt sich nur: Welche Wahrheit? Angela Merkel hat ihre Wahrheit und Hans Tschense wiederum eine ganz andere: „Europa wird in den nächsten Monaten auseinanderbrechen“, ruft er den Gästen in Höchstädt zu. Tschense kann sich gut vor Menschen präsentieren, wirkt überzeugend. Die vielen Jahre als Lehrer sind ihm anzumerken.

    Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei sei undemokratisch und falsch, sagt er. „Die Türken werden die sechs Milliarden Euro sicherlich nicht nur für die Flüchtlinge einsetzen, wenn ich an ihren Konflikt mit den Kurden denke.“ Tschense warnt auch eindringlich vor der Aufnahme von weiteren Flüchtlingen in Deutschland. „Man schaue nach Schweden, das mittlerweile die zweithöchste Vergewaltigungsrate der Welt hat.“

    Dies sei eine Folge der Zuwanderung von vielen muslimischen Männern. „Jetzt könnte man mir rassistische Hetze unterstellen. Aber ich zitiere doch nur aus schwedischen Zeitungen“, merkt Tschense an. Deutsche Medien würden ja so etwas nicht berichten. Auf das Wort „Lügenpresse“ verzichtet er. Zustimmendes Raunen. „So isch’s“, flüstert eine Frau mittleren Alters ihrem Nebenmann zu und nippt an ihrer heißen Schokolade.

    Tschense ist nun in voller Fahrt, spricht davon, dass die Grünen Deutschland abschaffen wollen. „Aber ich bin für den Erhalt Deutschlands in seiner demokratischen Form.“ Allgemeines Köpfenicken und Klatschen in der Runde. Es ist der größte Applaus des Abends.

    Am Ende des Abends sind viele überzeugt von den Zielen der AfD

    Und die strittigen Punkte des AfD-Parteiprogrammentwurfs wie die Ablehnung von alternativen Familienmodellen, die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks? „Dazu gebe ich keinen Kommentar ab“, sagt Tschense. Es gebe schließlich noch kein offizielles Parteiprogramm. „Das wird Ende April beschlossen. Erst dann werde ich es kommentieren.“

    Es ist spät geworden in der Nebenstube des Gasthofs. Die Bedienung will abkassieren. Das blaue Spendenschwein guckt so müde wie Merkel nach einer langen Verhandlungsnacht in Brüssel. Frank will eine rauchen gehen, Toni trinkt noch seine Apfelschorle aus. Die beiden haben Tschense angeregt zugehört. Sie sind überzeugt von den Zielen der AfD.

    Eine Frage bleibt den beiden allerdings noch zu stellen: Sind Sie eigentlich rechtsradikal? „Was meinen Sie damit?“, entgegnet Toni. Der Mensch sei grundsätzlich egoistisch. „Aber fremdenfeindlich oder rassistisch bin ich gewiss nicht“, sagt Toni. Im Gegenteil: Er habe früher sogar einmal die Grünen gewählt. „Ich bin eigentlich ein Linker“, sagt Toni. Auch Frank reagiert etwas irritiert auf diese Frage: „Wenn ich merken würde, dass die AfD ins rechte Milieu hineinrutscht, würde ich nicht hier sitzen.“

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