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Kommentar: Nach dem Brexit steht die Zukunft Europas auf dem Spiel

Kommentar

Nach dem Brexit steht die Zukunft Europas auf dem Spiel

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    Kommentar zum Brexit: Die EU muss gemeinsame Antworten auf die großen Fragen finden.
    Kommentar zum Brexit: Die EU muss gemeinsame Antworten auf die großen Fragen finden. Foto: Stephanie Pilick (dpa)

    Das britische Volk hat eine historische Entscheidung von enormer Tragweite getroffen. Großbritannien, das Land der Engländer und Waliser, der Schotten und Nordiren, kehrt Europa nach 43 Jahren den Rücken. Die Europäische Union verliert damit einen ihrer wichtigsten und ökonomisch stärksten Staaten. Deutschland büßt einen Verbündeten im ewigen Streit mit dem Süden um die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit Europas und eine solide Finanzpolitik ein.

    An jenem epochalen 23. Juni 2016 ist eingetreten, was lange undenkbar schien und nun den Kontinent in seinen Grundfesten erschüttert: Erstmals macht eine Nation vom Recht auf Austritt Gebrauch. Das ist nicht nur ein schwerer Schlag für die EU, die seit Jahren von Krise zu Krise taumelt und nun auch noch den „Brexit“ und den Verlust eines unbequemen, doch letztlich unverzichtbaren Partners verkraften muss. Das demokratische Votum der Briten setzt auch das seit Jahrzehnten gültige Axiom europäischer Politik außer Kraft, wonach der Prozess der Einigung unumkehrbar sei.

    Brexit bedeutet nicht das Aus der EU

    Der Ausstieg Großbritanniens bedeutet das endgültige Aus aller Träumereien von einem europäischen Bundesstaat, nicht jedoch den Untergang der EU. Und natürlich werden Brüssel und London, wenn sich der Pulverdampf verzogen hat, Mittel und Wege finden, um den gemeinsamen volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Aber das britische Beispiel, das den populistischen und antieuropäischen Kräften in ganz Europa zusätzlichen Auftrieb verschafft, könnte Schule machen und Nachahmer finden. In diesem möglichen Dominoeffekt besteht die eigentliche, die tödliche Gefahr für die Union.

    Die EU mag den Abschied der Briten und die damit einhergehende außen- und sicherheitspolitische Schwächung bewältigen. Der Austritt weiterer Länder hingegen läutete unweigerlich den Zerfall der Union ein. Auszuschließen ist eine derart dramatische Entwicklung nun nicht mehr. Denn der Verdruss über Europa ist auf der Insel ja nicht ausgeprägter als in vielen anderen Ländern. Die Brexit-Mehrheit, die gegen jede wirtschaftliche Vernunft zustande kam, ist sicher auch das Resultat einer lügnerischen Kampagne und eines Machtkampfes in der regierenden Partei.

    Im Kern jedoch spiegelt das Ergebnis jene Stimmung wider, die in weiten Teilen der EU herrscht und sich aus zwei Quellen speist: Dem Misstrauen gegenüber den Eliten aus Politik und Wirtschaft und dem Unbehagen an einer gleichmacherischen EU, die ohne hinreichende demokratische Legitimation über die Köpfe der Menschen hinweg regiert, in der Flüchtlings- und Schuldenkrise ein erbärmliches Bild abgibt und zu einer elitären Veranstaltung geworden ist. Aus diesem brisanten Mixtum rühren der Ansehensverlust der EU und die wachsende Neigung her, sich wieder in das vertrautere nationale Haus zurückzuziehen. Daraus folgt: Wenn die EU die Herzen der Menschen zurückgewinnen will, dann ist es mit pathetischen Reden auf die Frieden und Wohlstand sichernde Einheit Europas nicht getan. Dann muss endlich gehandelt und auf die Vertrauenskrise reagiert werden.

    Brexit: EU muss auf große Fragen eine gemeinsame Antwort finden

    Die EU hat eine Zukunft, wenn sie auf die großen Fragen (Stichwort Zuwanderung) eine gemeinsame Antwort findet, die Kritik der Bürger ernst nimmt und sich auf jene Probleme konzentriert, die nur mit vereinten Kräften zu lösen sind. Ein „Weiter so“ ist nach diesem britischen Weckruf nicht mehr möglich. Ohne einen glaubwürdigen Neustart nämlich, der die Befugnisse der EU und der Nationalstaaten bürgernah austariert und die europäische Idee mit neuem Leben erfüllt, droht Europa zu scheitern – zum Schaden aller Europäer.

    Mit Reden auf die Einheit ist es nicht mehr getan

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