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Interview: Warum Bayern Afrika hilft

Interview

Warum Bayern Afrika hilft

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    Europaministerin Beate Merk (rechts) und Bischof André Gueye über berufliche Chancen von jungen Menschen im Senegal.
    Europaministerin Beate Merk (rechts) und Bischof André Gueye über berufliche Chancen von jungen Menschen im Senegal. Foto: Bayerische Staatskanzlei

    Frau Merk, Sie haben im Senegal gerade das Bayerische Haus eröffnet, in dem Qualifizierungsmaßnahmen zum Berufseinstieg junger Senegalesen angeboten werden. Warum engagiert sich Bayern in Afrika?

    Beate Merk: Um Migrationsursachen zu bekämpfen, müssen wir den Menschen in ihren Heimatländern die Perspektive auf ein besseres Leben geben. Im Senegal liegt das Durchschnittsalter unter 18 Jahren. Das massive Bevölkerungswachstum in Afrika ist nicht aufzuhalten – jedenfalls nicht innerhalb kurzer Zeit. Es werden 2050 mehr als doppelt so viele Menschen auf dem Kontinent leben wie heute. Jetzt sind es über eine Milliarde, dann 2,5 Milliarden Afrikaner. Und wenn sie jetzt schon oft keine Perspektiven mehr in ihrer Heimat sehen – wie soll das später noch werden?

    Wie haben Sie die jungen Menschen im Senegal erlebt? Wollen die alle weg aus ihrem Land – Richtung Europa?

    Merk: Eigentlich wollen sie zu Hause bleiben, bei ihren Freunden, bei ihrer Familie, bei ihren Liebsten. Sie gehen nur, wenn sie nicht mehr wissen, wie es weitergehen soll. Die einen gehen, weil sie alle Hoffnung verloren haben. Die anderen radikalisieren sich. Beides sind ganz schlechte Wege. Da müssen wir entgegenarbeiten.

    Mit Berufsfindungskursen?

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    Merk: Ja, auch. Durch diese Kurse werden die jungen Menschen fit gemacht für den Einstieg in einen Beruf oder in die Selbstständigkeit. Wir müssen die Familien erreichen, ihnen zeigen, wie sie ihren Kindern Bildung ermöglichen. Dazu brauchen Kinder Vorbilder, denn es ist in der afrikanischen Gesellschaft nicht wie bei uns selbstverständlich, dass etwa der Vater eine Ausbildung absolviert oder die Mutter studiert hat. Wir müssen in der jungen Generation verankern, dass man mit Arbeit viel erreichen kann.

    Sind auch Mädchen in den Kursen?

    Merk: Das ist mir besonders wichtig, uns hat heute zum Beispiel ein Mädchen demonstriert, wie ein Schaltkreis funktioniert. Wenn Mädchen eine Ausbildung haben, wird es weniger Kinderehen geben, und auch die Kinderzahl wird zurückgehen. Auf lange Sicht soll die Hälfte der Kursteilnehmer Mädchen sein. Vielleicht kann es auch eine Art Bonus geben für Familien, die ihre Töchter in die Kurse schicken.

    Die Staatsregierung unterstützt mit 20 Millionen Euro Projekte im Nordirak, im Libanon, in Tunesien und eben im Senegal. Hier werden innerhalb von zwei Jahren drei Millionen Euro in Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen investiert. Kann man mit dieser relativ geringen Summe überhaupt etwas bewirken – oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

    Merk: Wenn Sie jetzt ein Bild von Afrika malen und Sie malen das Bayerische Haus hinein, dann scheint es tatsächlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Aber: Man muss anfangen! Bayern ist das Bundesland, das am meisten Geld für die Entwicklungszusammenarbeit in die Hand nimmt. Wir übernehmen Verantwortung, um die Situation von Flüchtlingen und Migranten in ihrer Heimat zu verbessern. Wir wollen ein Leuchtturmprojekt setzen – und zur Nachahmung anspornen. Und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in den anderen 27 Mitgliedsstaaten Europas. Wir müssen alle etwas tun! Außerdem ist die Summe von drei Millionen in Relation zu sehen: Wir bewirken hier im Senegal mit einem Euro so viel wie in Deutschland mit 50 Euro.

    Was genau lernen die jungen Menschen im Bayerischen Haus?

    Merk: Sie bekommen in mehrwöchigen Kursen ganz praktische Tipps. Welche Berufe es überhaupt gibt, wie man einen Arbeitgeber findet, wie man sich bewirbt, worauf man bei einem Start-up achten muss, wie man sich selbstständig macht.

    Bayern unterstützt im Senegal auch ein Don-Bosco-Ausbildungszentrum in der bevölkerungsreichsten Region Thiès. Wie ist es dazu gekommen?

    Das ist Beate Merk

    Beate Merk wird am 1. August 1957 in Nordhorn (Niedersachsen) geboren.

    1976 bis 1981 studiert sie Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften.

    1991 promoviert Merk zum Doktor des weltlichen Rechts und des Kirchenrechts (Dr. jur. utr.) in Würzburg

    1989 bis 1994 arbeitet Merk am Landratsamt Neu-Ulm als juristische Staatsbeamtin Baurecht und Umweltschutz.

    Von 1995 bis 2003 ist Merk Oberbürgermeisterin der Stadt Neu-Ulm.

    Von 2003 bis 2008 ist Merk Bezirksrätin im Bezirkstag Schwaben und Mitglied im Parteivorstand der CSU.

    2003 wird Beate Merk Bayerische Staatsministerin der Justiz, 2008 kommt das Ressort Verbraucherschutz hinzu.

    Seit 20. Oktober 2008 ist die Neu-Ulmer Kreisträtin auch Abgeordnete des Bayerischen Landtags.

    Seit 10. Oktober 2013 ist Merk Bayerische Staatsministerin für Europaangelegenheiten und regionale Beziehungen.

    Merk: Es gibt seit zehn Jahren eine Partnerschaft des Erzbistums Thiès mit der Diözese Bamberg. Der dortige Bischof ist eine Art Vertrauensmann für die ganze Region, er redet den Jugendlichen wie den Eltern ins Gewissen und macht ihnen klar, wie wichtig eine Ausbildung ist, er ist unser Anker dort.

    Was können die Jugendlichen dort für Berufe lernen?

    Merk: Eine Vielzahl. Dreher, Metallverarbeitung, Schreiner. Die Ausbildung dauert jeweils ein bis drei Jahre. Wir finanzieren jetzt den neuen Ausbildungslehrgang Solartechnik. Denn – und das habe ich den jungen Leuten auch gesagt – sie haben ein Arbeitsmittel, das sie kostenlos kriegen und das ihnen auch niemand wegnehmen kann: die Sonne. Damit kann man in Afrika unheimlich viel machen. Ein Mädchen hat mir von ihren Plänen erzählt. Wenn sie fertig ist mit der Ausbildung, will sie ins Innere des Landes gehen und dort arbeiten, wo es noch keine Elektrifizierung gibt.

    Geht das so einfach?

    Merk: Der Kreis muss geschlossen werden. Ich will den Lehrlingen helfen, nach ihrer Ausbildung auch in den Beruf zu kommen, beispielsweise, indem Handwerker einen Werkzeugkoffer bekommen. Oder einen Kleinkredit, um sich selbstständig zu machen. Da brauchen wir noch eine Anlaufstelle, darum bitten die Jugendlichen auch. Denn sie wollen arbeiten – und kämpfen dafür, dass sie Unterstützung bekommen.

    Vor dem Senegal waren Sie in Marokko, um dort für eine enge Zusammenarbeit beim Flüchtlingsthema zu werben.

    Merk: Die Gespräche mit Marokko waren mir deshalb wichtig, weil das Land im Nordwesten Afrikas politisch stabil ist. Das ist Marokko auch bewusst, ich habe einen sehr selbstbewussten Staat vorgefunden, der sich als Brücke vom Orient zum Okzident sieht und auch eine Führungsfunktion in der Region einnehmen will.

    Inwieweit ist Marokko mit der steigenden Migrantenzahl auf der westlichen Mittelmeerroute konfrontiert? Und wie geht das Land, in dem es sogar einen eigenen Minister für Auslandsmarokkaner gibt, mit Migranten um?

    Merk: Marokko hat derzeit geschätzt mehrere zehntausende Flüchtlinge im Land. Viele davon wollen weiter nach Europa, ein Teil auch bleiben. Der Schutz der EU-Außengrenzen beginnt in Afrika, daher ist es umso wichtiger, dass Länder wie Marokko ihre Grenzen entsprechend kontrollieren. Das haben sie mir auch bestätigt: Sie versichern, dass die Grenze zu Algerien und in den Süden geschützt ist, und sie wollen auch wissen, wer ins Land kommt.

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