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Berlin: Der Tiergarten - eine rechtsfreie Zone mitten in Berlin?

Berlin

Der Tiergarten - eine rechtsfreie Zone mitten in Berlin?

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    „Pogo“ gehört einem Obdachlosen, der im Berliner Tiergarten in einem Zelt haust. Die Zustände in dieser zentralen Parkanlage sind gerade das wichtigste Thema in der Hauptstadt.
    „Pogo“ gehört einem Obdachlosen, der im Berliner Tiergarten in einem Zelt haust. Die Zustände in dieser zentralen Parkanlage sind gerade das wichtigste Thema in der Hauptstadt. Foto: Paul Zinken, dpa

    Blickt Angela Merkel aus ihrem Büro im siebten Stock des Kanzleramts direkt auf einen 200 Hektar großen rechtsfreien Raum? Grenzt der Reichstag, Sitz des Deutschen Bundestags, an eine „No-Go-Area“, also eine Gegend, in der die Polizei die Kontrolle verloren hat? Blickt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der höchste Mann im Staat, aus dem Bundespräsidialamt auf ein Gebiet, in dem der Staat vor Drogenhandel, Gewalt und Prostitution kapituliert?

    Die Situation im Tiergarten, der grünen Lunge der deutschen Hauptstadt, wirft diese Fragen auf, seit der Bürgermeister des Berliner Bezirks Mitte, Stephan von Dassel von den Grünen, mit dramatischen Worten Alarm geschlagen hat. „Der Tiergarten wird mehr und mehr zur rechtsfreien Zone“, sagte er demTagesspiegel.  „Wir können das nicht mehr hinnehmen.“ Er klagt über aggressive Obdachlose, die sich dauerhaft im Park niedergelassen haben, über Flüchtlinge, die sich prostituieren. Und über ein gewaltiges Rauschgiftproblem. Eimerweise würden die Mitarbeiter seines Ordnungsamts jeden Tag gebrauchte Drogenspritzen aus den Büschen sammeln.

    „Die polnische Regierung kann ihr soziales Problem nicht in Berliner Grünflächen lösen“ – von Dassel schlägt Töne an, die ihm nicht nur in seiner Partei Kritik einbringen. Laut dem Bezirksbürgermeister stammen viele der illegalen Dauercamper aus Osteuropa: „Aggressive Obdachlose aus EU-Ländern abzuschieben, sollte kein Tabu mehr sein.“ Zahlreiche Berliner Lokalpolitiker beeilten sich zu versichern, dass die Abschiebung von EU-Bürgern nur nach wiederholten Verurteilungen möglich ist.

    Brennpunkte: Görlitzer Park, Kottbusser Tor, Alexanderplatz

    Jogger laufen in Berlin durch den Tiergarten.
    Jogger laufen in Berlin durch den Tiergarten. Foto: Maurizio Gambarini , dpa

    Doch Stephan von Dassel trifft bei den Berlinern einen wunden Punkt. Der Tiergarten ist nicht der einzige Teil der Bundeshauptstadt, in dem bei den Bürgern das Gefühl der Unsicherheit wächst. Notorische Kriminalitätsschwerpunkte sind etwa der Drogenumschlagplatz Görlitzer Park, die Gegend um das Kottbusser Tor und immer mehr auch der zentrale Alexanderplatz.

    Nun rückt der Tiergarten in den Blickpunkt, den fast jeder der jährlich rund 13 Millionen Berlin-Besucher während seines Besichtigungsprogramms zumindest streift. Die Grünanlagen sind weitläufig, teils schlecht einsehbar, von hohen Bäumen und dichten Büschen bewachsen. Nachts ist der Park nur an wenigen Stellen beleuchtet. An mehreren Stellen kampieren Obdachlose wild, in Zelten und unter Planen. Immer wieder wird von Schwänen berichtet, die dort getötet, gerillt und verspeist werden

    Quer durch den Park führt die prächtige Straße des 17. Juni vom Brandenburger Tor zur Siegessäule mit der golden schimmernden Viktoria. Doch in den Büschen um das Monument preußischen Glanzes verkaufen junge Männer ihre Körper, bieten sich für 20 Euro meist älteren Freiern an. Laut Tagesspiegel sind es teils minderjährige Flüchtlinge ohne Aufenthaltsstatus.

    Mehr Polizisten für den Tiergarten?

    Die Viktoria-Statue auf der Berliner Siegessäule, auch Goldelse genannt, glänzt über den herbstlich gefärbten Bäumen des Tiergartens.
    Die Viktoria-Statue auf der Berliner Siegessäule, auch Goldelse genannt, glänzt über den herbstlich gefärbten Bäumen des Tiergartens. Foto: Sören Stache, dpa

    Auf dem Fußweg zwischen dem „Schleusenkrug“, einem der beliebtesten Biergärten der Stadt, und dem Bahnhof Zoo erinnern Kerzen und Blumen an Susanne F., die dort Anfang September brutal getötet wurde. Gegen 22 Uhr, auf dem Heimweg aus dem Lokal, begegnete die 60-jährige Kunsthistorikerin ihrem Mörder. Erst nach drei Tagen fanden Spaziergänger ihre Leiche im Gebüsch. Als dringend tatverdächtig gilt ein 18-jähriger Tschetschene. Mutmaßliches Mordmotiv: Habgier. Die Beute: 50 Euro und ein Handy. Seit dem Mord meiden noch mehr Menschen den Tiergarten – nicht nur nachts.

    Der drastische Hilferuf des Bezirksbürgermeisters von Mitte hat die Debatte um die öffentliche Sicherheit nun neu angefeuert. Erste Konsequenzen gibt es bereits. Der Senat beschloss, dass ab heute mehr Polizisten im Tiergarten Streife gehen sollen.

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