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Kommentar: So kann die SPD den Wiederaufstieg schaffen

Kommentar

So kann die SPD den Wiederaufstieg schaffen

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    Andrea Nahles soll die SPD aus ihrem Dauertief führen.
    Andrea Nahles soll die SPD aus ihrem Dauertief führen. Foto: Ina Fassbender, dpa

    Die große alte Sozialdemokratie steuert auf den Abgrund zu. Nur noch 16 Prozent der Deutschen stehen laut einer neuen Umfrage zu ihr. Das ist der schlechteste SPD-Wert, der je gemessen wurde – und die Quittung für das erbärmliche Schauspiel, das die Granden der Partei und der abgetretene Vorsitzende Schulz zuletzt dargeboten haben. 16 Prozent und nur noch knapp vor dem Bundestagsneuling AfD: Das ist natürlich nur eine Momentaufnahme. Aber es zeigt, wie ernst es um die Volkspartei bestellt ist.

    Nicht auszudenken, wenn die Mitglieder Nein sagen sollten zu dem neuen Koalitionsvertrag. Bei Neuwahlen nämlich drohte noch eine Beschleunigung der Talfahrt. Denn wer, bitteschön, soll eine Partei wählen, die trotz eines guten Verhandlungsergebnisses nicht regieren will und gar keine andere Machtoption hat? Und das Schicksal der in der Bedeutungslosigkeit versunkenen französischen Sozialisten zeigt, dass auch einst große, das Land prägende Parteien nicht mehr gefeit sind vor dem Sturz ins Bodenlose.

    Das über Jahrzehnte sehr stabile deutsche Parteiensystem ist in Bewegung geraten und zersplittert. Die Erosion der großen Parteien (auch der Union) ist in vollem Gange. Die Dynamik dieses Veränderungsprozesses, in dem sich die Kräfte neu sortieren und alte Gewissheiten nicht mehr zählen, birgt hohe Risiken für die Stabilität der Grundordnung einer zusehends gespaltenen Gesellschaft. Es wäre eine Tragödie für die Republik, wenn ein Pfeiler dieser Ordnung, die SPD, einstürzte. Die linke Volkspartei wird gebraucht, um diese Gesellschaft zusammen und das System funktionstüchtig und berechenbar zu erhalten.

    In der Ära Merkel hat die SPD neun Parteichefs verschlissen

    Für den Augenblick wäre der in den Ländern und Kommunen noch gut verankerten SPD schon sehr geholfen, wenn sie in der Regierung ihre Akzente setzen könnte und ihr latentes Führungsproblem in den Griff bekäme. Seit 18 Jahren führt Merkel die CDU; die SPD hat in dieser Zeit neun (!) Vorsitzende verschlissen. Seit Schröders Abgang steckt die Partei in einer von Flügelkämpfen und Richtungsstreit orchestrierten Führungskrise. Nun soll es Andrea Nahles richten. Sie hat wohl das Zeug dazu, die SPD im Bunde mit dem designierten Vizekanzler Scholz zu stabilisieren, den Abstand zur Union zu verringern und in die Rolle einer Kanzlerkandidatin hineinzuwachsen. Ob Nahles zur Retterin in der Not wird, hängt aber nicht nur von ihrer Leistung und dem Bild ab, das sich die Bevölkerung von ihr machen wird. Ein Wiederaufstieg der SPD kann nur gelingen, wenn mehrere Voraussetzungen erfüllt werden.

    Die SPD muss aufhören, ihre Rolle zu beklagen

    Erstens: Es muss Schluss sein mit dem ewigen Wechselspiel an der Spitze und Klarheit her über den Kurs der SPD, die nicht linksaußen, sondern nur – wie unter Schröder – in der breiten Mitte stärker punkten kann.

    Zweitens: Die SPD muss aufhören, ihr Elend als regierende Partei zu beklagen und ihre Erfolge kleinzureden. Die ewige Sehnsucht nach Opposition und „SPD pur“ ist selbstzerstörerisch, der Traum von einer linken Mehrheit auf lange Zeit ein Hirngespinst.

    Drittens: Die SPD versteht sich als „Schutzmacht der kleinen Leute“. Gut so. Aber dann muss sie deren Interessen auch in Fragen der Zuwanderung, der inneren Sicherheit oder der Steuerpolitik vertreten. Die Abwanderung von Stammwählern auch in Richtung AfD hat ja ihre Gründe. Die SPD „kümmert sich zu sehr um linksliberales Gedöns, statt die materiellen und kulturellen Interessen der Unter- und Mittelschicht in den Blick zu nehmen“. So hat es zutreffend jener Mann formuliert, der nun offenbar – kein gutes Zeichen für den ersehnten Neuanfang – ins Abseits gestellt werden soll: Sigmar Gabriel.

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