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Gundremmingen: "Sehr gefährlich": Grüne und SPD fordern vorzeitiges Aus für AKW

Gundremmingen

"Sehr gefährlich": Grüne und SPD fordern vorzeitiges Aus für AKW

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    Nach zwei Vorfällen im Atomkraftwerk Gundremmingen im vergangenen Jahr fordern SPD und Grüne im Landtag eine vorzeitige Abschaltung der beiden Reaktorblöcke.
    Nach zwei Vorfällen im Atomkraftwerk Gundremmingen im vergangenen Jahr fordern SPD und Grüne im Landtag eine vorzeitige Abschaltung der beiden Reaktorblöcke. Foto: Ulrich Wagner

    Nach Abschluss der Untersuchung von zwei Vorfällen im Kernkraftwerk Gundremmingen im vergangenen Jahr haben SPD und Grüne im Landtag ihre Forderung nach einer vorzeitigen Abschaltung der beiden Reaktorblöcke bekräftigt. Das Risiko für die Bevölkerung, so sagte die Grünen-Abgeordnete Rosi Steinberger, sei „untragbar“. Der SPD-Abgeordnete Herbert Woerlein nannte den Weiterbetrieb der Blöcke B (bis 2017) und C (bis 2021) „sehr gefährlich“. Die Versicherung des bayerischen Umweltministeriums, dass die Sicherheitssysteme in beiden Fällen funktioniert hätten und Konsequenzen aus den Ereignissen gezogen wurden, konnte die Kritiker nicht beruhigen. Auch die Abgeordneten von Freien Wählern und CSU zeigten sich irritiert.

    Der Bericht, den das Ministerium am Donnerstag im Umweltausschuss des Landtags vorlegte, betrifft eine Reaktorschnellabschaltung in Block C im März 2015, die durch einen Fehler eines Handwerkers bei Instandhaltungsarbeiten ausgelöst wurde, und den Absturz eines Brennstabbündels im November 2015, das sich bei der Umlagerung im Abklingbecken vom Kopf des Brennelements gelöst hat. In beiden Fällen handelte es sich zwar um meldepflichtige Ereignisse der untersten Stufe. Das heißt, ihnen wird keine oder nur eine sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung zugemessen. Doch die Sorgen der Atomkraftkritiker wachsen, dass sich gegen Ende des Betriebs Nachlässigkeiten einstellen könnten oder bei der Sicherheit nicht mehr ausreichend nachgebessert werde.

    Ministerium sieht AKW Gundremmingen als absolut sicher

    Der Sprecher des Ministeriums wies diesen Verdacht zurück. Der Absturz des Brennstabbündels sei ein „einzigartiges Ereignis“ gewesen. Durch technische Nachbesserungen an den Lademaschinen und ein langsameres Verfahren bei der Umlagerung der Brennelemente sei sichergestellt worden, dass es sich nicht wiederholen sollte.

    Das ist das Atomkraftwerk Gundremmingen

    Die Anlage Gundremmingen zwischen Günzburg und Dillingen, die in dieser Form seit 1984 besteht, ist der leistungsstärkste Kernkraftwerksstandort in Deutschland. Die zwei Reaktoren erzeugen pro Jahr mehr als 20 Milliarden Kilowattstunden Strom. Dies entspricht rund einem Drittel des gesamten Verbrauchs in Bayern.

    Die Betreibergesellschaft der Anlage gehört zu 75 Prozent RWE und zu 25 Prozent Eon. Nach dem Atomausstiegsbeschluss der Bundesregierung 2011 sollen Block B im Jahr 2017 und Block C 2021 abgeschaltet werden.

    Das Zwischenlager in Gundremmingen ging im August 2006 in Betrieb. Die Halle liegt rund 150 Meter vom Reaktorgebäude entfernt und ist 104 Meter lang, 38 Meter breit und 18 Meter hoch. Die Wände aus Stahlbeton sind 85 Zentimeter dick. Die Halle verfügt über eine Kapazität von 192 Castoren. Ein Castor wiederum enthält 52 Brennelemente. Damit ist das schwäbische Zwischenlager das größte in Deutschland.

    Wie alle anderen Zwischenlager ist auch dieses für eine Betriebszeit von maximal 40 Jahren ausgerichtet. Das heißt, in Gundremmingen endet die Genehmigung 2046. Spätestens dann, so die ursprüngliche Planung, sollte ein Endlager in Deutschland zur Verfügung stehen.

    Die Kritiker befürchteten schon bei der Genehmigung des Zwischenlagers, dass es de facto zu einem Endlager werden könnte. Außerdem argumentierten sie, dass in jedem der Castoren mehr Radioaktivität enthalten sei, als bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 freigesetzt wurde.

    Gegen den Bau der Zwischenlager wurde bundesweit prozessiert. Im Fall von Gundremmingen reichten fünf Anwohner aus umliegenden Gemeinden Klage beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München ein. Der VGH wies die Klage mit seinem Urteil vom 2. Januar 2006 ab.

    Konsequenzen, so versicherte der Ministerialbeamte, seien auch aus dem Vorfall im März gezogen worden. Dabei sollte eine Armatur von Block B inspiziert werden, der gerade nicht in Betrieb war. Ein Handwerker einer Fremdfirma öffnete allerdings versehentlich eine Armatur des im Leistungsbetrieb laufenden Block C. Die Folge war eine Leckage mit Druckabfall, die letztlich zu einem Ausfall der Steuerluftversorgung und zur Selbstabschaltung des Reaktors führte. Der Fehler des Handwerkers hatte demnach, weil die technischen Sicherungssysteme funktionierten, keine gefährlicheren Folgen. Um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, seien Maßnahmen ergriffen worden: erweiterte Schulungen, Aufnahme von Warnhinweisen in Instandhaltungsverträgen und Sicherungen vor Ort zur Vermeidung von Verwechslungen.

    Umweltausschuss will weiter über Sicherheit in Gundremmingen diskutieren

    Die Abgeordneten im Umweltausschuss reagierten mit scharfer Kritik. Die Grünen-Abgeordnete Steinberger sprach von „Schlamperei hoch drei“. Benno Zierer (Freie Wähler) schimpfte: „Das ist doch kein Sandkasten. So etwas darf überhaupt nicht passieren.“ Der SPD-Abgeordnete Woerlein stellte die besorgte Frage, ob Gundremmingen möglicherweise „das gefährlichste Kernkraftwerk“ sei. Und auch der Ausschuss-Vize Otto Hünnerkopf (CSU) merkte an: „Da sind wir alle verwundert und reiben uns die Augen. Das darf einfach nicht passieren.“

    Die Debatte über die Sicherheit in Gundremmingen ist damit nicht beendet. In einer der nächsten Sitzungen will sich der Ausschuss mit der Frage befassen, wie Computerviren auf den Rechner des Atomkraftwerks kommen konnten.

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